Montag, 27. Juli 2009

Gottesnähe im 1. Johannesbrief

Heute Vormittag habe ich mich in „meinen Garten“ gesetzt, eine großzügige Apfelplantage in Hanglage direkt hinter meiner Wohnung. Setze ich mich unter einen dieser Bäume und blicke auf die Rheinebene - 50 km entfernt schimmert der Donnersberg im Blau - höre und sehe die Insekten kreuz und quer fliegen, rieche das Gras, beobachte die Flugzeuge, die von der Startbahn West abfliegend schon beträchtlich an Höhe gewonnen haben, dann stellt sich sofort ein Gefühl ein, weit entfernt von zu Hause Urlaub zu machen. Dann las ich gründlich den 1. Johannesbrief im Novum Testamentum Graece, um Beobachtungen zur Spiritualität im 1. Johannesbrief fortsetzen zu können.

Beschreibungen der Gottesnähe im 1. Johannesbrief

Die zukünftige (eschatische) Gottesnähe wird im 1. Johannesbrief selten beschrieben. In 1. Joh 3,2 heißt es: „Noch nicht ist offenbar, was wir sein werden. Wir wissen: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein, denn wir werden sehen, wie er ist.“ Hier liegt das Bild des Sehens von Angesicht zu Angesicht zugrunde, das mit der Vorstellung verbunden ist, dass dieses Sehen uns in den verwandelt, den wir anschauen: ewiges Leben sein, so wie er ewiges Leben ist.
Viel öfter spricht der Brief von der gegenwärtigen (präsentischen) Gottesnähe, z.B. auch in 3,2 am Anfang: „Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes“. Was bedeutet es, in der Gegenwart Kinder Gottes zu sein? Der 1. Johannesbrief findet dafür Formulierungen größter Nähe: Es beginnt mit der Aussagen: „Gemeinschaft (koinonia) mit dem Vater und mit seinen Sohn Jesus Christus haben“ (1,3). Die Kinder Gottes „wandeln im Licht“ (Gott ist Licht!), sie „sind im Licht“ und „bleiben im Licht“. Sie „haben den Vater“. Sie bleiben „im Sohn und im Vater.“ (2,24). Sie „sind aus Gott“, und Gott ist „in ihnen“ (4,4); Gott bleibt „in ihnen“ (oder auch: „mitten unter ihnen“), seine Liebe ist in ihnen vollkommen. Die Spitzenaussage ist 4,16b: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“. Hier wird das Kriterium der Gottesnähe, des Wandelns im Licht deutlich und klar: Es ist die Liebe, die Agape-Liebe, im Johannesbrief vor allem die praktisch werdende Geschwisterliebe.

Welche Erfahrungen haben diese Sprachbilder hervorgerufen? Ist an geisterfüllte Inspirationen gedacht? 2,27 deutet darauf hin: „Und die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt (den Heiligen Geist), bleibt in euch, und ihr habt nicht nötig, dass euch jemand lehrt, sondern, wie euch seine Salbung alles lehrt, so ist es wahr und keine Lüge. Und wie sie euch gelehrt hat, so bleibt in ihm.“

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