Freitag, 31. Juli 2009

Anlaß des 1. Johannesbriefes

Anlaß des Briefes ist ein Trennungsschmerz. Eine Gruppe hat die Gemeinde verlassen. Warum? Werden noch weitere gehen? Sind wir nicht attraktiv genug? Warum gehen sie, die doch von Anfang an dabei waren? Solche Fragen stehen im Raum.
Der Autor des Briefes, der "Presbyter" (vgl. 2. Joh 1 und 3. Joh 1), ist eigentlich immer noch fassungslos und möchte unbedingt erreichen, dass die restliche Gemeinde zusammenhält und ihrer ursprünglichen Berufung treu bleibt. „Wie stark sind sie verunsichert? Wie festige ich sie im richtigen Glauben?“ fragt er sich. Für die „Dissidenten“ hat er keinerlei Verständnis, von der Prophezeiung geleitet, das in der letzten Zeit „Antichristen“ auftauchen werden, sieht er diese Prophezeiung in ihrem Verhalten erfüllt. Welches Verhalten zeichnet er von ihnen? Sie gehörten ursprünglich zur Gemeinde, in der – wie in vielen urchristlichen Gemeinden - Prophetie, also Inspiration durch den Geist, eine wichtige Rolle spielte. Solche Geisterfahrungen im Rahmen einer geisterfüllten Verkündigung standen am Anfang der Gemeinde und haben zu ihrer Gründung geführt. Im Laufe der Zeit scheinen einige Inhalte der prophetischen Botschaften eine Änderung erfahren zu haben, vermutlich sagten einige „Geisterfüllte“, dass sie jetzt sündlos seien, dass sie „in Gott seien“ und darum auch keinen Bezug zum irdischen, fleischgewordenen Christus bräuchten. Sie wurden „Enthusiasten“, verstanden sich als vollkommene geistliche Elite, die aber in ihrem alltäglichen Verhalten die praktische Geschwisterliebe vernachlässigten.
Wie geht der Presbyter die Krise an? Er bezieht eine klare dogmatische Position: das Wort wurde Fleisch, Jesus ist der Christus, sein „Blut“ für die Vergebung der Sünden ist wichtig; damit geht eine ebenso klare Ethik einher, die Bruderliebe, die der Gottesliebe entspricht. Kern dieser Dogmatik und Ethik ist eine Spiritualität der ganz engen Zugehörigkeit zu Gott (wir in Gott, Gott in uns), die aber das Sündenbekenntnis, die Vergebung durch das Blut Jesu und die praktische Ge-schwisterliebe unabdingbar mit einschließt. Gottesnähe ohne Geschwisterliebe schließt sich aus. Das stilistische Mittel, diese Spiritualität bewußt zu machen und in der Gemeinde zu erwecken, ist ein „Denken in Kreisbewegung“, es wird weniger rational argumentiert als in wiederholten und variierten Grundaussagen in diese Spiritualität der Agape-Liebe eingestimmt.

Spiritualität des Sabbats

Für Michael und Burkhard, in Erinnerung an die schönen Gespräch gestern!

"Der Sabbatgedanke enthält für alle Zeiten, besonders aber für unsere Kultur eine unschätzbare Bedeutung: Er erinnert uns an die Kraft der Ruhe, des Innehaltens und des Loslassens. Elie Wiesel wurde einmal gefragt, wie es möglich war, dass das Judentum den Sabbat über all die Jahrhunderte, unter all den Schwierigkeiten und Verfolgungen in unsere Zeit herüberretten konnte: 'Nicht das Judentum hat den Sabbat gerettet, sondern der Sabbat das Judentum', soll Wiesel geantwortet haben."

"Ohne Ruhe, ohne Unterbrechungen, ohne Zwischenräume wird der Mensch von der Routine erdrückt, von der Selbstwiederholung geblendet und von der Gewohnheitsenergie aufgesaugt. Im Sabbat entdecken wir, dass der Mensch mehr und etwas anderes ist als seine Position, mehr, als was er sich sichern und erwerben kann. Und nur in diesem Ausruhen, im Abschalten erkennen und erfahren wir etwas vom Geheimnis, von der Kraft und Güte des Lebens."

aus: Georg Reiser, Spiritualität des Herzens. Für ein erneuertes Christentum. Einübungen, München: Kösel, 2008, S. 143 und 154. G. Reiser ist Mitglied des Franziskanerordens und Leiter des spirituellen Hauses "Zentrum Tau" in Kaltern/Südtirol.

Donnerstag, 30. Juli 2009

Geistliche Übungen (1): In Christus sein

Ich mache mir bewußt, dass ich meine tiefste Identität in der Gemeinschaft mit Jesus Christus habe, mache mir klar, dass ich „in ihm“ ein neuer Mensch geworden bin. Dabei erlebe ich GlaubensBildung. Denn in dieser Begegnung geschieht eine umfassende Aufklärung über mich selbst. Was ist damit gemeint? Es geht um eine Gemeinschaft mit Gott, die eine heilsame Selbstüberschreitung schenkt. Im Glauben an Jesus Christus werde ich fähig, zu mir selbst, zu meinen Bedürfnissen und Ansprüchen Distanz zu gewinnen. Ich sehe mich von Gottes Liebe und Menschenfreundlichkeit her. Wenn ich mich aber von Gott her sehe, habe ich Distanz zu mir gewonnen, die es mir ermöglicht, mich im rechten Maß zu sehen. Ich werde mich dann weder zu einem Star stilisieren, noch zu einem dahinvegetierenden „Nichts“. Gott schenkt mir eine Beobachtungsperspektive, durch die ich das rechte Maß für meine Freundschaften und Beziehungen, für meinen Umgang mit Erfolg und Misserfolg, mit Besitz und Verlust finde. An nichts muss ich mich völlig hängen. Ich kann mitten im Leben stehen, in der Spannung zwischen Zwängen und Selbstbestimmung, und versuche dabei, von der Perspektive Gottes her zu denken, zu fühlen und zu handeln. Durch diese Außenperspektive gewinne ich eine höhere Sensibilität für immer wieder auftauchende „Maßlosigkeiten“ in meinem Denken, Fühlen und Handeln. Wenn ich erkenne, dass ich an mir leide und andere an mir leiden, weil ich misstrauisch oder neidisch, oder verzweifelt, oder gierig, oder rachgierig, oder besserwisserisch, oder geizig, oder opportunistisch, oder arrogant, oder feige, oder fahrlässig bin, dann hilft der Glaube, wieder ins Gleichgewicht zu kommen – vor allem auch dadurch, dass Gott zuspricht: Du bist fähig, zu lieben, zu gönnen, zu vertrauen, zu hoffen, zu geben, zu verzeihen und beständig, mutig, zuverlässig, fest, klar, langmütig zu sein.

Mittwoch, 29. Juli 2009

Ausdrucksformen von Spiritualität im 1. Johannesbrief

Sichtbare Ausdrucksformen der Spiritualität (praxis pietatis)

1. Dass Gott in mir bleibt und ich in Gott, diese ganz persönliche Liebeserfahrung mit Gott muss in der Geschwisterliebe sichtbar werden. „Geliebte, lasst uns einander lieb haben, denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht, denn Gott ist die Liebe“ (4,7-8) An ihr ist zu erkennen, dass tatsächlich eine Erfahrung mit der Agape-Liebe Gottes gemacht wird. Wie zeigt sich die Geschwisterliebe? „Wer sagt, dass er in ihm bleibt, muss auch leben, wie er gelebt hat.“ (2,6) Wie hat er gelebt? In welcher Weise ist er Vorbild? „Daran haben wir die Liebe erkannt, dass er sein Leben für uns hingegeben hat. Wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. Wenn jemand Vermögen hat und sieht die Notlage des Bruders und verschließt dann sein Herz vor ihm, wie kann die Liebe Gottes in ihm bleiben? Kinder, lasst uns nicht mit dem Wort und mit der Zunge lieben, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit (nicht wortreich, sondern tatenreich).“ (3,16-18) Die Wertschätzung der Geschwister, die Wahrnehmung ihres unendlichen Wertes, beweist sich in der praktischen (auch finanziellen) Tat. Allein hier wird sie sichtbar, so sehr natürlich auch tröstende, ermutigende, aufbauende Worte in einem Gespräch ganz praktisch sein können. Sichtbar wird die Erfahrung der Liebe Gottes weiterhin in der „Gemeinschaft untereinander“ (1,7). Sie zeigt sich auch in Höflichkeit und liebevoller Anrede: „Meine Kinder“ (3,7), „Geliebte“ (2,7; 4,1).

2. Sichtbar sind Freude (1,4) und Zuversicht (2,28; 3,21; 4,17; 5,14) in den Gesichtern der Geliebten, so jedenfalls wünscht es sich der Briefautor. Aufgrund der Geschwisterliebe sind gesellschaftliche Statusunterschiede in der Gemeinde unbedeutend, die intensive Erfahrung der Liebe Gottes löscht sie aus.

3. Zur Erfahrung der Liebe Gottes in Christus gehört das Sündenbekenntnis: „Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und und von aller Ungerechtigkeit reinigt.“ Das Sündenbekenntnis ist ein Mittel, geistliche Arroganz in der Gemeinde zu unterbinden. Es schafft eine Egalität, in der die Geschwisterliebe besser gedeiht.

4. Die Erfahrung, in der Liebe Gottes zu leben, führt zur Zuversicht: „Wenn wir etwas erbitten, was seinem Willen entspricht, so hört er uns.“ Johannes ermutigt zum Bittgebet.

5. Ein sittlicher Lebensstil ist ebenfalls die sichtbare Ausdrucksform der erlebten Liebe Gottes: seine Gebote halten, (3,24), sich reinigen (3,3), Distanz zur „Begierde des Fleisches, zur Begierde der Augen und zur Prahlsucht“ (2,16): im Mittelalter wurde für die Mönche daraus eine Distanz zu Wolllust, Habsucht und Hoffartvoluptas, avaritia, superbia – an deren Stelle traten die Gelübde bezüglich Keuschheit, Armut und Demut/Gehorsam).

6. Ganz wesentlich ist auch eine hörbare Verkündigung, die - wie der Brief selbst - Hörer und Leserinnen immer wieder in die Liebe Gottes hineinnimmt, sie real werden lässt: „Dies schreiben wir uns (und euch), dass unsere (und eure) Freude groß wird.“ (1,4) „Was ihr von Anfang an gehört habt, das bleibe in euch. Wenn das, was ihr von Anfang an gehört habt, in euch bleibt, so werdet ihr auch im Vater und im Sohn bleiben.“

7. Hörbar sind auch Worte von Propheten, die vom Geist Gottes inspiriert sind. Diese Worte sind zu prüfen: „Ein jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, der ist von Gott“ (4,2). Johannes scheint davon auszugehen, dass jeder in der Gemeinde eine besondere Geisterfahrung gemacht hat: „Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr braucht euch von niemandem belehren zu lassen. Alles, was seine Salbung euch lehrt, ist wahr und keine Lüge. Bleibt in ihm, wie es euch seine Salbung gelehrt hat.“ – „Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns, dass er uns von seinem Geist gegeben hat.“

8. Der Text des Briefes, für die Erstleser der Brief selbst, steht pars pro toto für den Apostel, der Augenzeuge ist, der das Wort Gottes selbst gesehen, gehört und betastet hat: „und wir haben gesehen und bezeugen und verkünden euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist.“ (1,2)

Gott ist gegenwärtig

Gerhard Tersteegen dichtete: „Gott ist gegenwärtig; lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten. Gott ist in der Mitte; alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge…Möcht’ wie die Engel immer vor dir stehen und dich gegenwärtig sehen! … Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben, aller Dinge Grund und Leben … Du durchdringest alles; laß dein schönstes Lichte, Herr, berühren mein Gesichte! Wie die zarten Blumen willig sich entfalten Und der Sonne stille halten, laß mich so still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen! … Herr, komm in mir wohnen, laß mein’ Geist auf Erden Dir ein Heiligtum noch werden; Komm, du nahes Wesen, dich in mir verkläre, daß ich dich stets lieb’ und ehre! Wo ich geh’, sitz und steh’, laß mich dich erblicken.“

Tersteegen erlebt die Gegenwart Gottes und er sehnt sich nach ihr. Er betet sie herbei. Wir stehen mit ihm zunächst gemeinsam im Gottesdienst, genau so wie die Priester mit der Gemeinde im Tempel vor Gott standen und Psalmen sangen. Dann werden wir uns der allesumfassenden Gegenwart des Schöpfergottes bewußt. Gott ist in geheimnisvoller Weise allezeit anwesend. Schließlich lenkt Teerstegen die Aufmerksamkeit auf uns selbst, auf die Möglichkeit, dass unser Geist ein Ort der Gegenwart Gottes sein kann. Tersteegen greift in seinem Lied Motive aus dem Alten und Neuen Testament auf und verwebt sie zu einer ehrfürchtigen, stillen Wahrnehmung der Gegenwart Gottes, in der sich der Betende demütig ganz von Gottes Nähe umfangen weiß.

Dienstag, 28. Juli 2009

Bob Dylan Gospel "Pressing on"

Heute möchte in den Song posten, den ich für den emotionalsten und erhebensten aller seiner Gospels halte. Er spielt - das ist mir erst jetzt richtig aufgefallen - im Text auf Phil 3,12-16 an. Ein von Paulus geprägter Dylansong - besser geht es nicht!


Well I'm pressing on
Yes, I'm pressing on
Well I'm pressing on
To the higher calling of my Lord.

Many try to stop me, shake me up in my mind,
Say, "Prove to me that He is Lord, show me a sign."
What kind of sign they need when it all come from within,
When what's lost has been found, what's to come has already been?

Well I'm pressing on
Yes, I'm pressing on
Well I'm pressing on
To the higher calling of my Lord.

Shake the dust off of your feet, don't look back.
Nothing now can hold you down, nothing that you lack.
Temptation's not an easy thing, Adam given the devil reign
Because he sinned I got no choice, it run in my vein.

Well I'm pressing on
Yes, I'm pressing on
Well I'm pressing on
To the higher calling of my Lord.

Copyright ©1980 Special Rider Music

Drei Versionen:
1. Vom Album "Saved" 1980
2. Eine Liveversion, vermutlich ebenfalls aus dem Jahr 1980
3. Der Song wird in einer Kirche begeistert gesungen





Gottesferne im 1. Johannesbrief

Wie wird Gottesferne im 1. Johannesbrief beschrieben?
1. In vollständigen Gegensatz zu Gottes Liebe und zum Vater tritt die „Welt“ in 2,15-17; mit diesem vieldeutigen Wort sind im 1. Joh Lebenszusammenhänge und Wirklichkeiten gemeint, die vom Begehren, von der Begierde konstituiert werden, d.h. von einer Haltung des Habenwollens, des Besitzergreifens. „Liebt nicht die „Welt“ und was in der „Welt“ ist. Wenn einer die „Welt“ liebt, ist die Liebe des Vaters nicht in ihm. Denn alles, was in der „Welt“ ist - das Begehren des Fleisches und die Begierde der Augen und das Protzen mit Besitz - ist nicht vom Vater, sondern von der Welt.“ Im Gegensatz dazu steht die Agape-Liebe, also die Haltung des Gebens und des Verschenkens, in der alle Statusunterschiede, die von der „Lust“ und vom Besitzenwollen erzeugt werden, nichtig sind.
2. Eine weitere Metapher für die Gottesferne ist die „Finsternis“. In der Finsternis finden sich die Lüge und der Hass. Die Lüge zeigt sich, wenn Menschen, die Gottesnähe für sich behaupten, meinen, ohne Sünde zu sein und genau aufgrund dieser Haltung ihre Geschwister hassen, sie verachten und ihnen in der Not nicht beistehen 3,16-17). Das ist die subtilste Form der Gottesferne: zu glauben, im Licht zu stehen, in Gott zu sein, aber nun genau dies als ein Haben zu verstehen, dass einen loslöst aus der Gemeinschaft mit den anderen Christen: ein elitäres Bewusstsein der Überlegenheit, das alle Liebe auslöscht und so die scheinbar Erleuchteten in die Finsternis des Brudermordes stürzt. Genau dies geschieht nach Ansicht des Johannes, wenn Gott nicht im Licht der Liebe, die sich in Jesus Christus gezeigt hat, erkannt wird. „Wer sagt, er sei im Licht, und hasst seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis“ (2,9) - „Wer aber seinen Bruder hasst, der ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht; denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.“ (2,11)

Gottesnähe im 1. Johannesbrief - in der Liebe Heimat finden

Die Gottesnähe im 1. Johannesbrief hat eine besondere Sprache für die Liebe gefunden, die sich im Sohn und im Vater offenbart. Die Erkenntnis, dass Gott die Liebe ist und er die Welt ganz in seine Liebe aufnehmen möchte, führt zu Beschreibungen der Gottesnähe, die ganz von dieser Liebeserfahrung gesprägt sind (ich in Dir, du in mir). Wer an Gottes Liebe glaubt, die sich im Vater und im Sohn offenbart hat, wird völlig in den Raum dieser Liebe, die Gott selbst ist, gestellt. Sie sind in Gott wie Gott in ihnen ist. Sie bleiben in ihm, wie er in ihnen. Welche psychischen Gefühle sind mit dieser Liebesnähe verbunden? An erster Stelle nennt der Brief die "Freude" (1,4), später die "Zuversicht" (2,28; 3,21; 4,17; 5,14), die das Gegenteil der Furcht ist. Die vollkommene Liebe treibt die Furcht, die Angst völlig aus. Diese jetzt schon durch die Erfahrung der Liebe Gottes geschenkte Zuversicht ist so stark, dass heute keine Angst mehr vor dem Gericht Gottes besteht (4,17). Die Gottesbeziehung soll und darf ganz von der Liebe durchflutet sein. In dieser Liebe, die das ewige Leben ist, wenn es die Liebe ist, die der Sohn und der Vater sind und schenken, läßt sich auf immer verweilen (menein). In ihr sind wir angekommen und es gibt keinen Grund, diese Gemeinschaft mehr zu verlassen - sie ist aber alsbald verlassen, wenn wir den Bruder hassen. Darum erkennen wir an unser Geschwisterliebe, dass wir Gemeinschaft mit Gott haben und tatsächlich angekommen sind. In der Ruhe dieser Liebe, im Angekommensein bei dieser Liebe sollen wir bleiben - sie ist der stabile Punkt, der die Welt aus den Angeln hebt. Näher können wir Gott nicht kommen -in seiner Liebe ausruhen und in der ewigen Gemeinschaft mit ihm lieben und seine Gebote halten.

Montag, 27. Juli 2009

Regenbogen 27.7. am Abend



Regen und Sonne = Schönheit

Gottesnähe im 1. Johannesbrief

Heute Vormittag habe ich mich in „meinen Garten“ gesetzt, eine großzügige Apfelplantage in Hanglage direkt hinter meiner Wohnung. Setze ich mich unter einen dieser Bäume und blicke auf die Rheinebene - 50 km entfernt schimmert der Donnersberg im Blau - höre und sehe die Insekten kreuz und quer fliegen, rieche das Gras, beobachte die Flugzeuge, die von der Startbahn West abfliegend schon beträchtlich an Höhe gewonnen haben, dann stellt sich sofort ein Gefühl ein, weit entfernt von zu Hause Urlaub zu machen. Dann las ich gründlich den 1. Johannesbrief im Novum Testamentum Graece, um Beobachtungen zur Spiritualität im 1. Johannesbrief fortsetzen zu können.

Beschreibungen der Gottesnähe im 1. Johannesbrief

Die zukünftige (eschatische) Gottesnähe wird im 1. Johannesbrief selten beschrieben. In 1. Joh 3,2 heißt es: „Noch nicht ist offenbar, was wir sein werden. Wir wissen: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein, denn wir werden sehen, wie er ist.“ Hier liegt das Bild des Sehens von Angesicht zu Angesicht zugrunde, das mit der Vorstellung verbunden ist, dass dieses Sehen uns in den verwandelt, den wir anschauen: ewiges Leben sein, so wie er ewiges Leben ist.
Viel öfter spricht der Brief von der gegenwärtigen (präsentischen) Gottesnähe, z.B. auch in 3,2 am Anfang: „Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes“. Was bedeutet es, in der Gegenwart Kinder Gottes zu sein? Der 1. Johannesbrief findet dafür Formulierungen größter Nähe: Es beginnt mit der Aussagen: „Gemeinschaft (koinonia) mit dem Vater und mit seinen Sohn Jesus Christus haben“ (1,3). Die Kinder Gottes „wandeln im Licht“ (Gott ist Licht!), sie „sind im Licht“ und „bleiben im Licht“. Sie „haben den Vater“. Sie bleiben „im Sohn und im Vater.“ (2,24). Sie „sind aus Gott“, und Gott ist „in ihnen“ (4,4); Gott bleibt „in ihnen“ (oder auch: „mitten unter ihnen“), seine Liebe ist in ihnen vollkommen. Die Spitzenaussage ist 4,16b: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“. Hier wird das Kriterium der Gottesnähe, des Wandelns im Licht deutlich und klar: Es ist die Liebe, die Agape-Liebe, im Johannesbrief vor allem die praktisch werdende Geschwisterliebe.

Welche Erfahrungen haben diese Sprachbilder hervorgerufen? Ist an geisterfüllte Inspirationen gedacht? 2,27 deutet darauf hin: „Und die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt (den Heiligen Geist), bleibt in euch, und ihr habt nicht nötig, dass euch jemand lehrt, sondern, wie euch seine Salbung alles lehrt, so ist es wahr und keine Lüge. Und wie sie euch gelehrt hat, so bleibt in ihm.“

Zitate von Einstein


Heute mittag kurz in Phoenix reingezappt, da läuft eigentlich immer etwas Interessantes, diesmal das Ende einer Doku zu Einstein. Nein, nicht über den Berg, auf den man in den Tannheimer Alpen (östlich von Oberstdorf) steigen kann, sondern zu Albert Einstein. Habe danach etwas in seiner Biographie gelesen und dann einige für mich nachdenkenswerte Zitate im Web gefunden:

"Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind."

"Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle."

"Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muß man vor allem ein Schaf sein."

http://zitate.net/autoren/albert%20einstein/

Ein Gebet von Leonard Cohen

Gestern abend hatte ich Besuch und irgendwann ging es um einen Song von Leonard Cohen. Bei der Suche stieß ich auf mein Lieblingsalbum von ihm, "Various Positions", 1984 ganz aus der Zeit gefallen, aber mit wunderbaren Arrangements und mit mehreren herzanrührenden Songs, zu denen auch "If it be your will" gehört, ein sehr tiefes, ernstes Gebet.
Hier zwei Versionen
1. Das Original vom Album, zauberhafte Begleitung.
2. Eine Version von den umjubelten Auftritten letztes und dieses Jahr.





If it be your will
That I speak no more
And my voice be still
As it was before
I will speak no more
I shall abide until
I am spoken for
If it be your will

If it be your will
That a voice be true
From this broken hill
I will sing to you
From this broken hill
All your praises they shall ring
If it be your will
To let me sing
From this broken hill
All your praises they shall ring
If it be your will
To let me sing

If it be your will
If there is a choice
Let the rivers fill
Let the hills rejoice
Let your mercy spill
On all these burning hearts in hell
If it be your will
To make us well

And draw us near
And bind us tight
All your children here
In their rags of light
In our rags of light
All dressed to kill
And end this night
If it be your will

Sonntag, 26. Juli 2009

Kurzes Gebet

"Gott, mein Gott, achte auf mich!"

Beginn von Psalm 22 in der "Septuaginta", der antiken griechischen Bibelübersetzung aus dem Hebräischen. Statt "achte auf mich" könnte man "prosechein me" auch übersetzen mit: "denke an mich!", "kümmere dich um mich!" In der Bibelausgabe "Septuaginta Deutsch" wird übersetzt: "Herr, mein Gott, achte auf mich!"

Lebenswille

Gott im 1. Johannesbrief

Gleich zu Beginn und dann nochmal am Ende des Briefes wird klar gemacht, welche Gotteserfahrung und Gotteserkenntnis die Spiritualität des 1. Johannesbriefes prägt:
es ist die Erfahrung und Erkenntnis, dass sich in Jesus, der der Christus ist (2,22), Gott selbst offenbart hat. Ihn hat der Autor des Briefes gehört, mit eigenen Augen gesehen, mit Händen berührt, ihn, der das Wort des Lebens ist (1,1; 2,14), das von Anfang an war (1,1; 2,13-14) und darum selbst das ewige Leben ist (1,2). Er ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben (5,20).

Was läßt sich von dieser Gottesoffenbarung her von Gott sagen? Gott wird als Vater (1,3; 2,14) im Sohn erkannt, Gott ist Gott als Vater und Sohn (1,3; 2,22-23), Gott ist Licht (1,5), Gott ist die Liebe (3,17; 4,8; 4,16), der Vater zeigt sich als Vater in seiner Liebe zu seinen Kindern (2,15; 3,1-2). Gottes Gebot sind der Glaube an den Namen seines Sohnes und das Liebesgebot (3,23-24). Der Geist Gottes bezeugt, dass der Sohn Gottes wahrhaft Mensch geworden ist (in das Fleisch gekommen ist 4,2), sein Tod („Blut“) reinigt von aller Sünde (1,7-9), er ist die Versöhnung für die Sünden der ganzen Welt (2,2). Offenbar geworden ist die Liebe Gottes daran, dass er seinen einziggeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben sollen. Das Leben ist in seinem Sohn (5,11). Die Liebe ist Wesensgrund der Wirklichkeit („darin ist die Liebe“), weil Gott uns geliebt hat und seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden gesandt hat (4,7-11).

Gottes Geist hat die Aufgabe, den Menschen die Wahrheit der Liebe Gottes zu offenbaren, die sich in der Sendung des Sohnes als Retter der Welt durch den Vater zeigt (4,13-16). Die (durch den Geist) bewirkte Geburt aus Gott zeigt sich im Bekenntnis, dass Jesus der Christus ist (5,1). Der Geist Gottes führt in diese Wahrheit (5,6-8). Gott hört die Bitten seiner Kinder (5,14-15).

Samstag, 25. Juli 2009

Morgengebet und Abendgebet

Morgengebet: "Was auch immer..."
Abendgebet: "Oh, na ja..."

(aus: Peter Clark, Die 50 Werkzeuge für gutes Schreiben)

Freitag, 24. Juli 2009

Ein Vertrauenslied von Bob Dylan "Every Grain of Sand"







"Every Grain of Sand" gehört zu den schönsten Songs aus Bob Dylans "christlicher Phase" (1978-1981). Es ist ein Klagelied und gleichzeitig ein Vertrauenslied, das in ganz mystischer Weise die Theodizeefrage bearbeitet, am Schluß des Refrains in Aufnahme jesuanischer Bilder. Wunderbar, könnte ich mir immer wieder anhören. Hier zwei Versionen:
1. Eine Live-Konzert-Aufnahme von 1984
2. Eine Cover-Version der wunderbaren Emmylou Harris.

Which God is it that you don´t believe in?

N.T. Wright is a rather popular und discussed anglican theologian in England (Bishop of Durham since 2003) and in the USA. Michael Gorman, Author of the tremendous book "Inhabitating the cruciform God" (I will tell something more about it in another post) has put some tricky quotes from Wright on his Blog "Cross Talk". http://www.michaeljgorman.net/

In response to those who tell him, “I don’t believe in God” he likes to answer: “Really? Which god is it that you don’t believe in?”

“My proposal is not that we understand what the word ‘god’ means and manage somehow to fit Jesus into that. Instead, I suggest that we think historically about a young Jew, possessed of a desperately risky, indeed apparently crazy, vocation, riding into Jerusalem in tears, denouncing the Temple, and dying on a Roman cross–and that we take our courage in both hands and allow our meaning for the word ‘god’ to be recentered around that point.”

Staunen

Neue Bilder von NGC 1097: So heißt die Galaxie im Sternbild Fornax mit aktivem Kern. Dort soll sich ein sogenanntes "Schwarzes Loch" mit etwa 10 Millionen Sonnenmassen befinden, etwa 10 mal so groß wie das im Kern unserer Milchstraße vermutete "Schwarze Loch".
Foto: NASA/Reuters (Fundort: sueddeutsche.de)

Staunen! So geht es mir immer, wenn ich Fotos von Galaxien sehe und mir bewußt wird, wie gigantisch groß der Kosmos und wie physikalisch extrem er ist. Und noch erstaunlicher ist, dass das, was in meinem Gehirn passiert, dieses Staunen, sich einer unermeßlichen Verknüpfung von Milliarden und Abermillarden Nervenzellen verdankt, komplexer als alles, was sich im Universum finden läßt.

Im Schlussteil seiner "Kritik der praktischen Vernunft" (1788), dem "Beschluß", notiert Immanuel Kant zu Beginn:
"Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir."
Dieser Satz ist berühmt, aber es lohnt sich auch, die Erläuterung zu lesen:
"Das erste fängt von dem Platze an, den ich in der äußern Sinnenwelt einnehme, und erweitert die Verknüpfung, darin ich stehe, ins unabsehlich-Große mit Welten über Welten und Systemen von Systemen, überdem noch in grenzenlose Zeiten ihrer periodischen Bewegung, deren Anfang und Fortdauer. Das zweite fängt von meinem unsichtbaren Selbst, meiner Persönlichkeit, an, und stellt mich in einer Welt dar, die wahre Unendlichkeit hat, aber nur dem Verstande spürbar ist, und mit welcher ich mich nicht, wie dort, in bloß zufälliger, sondern allgemeiner und notwendiger Verknüpfung erkenne. Der erstere Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines tierischen Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten (einem bloßen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muß, nachdem es eine kurze Zeit (man weiß nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen. Der zweite erhebt dagegen meinen Wert, als einer Intelligenz, unendlich, durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart, wenigstens so viel sich aus der zweckmäßigen Bestimmung meines Daseins durch dieses Gesetz, welche nicht auf Bedingungen und Grenzen dieses Lebens eingeschränkt ist, sondern ins Unendliche geht, abnehmen läßt."

Aufgaben der Kirche/Gemeinde



Eben habe ich eine Dokumentation zum Keith Haring im Fernsehen gesehen (arte). Ein verspielter, manisch kreativer, sich verschwendender New Yorker Künstler, der 1990 im Alter von 31 Jahren starb. Das obige Bild erinnerte mich an Gedanken, die ich vor einigen Wochen zu den zentralen Aufgaben von Kirche und Gemeinde aufgeschrieben habe.

1. Kirche/Gemeinde hat ihren Mittelpunkt im Gottesdienst -
- hier wird gemeinsam Gott gelobt, hier wird zu ihm gebetet (Gebet)
- sein Wort gehört und bedacht (Predigt)
- Abendmahl gefeiert und im Namen das Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft (Sakramente)
Im Gottesdienst begegnen wir dem Vater und dem Sohn, der uns immer wieder und vertieft zu Christen macht und uns in die Nachfolge/Nachahmung ruft. Der Geist Gottes schenkt uns die Klarheit über diese Identität, die wichtiger ist als alle anderen uns vorgegebenen oder von uns selbst gestrickten Identitäten.

2. Gemeinde, das ist die Gemeinschaft der Erlösten. Darum ist Gemeinde mehr als Gottesdienst. Die ersten urchristlichen Gemeinden waren geradezu Lebensgemeinschaften. Diese Lebensgemeinschaft realisiert sich im
- gemeinsamen Lehren und Lernen eines Lebens in der Nachfolge: sie führt ein in die christliche Lebenskunst. "Lehret sie halten alles, was ich euch gesagt habe".
- in der Seelsorge: im gegenseitigen Trösten, Ermahnen und Begleiten. "Tröstet einander".
- in der Diakonie: in der Sorge um die Armen und "Bedürftigen" in der Gemeinde. "Dienet einander".

3. Gemeinde, das sind die Menschen, die von Gott berufen sind, das Evangelium missionarisch zu bezeugen: "Machtet sie zu Jüngern", es aber auch in der Öffentlichkeit wach zu halten: "Suchet der Stadt Bestes". Nachfolge, Seelsorge und Diakonie sind darum nicht nur nach innen gerichtet, sondern ebenso der Welt zugewandt.
- Missionarisches Lehren, das das Evangelium bezeugen will. Angebote für die Mitmenschen, die das Ziel haben, das Evangelium in der Öffentlichkeit bekannt zu machen oder lebendig zu halten und einzelner in die Nachfolge zu rufen. Hier entwickelt sich zwischen Evangelium und Kultur einer Gesellschaft eine intensive Auseinandersetzung.
- Seelsorge für die Öffentlichkeit zeigt sich heute vor allem in Beratungsangeboten oder Unterstützungsangeboten, die von christlichen Gemeinden und Kirchen organisiert werden (z.B. Familienberatung, Studentenseelsorge, Notfallseelsorge bei schweren Unfällen, Trauerbegleitung, Hospizarbeit....)
- Diakonie für die Öffentlichkeit: Christen erhalten mit Christus einen besonderen Blick für die Bedürftigen, Armen, Leidenden. Von diesem Ethos ist auch vielfach unsere noch christlich geprägte Gesellschaft motiviert. Diakonie ist in Deutschland heute in den Sozialstaat/Wohlfahrtsstaat eingebettet und arbeitet in der Regel mit ihm zusammen. Gerade in diesen Beziehungsverhältnissen ist das christliche Engagement sehr wichtig, weil es sich immer wieder selbstkritisch auf Jesus zurückbesinnt und vom Evangelium her motiviert ist.

Donnerstag, 23. Juli 2009

Die Nachfolge und der Einzelne

In regelmäßigen Abständen werde ich an Bonhoeffer erinnert (zuletzt von Corinna Dahlgrün) und lese dann wieder Abschnitte in seinen Büchern. Im Alter von etwa 30 Jahren erarbeitete er das Buch "Nachfolge", das auf Vorlesungen im Seminar Finkenwalde der Bekennenden Kirche zurückgreift und im Sommer 1937 fertiggestellt wurde. Es ist ein strenges Buch, weil die Bergpredigt, der Bonhoeffer im Zentralteil des Buches nachdenkt, selbst diese Strenge besitzt. Und weil der Ruf Jesu in die Nachfolge, die Forderung, alles stehen und liegen zu lassen, um seine Schülerin, sein Schüler werden zu können, eine radikale Strenge besitzt. Wer im Glauben erwachsen werden möchte, für den ist es genau die richtige Provokation. Ich zitiere einige Stellen aus dem Kapitel "Die Nachfolge und der Einzelne", eine Auslegung von Lk 14,26.

"Christus macht den Gerufenen zum Einzelnen. Jeder ist allein gerufen. Er muß allein folgen. In der Furcht vor diesem Alleinsein sucht der Mensch Schutz bei den Menschen und Dingen um ihn herum...Christus will den Menschen einsam machen, er soll nichts sehen als den, der ihn berief...Christus hat den Menschen aus seiner Unmittelbarkeit zur Welt gelöst und in die Unmittelbarkeit zu sich selbst gestellt...Es gibt seit Christus kein unmittelbares Verhältnis des Menschen mehr, weder zu Gott noch zur Welt; Christus will der Mittler sein...Der von Jesus Gerufene lernt also, daß er in seiner Beziehung zur Welt in einer Täuschung gelebt hat. Diese Täuschung heißt Unmittelbarkeit. Sie hat ihn am Glauben und am Gehorsam gehindert. Nun weiß er, daß er selbst in den engsten Bindungen seines Lebens...keine Unmittelbarkeit haben kann...Zwischen Sohn und Vater, zwischen Mann und Weib, zwischen dem Einzelnen und dem Volk steht Christus, der Mittler, ob sie ihn erkennen können oder nicht. Es gibt für uns keinen Weg zum Anderen mehr, als den Weg über Christus, über sein Wort, und unsere Nachfolge. Unmittelbarkeit ist Trug...All unsere Versuche, die Kluft, die uns von anderen Menschen trennt, die unüberwindliche Distanz, Andersheit, Fremdheit des anderen Menschen durch Mittel natürlicher oder seelischer Verbindung zu überwinden, müssen scheitern. Es führt kein eigene Weg von Mensch zu Mensch. Die liebevollste Einfühlung, die durchdachteste Psychologie, die natürlichste Offenheit dringt nicht zum anderen Menschen vor, es gibt keine seelischen Unmittelbarkeiten [Anmerkung von mir: Hier würde Niklas Luhmann zustimmen: Wir können mittels sozialer Kommunikation nie die psychische Gedanken- und Erlebniswelt des anderen direkt erreichen, so sehr wir uns das auch wünschen]. Christus steht dazwischen. Nur durch ihn hindurch geht der Weg zum Nächsten. Darum ist die Fürbitte der verheißungsvollste Weg zum Anderen, und das gemeinsame Gebet im Namen Christi die echteste Gemeinschaft."
Wie kann es mir im Alltag gelingen, immer Christus als Mittler zwischen mir und den, dem, der Anderen einzubeziehen? Welche Folgen hat das? Wie verändert sich dann meine/unsere Kommunikation? Wird sie bewußter, präsenter, wahrhaftiger, lebendiger?

Mittwoch, 22. Juli 2009

Der Wille Gottes bei Jesus

Mit viel Kopfnicken lese ich gerade das Jesusbuch des leider Anfang Juli verstorbenen deutschen Neutestamentlers Martin Hengel (1927-2009), das er mit Anna Maria Schwemer als Co-Autorin verfaßt hat: "Jesus und das Judentum". Als ich in den 80er Jahren in Tübingen studierte, besuchte ich bei ihm eine Vorlesung zur Geschichte des frühen Judentums und ein Seminar zum Jakobusbrief. Gemerkt habe ich mir vor allem eine Aussage zu Beginn des Seminars: "Bitte seien sie nicht böse, wenn ich inhaltlich etwas mehr beitrage als sie; ich bin Student im 55. Semester." Live blieb er für mich blass, im Gegensatz zu Peter Stuhlmacher und vor allem im Gegensatz zum hochkonzentriert, engagiert und didaktisch genial vortragenden Otfried Hofius (man konnte seine Vorlesungen fast vollständig mitschreiben). Seine umfassende historische Bildung und Kompetenz hat Hengel in den letzten Jahren, in der Zeit nach seiner Emeritierung (1992), ausgebaut und ihn zu einem der am zuverlässigsten urteilenden Neutestamentlern gemacht. Und genau diese Urteilskompetenz strahlt sein Jesusbuch, das den erste Band einer vierteiligen Geschichte des frühen Christentums bildet, aus.
Nun aber zu einer Lesefrucht: In § 14 ( S. 431-451) fragt Hengel danach, was für Jesus der ethische Wille Gottes ist. Hier in Kurzform die wesentlichen Punkte bei Hengel:
1. Jesus will, dass seine Jünger so handeln, wie es dem ursprünglichen im Paradies gesetzten und im Reich Gottes wieder durchgesetzten Willen Gottes entspricht: "Gerade weil Gott und seine Herrschaft jetzt ganz nahe, ja im Wirken Jesu schon gegenwärtig sind - in seiner Liebe zu den Verlorenen und im Gericht gegenüber des Selbstgerechten -, geht es darum, den ursprünglichen, eigentlichen Willen Gottes wieder ans Licht zu bringen, der von Anfang an galt, aber durch die Macht der Sünde und teilweise auch durch die an die Herrschaft der Sünde angepaßte Mosetora verdunkelt wurde."(S. 446)
2. Zentral ist das doppelte Liebesgebot, das auch die Mitte der Mosetora bildet: Gottesliebe und Nächstenliebe, wobei letztere auch den Feinden zukommen soll: "Liebet eure Feinde" (Lukas 6,27; Matthäus 5,44). "Werdet barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist."
2. Demut und Dienst: Jesus sagt zu seinen Jüngern: "Ich aber bin in eurer Mitte wie ein Diener" (Lukas 22,27). Das Dienen steht im Gegensatz zum Größenwahn, zur ichbezogenen Selbsterhöhung, die im Sündenfall zum Ausbruch kam. "Wenn einer ein Erster sein will, muß er ein letzter von allen und Diener aller sein" (Mk 10,41-44)
3. Nicht sorgen. Sorge ist Angst um die eigene Existenz. An deren Stelle soll "dankbares, heiteres Vertrauen" (S. 448) treten. Leben wie im Garten Eden, im kindlichen Vertrauen auf den schenkenden, sorgenden Gott.
4. Grundsätzlicher Gewaltverzicht, ständige bedingungslose Vergebungs- und Versöhnungsbereitschaft. Wie Gott uns vergibt, so vergeben wir Unrecht, das an uns geschieht, nicht nur 7mal, sondern 70mal7mal, d.h. unbegrenzt (Mt 18,21).
5. Verzicht auf das eigene Recht und dessen Durchsetzung. "Wer auf sein Recht und dessen Durchsetzung verzichten kann, wer bereit ist, eher zu leiden als Unrecht zu tun, der ist wahrhaft frei, wie der väterliche Gott und Schöpfer, 'der seine Sonne aufgehen läßt über Böse und Gute und regnen läßt über Gerechte und Ungerechte'. Er ist darum auch zu bedingungsloser Hilfeleistung wie der barmherzige Samariter selbst bei persönlicher Gefährdung fähig." (S. 450).
Meine Einsicht: Immer wenn wir so eingestellt sind und so handeln, erfahren wir die Gegenwart des Reiches Gottes, erfahren wir Gottesnähe.

Dienstag, 21. Juli 2009

Corinna Dahlgrün, Christliche Spiritualität

Corinna Dahlgrün habe ich als Autorin kennengelernt, die sich nicht scheut, Themen wie Weltgericht und Hölle auf die Agenda aktueller christlicher Predigt zu setzen (Nicht in die Leere falle die Vielfalt irdischen Seins. Von der Notwendigkeit eschatologischer Predigt, Frankfurt 2001). Nun liegt ein lange vorbereitetes, von eigenen Erfahrungen geprägtes Werk vor, das in gelungener Weise versucht, die Vielfalt christlicher Spiritualität einzufangen und aus einer dediziert lutherischen Perspektive zu ordnen.
Das umfangreiche Buch (fast 700 Seiten, leider fehlt trotzdem ein Literaturverzeichnis, was in einer zweiten Auflage unbedingt ergänzt werden müsste) gliedert sich in 5 Teile.
1. Die "phänomenologische Annäherung" beschreibt anhand von anschaulich beschriebenen spirituellen Biographien - u.a. Thomas Merton, Mutter Teresa, Meister Eckart, Gerhard Tersteegen, Therese von Lisieux, Martin Luther, Dietrich Bonhoeffer - 6 Wege der Gottessuche: Gott suchen in der Einsamkeit, Gott suchen im anderen, Gott suchen in der Gemeinschaft, Gott suchen in mir selbst, Gott vergebens suchen, Gott suchen im Alltag.
2. Im zweiten Teil wird auf über 50 Seiten ausführlich eine umfassende Definition des Begriffs "Spiritualität" entwickelt und abschließend zu einer immer noch recht umfangreichen Definition mit 1o Elementen verdichtet, die dann nochmal verkürzt so lautet: "Spiritualität ist die von Gott auf dieser Welt hervorgerufene liebende Beziehung des Menschen zu Gott und Welt, in der der Mensch immer von neuem sein Leben gestaltet und die er nachdenkend verantwortet" (S. 153).
3. Es folgt eine 200 Seiten umfassende Darstellung der Geschichte der christlichen Spiritualität, natürlich aus Platzgründen exemplarisch, in 5 Epochen gegliedert: Biblische Spiritualität, Zeit der Alten Kirche, Mittelalter, Spätmittelalter/frühe Neuzeit und Neuzeit. Wie schon im ersten Teil gelingt es Dahlgrün, wesentlichen und auch außergewöhnlichen Formen christlicher Spiritualität ein nachdenkenswertes Profil zu geben. Etwas blass bleibt m.E. die Darstellung biblischer Spiritualität, die aber im fünften Teil bei den "Methoden und Medien christlicher Spiritualität" erweitert wird (ich bemühe mich selbst darum, eine Darstellung der Spiritualität des Urchristentums zu entwickeln - sie liegt als unvollständiges Vorlesungsmanuskript schon vor).
4. Im vierten Teil geht es um die theologische Reflexion der "praxis pietatis". Hier wird der lutherische Standpunkt der Autorin besonders deutlich, aber auch der Versuch, in ökumenischer Weite Kriterien christlicher Spiritualität herauszuarbeiten.
5. Sehr anschaulich und konkret werden im 200seitigen fünften Teil Gestaltungsformen christlicher Spirtualität vorgestellt, geordnet in 8 Bereiche: Kirchenjahr (Feste), Andachtsformen, Beichte (eine Praxis, deren Erneuerung im Protestantismus Dahlgrün sehr am Herzen liegt), Meditation, Kunst, Wallfahrt, Bibliodrama (sehr positiv bewertet), Heilige und Heiligenverehrung.
Ein Schlußkapitel fehlt, an dessen Stelle findet sich ein Nachwort von Ludwig Mödl, der aus katholischer Sicht ergänzende Akzente setzt.
Das Buch bietet eine Fülle von Anregungen und Einsichten. Man kann mit Gewinn auch einzelne Abschnitte lesen und sich für die persönliche spirituelle Lebensführung anregen lassen. Besonders eindrücklich ist mir die Erkenntnis, dass die Orientierung an einem spirituellen Begleiter oder Führer, der einen "Vorsprung" hat, fast unverzichtbar ist.

Corinna Dahlgrün: Christliche Spiritualität. Formen und Traditionen der Suche nach Gott, Walter de Gruyter, Berlin 2009, 694 Seiten, Preis: 29,90 Euro, ISBN 978-3-11-017802-9

Montag, 20. Juli 2009

Ein Gospelsong von Michael Jackson

Der Tod von Michael Jackson hat mich, wie so viele Menschen, dazu gebracht, wieder seine Alben zu hören. Ich habe mir auch zwei neu gekauft, "Off the Wall" von 1979 und "Dangerous" von 1991. Auf diesem Album habe ich einen wunderschönen Gospelsong entdeckt: "Will you be there". Viele davon gibt es von Jackson nicht - Elvis Presley hat immerhin fast 100 Gospels aufgenommen, die er mit viel Hingabe gesungen hat (vgl. Elvis, Peace in the Valley. The Complete Gospel Recordings) und die zum Teil zu seinen besten Gesangsperformances gehören.
Der Text von "Will you be there" wirkt sehr authentisch. Das wird leider in dem Video, das ich poste, nicht ganz deutlich, weil hier Michael Jackson zu sehr in den Mittelpunkt gestellt wird; er neigt dazu, sich selbst als Heilsfigur verklären zu lassen, was ja gerade für den Text und den Stil nicht gilt: Der Sänger sehnt sich nach jemandem, dem er vertrauen kann, der ihm in seinen Nöten beisteht. Je länger der Song geht, desto deutlicher wird, das es Gott ist, der hier angerufen wird, und der voller Sehnsucht gebeten wird, letzte Stütze im Leben zu sein, zu halten und zu trösten. In der Liveperformance wird dies durch den Engel symbolisiert, der Michael zum Schluss umfängt.

Gottesverlassenheit

Unter Gottesverlassenheit (von Gott verlassen sein) könnte man sich vorstellen, dass man zu Gott spricht und er nicht antwortet, oder dass man sich in einer trostlosen, hoffnungslosen Situation befindet (Krankheit, Einsamkeit, Armut...). Ich erlebe eine vielleicht sehr moderne Gottverlassenheit, nicht in der Stille, sondern in der Kommunikation: Ich nehme mir vor, mich in den Begegnungen des Tages so auf die Menschen einzustellen, mit denen ich sprechen werde (SchülerInnen, KollegInnen, Freunde, Verwandte, Partner), dass ich bereichernd, liebevoll, wertschätzend, wahrhaftig, transparent, achtsam und natürlich auch humorvoll kommuniziere. Und was macht die Kommunikation daraus? Sie treibt ihr eigenes Spiel. Ein Wort gibt das andere, mit einer Dynamik, der die Gedanken kaum folgen können. Worte des anderen lösen verbale Formulierungen und schematische Antworten bei mir aus, die so schnell abgefeuert werden, dass ich mit meinen Gedanken gar nicht hinterherkomme - war ich es oder war es die kommunikative Situation, die gesagt hat, was gesagt wurde? Diese erstaunliche aber auch erschreckende Selbstorganisation der Kommunikation kann wertschätzenden Charakter erhalten, aber ebenso auch in die gegenteilige Richtung abdriften. Unsere Entgegnungen färben sich mit einem Male negativ ein: ironisch, zynisch, abwertend, übertreibend, angeberisch, besserwisserisch, ängstlich, vorsichtig, verschweigend, beschämend, verachtend, bissig, sarkastisch - und beide merken es erst später, nachdem alles schon gelaufen ist. Wo ist Gott gewesen? Warum passiert das allen Menschen, auch denen, die sich so sehr wünschen, achtsam zu kommunizieren? Es gibt Mönchsorden, die dieses Problem an der Wurzel zu fassen suchen, indem sie vor allem miteinander schweigen und beten (z.B. die Karthäuser, vgl. den Film "Die große Stille"). Die moderne Gesellschaft aber zwingt uns zum Dauerreden. Um damit zwangsläufig zu gelungener wie gescheiterter Kommunikation. Eine Lösung wurde im 20. Jahrhundert schon popularisiert: gelungene Metakommunikation. Man rekonstruiert mit Einfühlungsvermögen im Nachhinein die unterschiedlichen Perspektiven, Erwartungen, Ansprüche, die zum Gelingen oder Scheitern geführt haben. Aber auch Metakommunikation kann mißlingen.
Christliche Spiritualität kennt einen weiteren Schritt: das gemeinsame Gebet, das gemeinsame Bringen des Scheiterns oder Gelingens in Klage oder Dank vor Gott. Im gemeinsamen Gebet, auch in der Klage, ist Gott gegenwärtig! Er stärkt, was gelungen, er heilt, was mißlungen, indem er sich im Gebet ins Spiel bringt. Im Gebet wird die Dynamik der Kommunikation nicht nur mit sondern durch Gott wach und läßt uns Dinge sagen, die wir außerhalb des Gebetes nicht sagen könnten.

Freitag, 17. Juli 2009

Gebet

"Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen" (1. Thessalonicher 5,16-17)
Diesen Text finde ich für uns moderne/postmoderne Menschen eine unglaubliche Herausforderung. Paulus ermutigt ja dazu, man kann diese Ermunterung nicht als "gesetzlich" bezeichenen, denn es geht um Seelenstimmungen, die nur in der Freiheit der Bindung an Jesus Christus aufblühen.
Karl-Heinrich Ostmeyer erläutert: „Ohne Unterlass“ (griech. adialeiptos) bedeutet nicht abgeschwächt: „regelmäßig“ oder „immer wieder“, sondern in ganzer Schärfe „ununterbrochen“, „pausenlos“, „ohne Unterbrechung“ (Karl-Heinrich Ostmeyer, Das immerwährende Gebet bei Paulus, in: Theologische Beiträge 33, 2000, S. 274-289). In 1. Thessalonicher 5,16-17 hat Paulus also eine kontinuierliche, beständige Grundhaltung im Blick, die aus dem Sein in Christus Jesus folgt. Das Sein in Christus Jesus ist die Grundkonstante christlicher Existenz, sie meint die andauernde enge Verbundenheit mit dem Herrn. Paulus beschreibt Gefühle, Stimmungen und Haltungen, die dies widerspiegeln: andauernde Freude, Dankbarkeit gegenüber allem, was man erlebt. "Seid dankbar in allen Dingen". Das immerwährende Gebet scheint genau dies zu ermöglichen. Damit meint Paulus eine Grundausrichtung auf Gott, die nicht nur sprachlich formulierte Gebete im Blick hat, sondern ein „mit allen Kräften auf Gott bezogen zu sein“ (278). – „Dieses permanente Ausgerichtetsein auf Gott, diese beständige Kommunikation durch jedes Wort und mit jeder Tat, wird von Paulus als Gebet bezeichnet.“ (282) Man könnte von einer „Gebetsbeziehung“ sprechen.
Was für eine Herausforderung! Wie schnell tauche ich in meine Alltagskommunikationen ein und vergesse diesen Grundbezug meines Lebens. Lädt Paulus zu etwas Unmöglichem ein? In der orthodoxen Kirche empfehlen die Mönche, häufig kurze Gebete zu sprechen, um die richtige Seelenverfassung aufrecht erhalten zu können und das beständige Denken an Gott zu verstärken. Ziel ist eine andauernde seelische Stabilität, eine innere Ruhe, die allein von Freude, Friede und Freiheit geprägt ist.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Erziehung oder Bildung?

Von Soziologen Niklas Luhmann (1927-1998) stammt das Bonmot: "Erziehung ist eine Zumutung, Bildung ein Angebot" (es steht auf der Rückseite des Buches: Bildung und Weiterbildung im Erziehungssystem).
Wie ist das in Bezug auf Gott? Verstehe ich ihn eher als strengen Pädagogen, der mich erziehen muss, damit ich von meinem sündigen Lebenswandel ablasse, oder eher als weisen Lehrer, der mich mit den Geheimnissen seiner erlösenden Lehre verwundern und verwandeln möchte?
Für Paulus ist ein Gottesverhältnis, das von Strafe geprägt ist, kindlich und unreif. Die Korinther fragt er ironisch: "Was wollt ihr? Soll ich mit dem Stock zu euch kommen oder mit Liebe und sanftmütigem Geist?" Ein solcher liebender, sanftmütiger Lehrer wollte Paulus sein. Denn so erfuhr er auch die Weisheit, die in der Beziehung zu Christus verborgen ist: "Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit, denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind." (1. Kor 1,23-25). - "Wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist....uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit...Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist". (1. Kor 2,7-12 gekürzt)
Die Faszination, die Christus auf Paulus ausübt, die "Erkenntnis", die er schenkt und das ganze Leben verändert, bekennt er ganz offen in Philipper 3,7-11 (gekürzt): Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. ...Ihn möchte ich erkennen, und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten."
Diese Erkenntnis ist nicht nur "kognitiv", intellektuell, es ist eher eine existentielle Erkenntnis, die das gesamte Leben transformiert, und zwar weg von Ichzentriertheit und Gewalteinsatz hin zur Orientierung am Kreuz Christi und an der Gewaltlosigkeit, die sich in dieser Liebestat zeigt.
Der Lehrer Jesus macht uns sein ganz spezielles Bildungsangebot: "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werden ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht." Was für ein Angebot! Ich möchte mich darauf einlassen!

Zum Namen des Blogs

Christlicher Glaube ist für mich eine Bildungserfahrung, die ganzheitlich die seelische, soziale, intellektuelle und körperliche Dimension unseres Lebens ergreift und formt.

Dienstag, 14. Juli 2009

Lehren und Lernen ohne Hilfsmittel

Heute Nachmittag stand die letzte Seminarsitzung des Einführungsseminars "Bibelwissenschaftliche Methoden. Einführung in die Exegese des Neuen Testaments" an; ich bereitete das Seminar mit unterschiedlichen Materialien gewissenhaft vor und packte sorgfältig die Tasche. Als ich auf der Fahrt zur Uni Gießen nach etwa 15 min nochmal den Ablauf der Sitzung gedanklich durchging und ich mich nach der Tasche umschaute, die ich immer auf den Rücksitz stelle, ist sie nicht da. Mir wird gleich klar: Du hast sie zu Hause stehen lassen. Den sofortigen Gedanken, nochmal zurückzufahren, konnte ich gleich verwerfen, ich würde zu spät in Gießen ankommen. Was tun? Erster Punkt der Sitzung ist die Wiederholung und Vertiefung des Themas "Entwicklung von den mündlichen Worten Jesu hin zu den Evangelien". Den "Sitz im Leben" der Verkündigung Jesu hatte ich schon letzte Woche anschaulich zu machen versucht. Nun war eine noch bessere Gelegenheit dazu! Jesus hatte als Wanderprediger auch keine Materialien dabei; nur seine Worte und seine Taten! Lehren und Lernen lief über mündliche Rede und zuhören: "Wer Ohren hat, der höre!" Als er die JüngerInnen, die sicherlich viele seiner Worte memoriert hatten, zu zweit aussendete, durften sie fast nichts mitnehmen: "Ihr sollt weder Gold noch Silber noch Kupfer in euren Gürteln haben, auch keine Reisetasche, auch nicht zwei Hemden, keine Schuhe, auch keinen Stecken." (Mt 10,9-10) - "Ihr sollt nichts auf den Weg nehmen, weder Stab noch Tasche noch Brot noch Geld; es soll auch einer nicht zwei Hemden haben." (Lukas 9,3). Auf der Fahrt memorierte ich nochmal die 4 Arbeitsschritte der Sitzung. Die Studierenden warteten schon vor der Türe, als ich gerade noch pünktlich ankam (ich musste einen Stau umfahren). Immerhin, den Schlüssel zum Seminarraum hatte ich eingesteckt. Ich bat sie, vor der Türe noch zu warten. Ich stellte einen Halbkreis für die Gruppe von 12 (!), bat sie dann hinein und auch, ihre Taschen auf einem Tisch zu deponieren, sie bräuchten sie heute nicht. Dann ging es los. Alles aus dem Kopf, alles im gemeinsamen Gespräch. Die Bibeltexte, die wir brauchten, die Seligpreisungen und die Heilung des Bartimäus rekonstruierten wir auch aus dem Gedächtnis. Wie schade ist es doch, dass wir heute so wenig Bibeltexte auswendig können! Gehört es nicht auch zur Praxis der Spiritualität, elementare, wesentliche Texte wie eine eiserne Ration auswendig zu lernen und immer wieder zu üben?
Die Sitzung verging wie im Flug; ich fragte, erzählte und argumentierte ganz aus dem Gedächtnis, die Studierenden ebenso. Die Atmosphäre war absolut konzentriert. Eine besondere Erfahrung!

Heilsgewißheit

Das Geschenk des Evangeliums besteht darin, dass wir in Jesus Christus bei Gott sind. Hier ist der Ort, wo wir frei sind von allen Ängsten. Wir haben Frieden mit Gott. Wir haben felsenfesten Grund, auf dem wir stehen. Dieser feste Grund ist Jesus Christus. Er schenkt uns die Gewißheit, bei Gott angekommen zu sein. Aus dieser Verbundenheit mit Gott, in der wir unwiderruflich stehen, ergibt sich nun ein Leben, das von hoher Verantwortung gegenüber uns selbst und unseren Mitmenschen geprägt ist. Wer bei Gott ist, lebt ein Leben aus der Liebe Gottes. Dieses Leben aus der Liebe Gottes ist überhaupt nur möglich, wenn wir uns der Gemeinschaft mit Gott gewiß sind. Erst die Befreiung von der Sorge um die Anerkennung bei Gott macht uns frei für die Liebe zu den Menschen. So gehören Heilsgewißheit und Heiligung ganz eng zusammen: Ich investiere alles in ein verantwortliches Leben, weil ich von Gott vollgültig anerkannt worden bin. Nicht um die Nähe Gottes zu erlangen, sondern weil ich sie bereits geschenkt bekommen habe, bin ich ganz engagiert. Christus verpflichtet uns nicht zu diesem Leben in der Liebe; er befreit uns dazu. Nur in der Begegnung mit der bedingungslosen Liebe Gottes können wir ebenfalls eine Liebe entwickeln, die auch den/die Unliebenswerte/n liebt. Sich vom neuen Leben in Christus bestimmen zu lassen, heißt nicht weniger als immer mehr Lebensbereiche dieser Wirklichkeit zugänglich zu machen und sich von der Liebe Gottes, von Jesus andauernd durchdringen zu lassen.

Worauf es ankommt

Ein Liedtext, der mich schwer beindruckt hat:

Der Herr wird nicht fragen:
Was hast Du gespart, was hast Du alles besessen?
Seine Frage wird lauten:
Was hast Du geschenkt, was hast Du geschätzt um meinetwillen?

Der Herr wird nicht fragen:
Was hast Du gewußt, was hast Du Gescheites gelernt?
Seine Frage wird lauten:
Was hast Du bedacht, wem hast Du genützt um meinetwillen?

Der Herr wird nicht fragen:
Was hast Du beherrscht, was hast Du Dir unterworfen?
Seine Frage wird lauten:
Wem hast Du gedient, wen hast Du umarmt um meinetwillen?

Der Herr wird nicht fragen:
Was hast du bereist, was hast Du Dir leisten können?
Seine Frage wird lauten:
Was hast Du gewagt, wen hast Du befreit um meinetwillen?

Der Herr wird nicht fragen:
Was hast Du gespeist, was hast Du Gutes getrunken?
Seine Frage wird lauten:
Was hast Du geteilt, wen hast Du genährt um meinetwillen?

Der Herr wird nicht fragen:
Was hast Du geglänzt, was hast Du Schönes getragen?
Seine Frage wird lauten:
Was hast Du bewirkt, wen hast Du gewärmt um meinetwillen?

Der Herr wird nicht fragen:
Was hast Du gesagt, was hast Du versprochen?
Seine Frage wird lauten:
Was hast Du getan, wen hast Du geliebt um meinetwillen?

Der Herr wird nicht fragen:
Was hast Du erreicht, was hast Du Großes getan?
Seine Frage wird lauten:
Hast Du mich erkannt, ich war Dein Bruder um deinetwillen?

(Text: Alois Albrecht, Musik: L. Edelkötter)

Montag, 13. Juli 2009

Teilhaben

Seit etwa zwei Jahren lese ich immer intensiver Blogs. Zunächst von Musikfans, fast durchweg in englischer Sprache, mit mp3 Hörproben (auf diese Seiten bin ich durchweg über hypem gestoßen). In den letzten Monaten sind Blogs aus dem Bereich von Kirche und Theologie dazugekommen. Mein derzeitiger Favorit ist "euangelizomai" von Michael Bird, der fast jeden Tag anregende Texte und Links bloggt, die für Theologen, die im Bereich der neutestamentlichen Wissenschaft aktiv sind, von besonderem Interesse sind. Selbst als Blogger aktiv zu werden, kam mir bis vor kurzem nicht in den Sinn. Man braucht immer einen besonderen Anstoß. Ich habe heute einen Blog kennengelernt, der in mir den Wunsch ausgelöst hat: das möchte ich auch! Ich möchte teilhaben an dieser außergewöhnlichen, neuen Form der Öffentlichkeit.
Der Zeitpunkt meines Starts hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Sommerferien begonnen haben und ich als Lehrer nun freie Zeit genieße, die Gedanken baumeln lassen kann, Kreativität sich nicht nur auf die nächsten Unterrichtsstunden focussiert.
Zum Namen des Blogs demnächst mehr!