Samstag, 1. August 2009

Geistliche Übungen (2): Gelassenheit

Es lohnt sich äußerst selten, sich vor anderen aufzuregen und seinen Emotionen aus Ärger freien Lauf zu lassen. Es kann die Anwesenden düpieren, es kann anderen peinlich sein, und man selbst gewinnt auch nicht gerade an Ansehen. Negative Gefühle unterdrücken, um sich anzupassen und nicht negativ aufzufallen, ist jedoch keine Alternative, weil sich dann die Aggressionen gegen sich selbst richten.
Gelassenheit hat etwas mit der Fähigkeit zur Distanznahme zu tun. Ich sehe meine Erwartungen und Ansprüche, aber auch das Erleben und Handeln der Menschen um mich herum mit Abstand. Gelassenheit ist allerdings keineswegs Gleichgültigkeit, Gefühllosigkeit oder ein Sich-Heraushalten. Im Gegenteil: Ich nehme Anteil, erlebe meine Gefühle und mische mich ein. Aber ich verliere mich nicht darin. Ich gehe nicht in meinen Gefühlen, z.B. in meiner Wut, in meinem Neid, in meinem Verletztsein durch andere auf, sondern schaue sie mir in dem Augenblick, in dem sie auftauchen, unmittelbar an, um sie zu betrachten und dabei zu ihnen Abstand zu gewinnen. Das ist darum so schwer, weil wir zu dieser Distanz leider oft erst Minuten, Stunden oder gar Tage später fähig sind - mir jedenfalls geht es oft so und ich wünschte mir in dieser Hinsicht mehr "Geistesgegenwart". Denn ist eine lange Zeit, in denen wir aufgewühlt und innerlich zerfahren vor uns hin vegetieren und nicht "zur Besinnung kommen."
Ich beginne also den Tag mit einer Haltung, in der ich die Schwierigkeiten, die der Tag unweigerlich mit sich bringen wird, in gelassener Haltung auf mich zukommen lasse. Wie geht das? Ich wiederhole z.B. in Gedanken den Satz: "Ich will heute gelassen bleiben, den Humor behalten und nichts zu nahe an mich herankommen lassen." Immer wieder läßt man dieses Vorhaben im Bewusstsein präsent werden. Den ganzen Tag lang. Es ist eine schöne Form von Geistesgegenwart, wenn man nicht ständig mit seinen negativen Gefühlen beschäftigt ist und sie an anderen auslässt, sondern von Gottes Perspektive her das eigene Erleben und Handeln wie das der anderen mit humorvoller Gelassenheit beobachten kann. Nicht nur wir selbst gewinnen dabei, sondern auch die Menschen, die uns ausgesetzt sind. Die Gelassenheit kann von einer Heiterkeit begleitet sein, die in der Freude des Glaubens gründet. Vom Evangelium her gilt das Wort: "Die Weisheit von oben ist zuerst heilig, dann friedlich, gütig/freundlich, läßt sich etwas sagen, ist reich an Erbarmen und guten Früchten, sie ist unparteiisch, ohne Heuchelei. Die Frucht aber der Gerechtigkeit wird gesät in Frieden für die, die Frieden stiften." (Jakobus 3,17-18)

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