Donnerstag, 13. August 2009

Jakobusbrief (4): Gottesferne

Fern von Gott ist die „Welt“: „Wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer also ein Freund der Welt sein will, der wird zum Feind Gottes.“ Mit der „Welt“ ist der Teufel (diabolos) verbunden: „Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch. Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch!“ Was aber ist die Welt? Damit ist eine besondere negative Qualität psychischer und sozialer Wirklichkeit gemeint. Es ist die Sphäre der seelischen Unausgeglichenheit wie auch des sozialen Unfriedens: „Denn wo Neid und Streit sind, da sind Unordnung und lauter böse Dinge“ (3,17). In der „Welt“ wirkt die Weisheit, die nicht himmlisch, sondern irdisch ist, die „von unteren Bereich her“ (psychike) kommt, ja dämonisch (daimoniodes) charakterisiert werden kann. Sigmund Freud hätte diesen Bereich das „Es“ genannt, die Welt der Triebhaftigkeit. „Woher kommt der Kampf unter euch, woher der Streit? Doch wohl von euren Lüsten/Leidenschaften, die in euren Gliedern gegeneinander kämpfen!“ (4,1). Zu diesen negativen Affekten zählt Jakobus Gier, Mordlust, Neid (4,2), Zorn (1,19-20), Fluchen/Verfluchen (3,9-10), Hochmut und Stolz/Übermut (4,6; 4,16).
Die Seele, das Innere kann Jakobus „Herz“ nennen (4,8). Hier sind die Begierden, die eine große Macht besitzen und unabhängig, ja autonom von Gottes Einfluß sind: „Jeder aber, der versucht wird, wird von den eigenen Begierden gelockt und geködert. Wenn die Leidenschaft empfangen hat, gebiert sie die Sünde, die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, bringt den Tod hervor.“ Die gottferne Seele ist voller Zweifel („Wer zweifelt, der gleicht eine Meereswoge, die vom Winde getrieben und bewegt wird.“), d.h. unbeständig, unklar, unsicher. Ein solcher Seelenzustand wird in 1,8 und 4,8 „zwei Seelen habend“ (dipsychos) genannt. Die Lutherbibel übersetzt mit „unbeständig“ und „wankelmütig“. Es geht um einen Zustand des Hin und Her, der Unentschiedenheit oder auch der Haltlosigkeit, d.h. keinen festen inneren Stand einnehmen können. Ganz anders der Zustand der inneren Stabilität, den die Weisheit „von oben“ schenken möchte, der Zustand der Geduld und des Friedens (1,3-4; 3,18; 5,7-11).
Die negative soziale Wirklichkeit, die Jakobus „Welt“ nennt, ist von der Dominanz und Arroganz der besitzenden Klasse beherrscht. Die Reichen ziehen die Aufmerksamkeit auf sich (2,2-4) üben Gewalt aus und lästern (2,6-7). Ihnen fehlt jede Demut; sie führen sich als Herrscher auf Erden auf, die alles bestimmen und lenken dürfen (4,13; 5,5-6). Mit zwei plastischen Naturbildern illustriert Jakobus diese Illusion: „Was ist euer Leben? Rauch seid ihr, der eine Weile sichtbar ist und dann verschwindet.“ (4,14) - „Die Sonne geht auf mit ihrer Hitze und das Gras verwelkt, und die Blume fällt ab, ihre schöne Gestalt verdirbt. So wird auch der Reiche mit seinen Unternehmungen dahinschwinden (verwelken).“

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