Freitag, 31. Juli 2009

Anlaß des 1. Johannesbriefes

Anlaß des Briefes ist ein Trennungsschmerz. Eine Gruppe hat die Gemeinde verlassen. Warum? Werden noch weitere gehen? Sind wir nicht attraktiv genug? Warum gehen sie, die doch von Anfang an dabei waren? Solche Fragen stehen im Raum.
Der Autor des Briefes, der "Presbyter" (vgl. 2. Joh 1 und 3. Joh 1), ist eigentlich immer noch fassungslos und möchte unbedingt erreichen, dass die restliche Gemeinde zusammenhält und ihrer ursprünglichen Berufung treu bleibt. „Wie stark sind sie verunsichert? Wie festige ich sie im richtigen Glauben?“ fragt er sich. Für die „Dissidenten“ hat er keinerlei Verständnis, von der Prophezeiung geleitet, das in der letzten Zeit „Antichristen“ auftauchen werden, sieht er diese Prophezeiung in ihrem Verhalten erfüllt. Welches Verhalten zeichnet er von ihnen? Sie gehörten ursprünglich zur Gemeinde, in der – wie in vielen urchristlichen Gemeinden - Prophetie, also Inspiration durch den Geist, eine wichtige Rolle spielte. Solche Geisterfahrungen im Rahmen einer geisterfüllten Verkündigung standen am Anfang der Gemeinde und haben zu ihrer Gründung geführt. Im Laufe der Zeit scheinen einige Inhalte der prophetischen Botschaften eine Änderung erfahren zu haben, vermutlich sagten einige „Geisterfüllte“, dass sie jetzt sündlos seien, dass sie „in Gott seien“ und darum auch keinen Bezug zum irdischen, fleischgewordenen Christus bräuchten. Sie wurden „Enthusiasten“, verstanden sich als vollkommene geistliche Elite, die aber in ihrem alltäglichen Verhalten die praktische Geschwisterliebe vernachlässigten.
Wie geht der Presbyter die Krise an? Er bezieht eine klare dogmatische Position: das Wort wurde Fleisch, Jesus ist der Christus, sein „Blut“ für die Vergebung der Sünden ist wichtig; damit geht eine ebenso klare Ethik einher, die Bruderliebe, die der Gottesliebe entspricht. Kern dieser Dogmatik und Ethik ist eine Spiritualität der ganz engen Zugehörigkeit zu Gott (wir in Gott, Gott in uns), die aber das Sündenbekenntnis, die Vergebung durch das Blut Jesu und die praktische Ge-schwisterliebe unabdingbar mit einschließt. Gottesnähe ohne Geschwisterliebe schließt sich aus. Das stilistische Mittel, diese Spiritualität bewußt zu machen und in der Gemeinde zu erwecken, ist ein „Denken in Kreisbewegung“, es wird weniger rational argumentiert als in wiederholten und variierten Grundaussagen in diese Spiritualität der Agape-Liebe eingestimmt.

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