Samstag, 8. August 2009

Jakobusbrief (2): Beschreibungen der Gottesnähe

Jakobus ist zurückhaltend in der Beschreibung von starken Erfahrungen der Gottesnähe. Kein „in Christus sein“ wie bei Paulus, kein „wir in Gott und Gott in uns“ wie im 1. Johannesbrief. Gott ist im Himmel, als „Vater der Lichter“, bei dem Jesus Christus ist, „unser Herr der Herrlichkeit“. Im „unser“ deutet sich aber auch an, dass die Gläubigen, die Jakobus immer „die Brüder“ (Geschwister) nennt, mit ihm in Verbindung stehen. Wie nun kommt Gott nahe? Ich möchte vier wesentliche Erfahrungen herausheben.
1. Gott ist den Glaubenden nahe durch das „Wort der Wahrheit“: „Nach seinem Willen hat er uns (neu) geboren durch das Wort der Wahrheit, damit wir gleichsam die Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien“ (1,18). Dieses Wort ist in V.21 das „eingepflanzte Wort“, das die Macht hat, die Seele zu retten. Gott ist also in diesem Wort nahe, ein Wort, das erneuert und rettet. Was genau dieses Wort ist, verrät Jakobus nicht. Eine Parallele im 1. Petrusbrief ist da deutlicher: „Ihr seid wiedergeboren…durch das lebendige und bleibende Wort Gottes – Die ist das Wort, das unter euch verkündet wurde (euangelisthen). Die Anspielung auf das Evangelium ist hier offensichtlich, während für Jakobus das rettende Wort engstens verbunden ist mit dem Gesetz, und zwar mit dem „vollkommenen Gesetz der Freiheit“: „Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein…Wer aber hineinschaut ins vollkommene Gesetz der Freiheit und an ihm festhält, wer es nicht nur hört, um es wieder zu vergessen, sondern Täter des Worts ist, dieser wird selig sein in seinem Handeln.“ (V.22.25) Das Wort ist also Zuspruch und Anspruch zugleich, erneuert und nimmt zugleich in die Pflicht. Die Nähe des Wortes Gottes ist für Jakobus also nicht ohne das Gesetz zu haben, wenn es auch ein Gesetz der Freiheit ist. Warum „der Freiheit“? Sowohl in Kapitel 1,22-27 wie auch in 2,12-13 wird deutlich, dass Jakobus Freiheit und Barmherzigkeit zusammendenkt. Hat er hier von seinem Bruder Jesus gelernt? Mit Sicherheit. Jesus ging es um eine Praxis des Gesetzes, die zur Barmherzigkeit befreit. Frei ist der Mensch, der aus Barmherzigkeit handelt. Denn es sind die Armen in der Welt, die Gott erwählt hat (2,5-6). Darum sind wir Gott nahe, wenn wir in Barmherzigkeit den Armen nahe sind.
2. Gott schenkt „von oben her“ seine Weisheit. Diese „Weisheit von oben her“ (sophia anothen), die himmlische Weisheit, die von Gott selbst kommt, hat als Gabe zugleich eine ganz besondere Qualität. „Die Weisheit von oben her ist erstens heilig, dann friedfertig, freundlich, folgsam, voller Erbarmen und guter Früchte, unparteiisch, ohne Heuchelei.“ Das erinnert an die Frucht des Geistes Gottes, von der Paulus in Galater 5,22-23 spricht: „Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung.“ Die „Weisheit von oben“ kann also mit der Gabe des Geistes Gottes gleichgesetzt werden (zur Identität von Weisheit Gottes und Geist Gottes vgl. 1. Korinther 2,6-16). Gottes Nähe wird da erfahren, wo die Eigenschaften dieser „Weisheit von oben“ von Menschen gelebt und praktiziert werden.
3. Weise Menschen sind nach jüdischer Tradition Freunde Gottes. Sie lieben Gott. So kann auch Jakobus von den Gläubigen sprechen, die Gott „lieb haben“ (1,12; 2,5). Sie sind Gott nahe, weil sie Gottes guten Eigenschaften nahe sind. Die Freundschaft mit Gott wird indirekt in 4,4-5 thematisiert: „Wißt ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird zum Feind Gottes.“ Die Freundschaft mit Gott ist aber nicht Freundschaft unter Ebenbürtigen. Der Geist Gottes (4,5) befähigt Menschen dazu, die freundschaftliche Nähe Gottes zu erfahren. Aber nach Jakobus nur, indem man Gott gehorcht, sich im unterordnet (4,7). In Ehrfurcht, im Bewusstsein, Sünder zu sein, in Demut, dürfen sich die Menschen Gott nahen: „Naht euch Gott und er wird euch nahe kommen. Reinigt die Hände, ihr Sünder, und heiligt eure Herzen, ihr Menschen mit zwei Seelen.“ (4,8)
4. Jakobus ist schließlich mit allen anderen Aposteln der Überzeugung, dass die Ankunft des Herrn nahe ist (5,8), d.h. dass das barmherzige und zugleich strenge Gericht Gottes zeitlich nahe bevorsteht: „Siehe, der Richter steht vor der Tür!“ (5,9)

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