Mittwoch, 30. September 2009

Berührt-sein

Heute greife ich zu einem älteren Heft des Materialdienstes der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (12/2006) und entdecke darin einen Artikel der von mir sehr geschätzten Psychotherapeutin Eva Jaeggi (S. 463-470). Sie fragt darin, welche Hilfe die Psychotherapie bei der Suche nach einem „sinnvollen“ Leben bieten kann. Ich zitiere daraus Absätze, die das Phänomen des "Berührt-seins" bewußtmachen und als besonders sinnerfüllt die Verknüpfung von Berührt-sein und Verantwortung/Verpflichtung hervorheben.

"Das Erlebnis der Sinnlosigkeit des eigenen Lebens bedeutet…, allen Vorstellungen zufolge, die ich gefunden habe, dass man innerlich von nichts mehr berührt werden kann, dass man das Gefühl, mit einer Sache verbunden zu sein, nicht mehr erreichen kann.
Ich denke, dass jeder Mensch das Gefühl des intensiven Berührt-seins irgendwann einmal gekannt hat — und sei es in der Kindheit. Die Vorfreude auf Weihnachten oder den Geburtstag, der Eifer, mit dem Kinder sehr ernsthaft und glücklich an einem Bauwerk arbeiten oder eine Babypuppe wickeln — das alles sind, sofern ein Kind nicht psychisch sehr krank ist - Tätigkeiten, die den von Huizinga so genannten „heiligen Ernst" des Spiels verkörpern, in dem Person und Werk sich nahtlos verbinden.
Jeder Mensch weiß zumindest aus der kindlichen Erinnerung, wie solch ein „Berührt-sein" aussieht, die meisten aber kennen es natürlich auch aus späteren Zeiten: das Anhören von Musik, das Glück einer Verliebtheit oder ein Naturerlebnis können so stark sein, dass daraus sehr glückliche Stunden oder Tage entstehen, in denen die Frage „wie sinnvoll" das Leben sei, gar nicht auftaucht.
Nun wäre es unsinnig zu verlangen, dass man diese meist mit Euphorie verbundenen Erfahrungen sehr häufig macht. Man kann nicht im Dauerzustand der Erregung leben. Das „Berührt-sein", so müsste man sagen, kann nicht nur in den „Peak-Erlebnissen" des Außergewöhnlichen bestehen. Das „Berührt-sein" kann still vor sich gehen, kontinuierlich — wie in der Zufriedenheit mit einer Arbeit, mit einer schönen Reise, einem interessanten Gespräch, oder eben mit dem Alltäglichen. Das „Berührt-werden" muss nicht dauernd spürbar sein.
Wenn wir es in der Sprache der Psychoanalyse ausdrücken: dem eigenen Leben Sinn zu geben heißt: Dinge, Aktivitäten und Geschehnisse libidinös besetzen zu können, also psychische Energie (wir können natürlich auch Interessen sagen) - und dies scheint mir außerordentlich wichtig — von sich selbst abziehen zu können, mit einer Sache, einer Aktivität, einem anderen Menschen zeitweise verschmelzen zu können ohne dass nur die eigene Person dabei wichtig ist.
Wenn wir also imstande sind, unsere narzisstische Liebe, also die auf uns selbst gerichteten Interessen, zurückzustellen, indem wir eine andere Sache in den Mittelpunkt stellen — dann würden wir wohl das erreichen, was man mit erlebtem „Sinn" bezeichnen könnte. Diesen Zustand könnte man auch Selbsttranszendenz nennen, und viele Religionswissenschaftler sehen darin die Essenz der religiösen Erfahrung.
Die Unfähigkeit, von sich selbst abzusehen, alles, was man tut oder erlebt, immer nur auf die eigene Person zu beziehen, macht auf Dauer gesehen unglücklich und erzeugt das Gefühl, es sei alles „sinnlos". Der Narziss ist, wie man weiß, alles andere als glücklich. Die Welt und alle Tätigkeiten nur immer wieder unter dem Gesichtspunkt der eigenen Person zu betrachten — also bewusst oder unbewusst zu fragen: Nützt es mir? Stehe ich dabei im Mittelpunkt? Bekomme ich genügend Prestige – erzeugt auf die Dauer Leere und Langeweile.

Was immer uns berührt und heraushebt aus der Alltäglichkeit, kann in einer guten Psychotherapie durch die längere Überprüfung im Dialog auf seine Tauglichkeit für ein individuelles Leben geprüft werden. Die aufmerksame Begleitung, die ein Mensch durch die Therapie erfährt, zwingt ihn zur sorgfältigen Überprüfung dessen, was er erfahren hat an Transzendieren seiner Person und dessen, woran er sein Herz gehängt hat; eine Überprüfung auch dessen, was er für so wertvoll hält, dass er sich selbst in einen „Dienst" dieses Wertes stellt, dafür viel opfert und anderes darüber vielleicht vernachlässigt (so wie workaholics das oft tun). Aber auch Erfahrungen der Selbsttranszendenz in der Musik, im Gebet oder im Verständnis für einen Gedanken (vielleicht sogar im selbständigen Erarbeiten eines solchen) zu erringen — das alles bedarf einer sehr sorgsamen Überprüfung im eigenen Leben.
Wie wir aus der Psychoanalyse wissen, kann sehr vieles der Abwehr dienen: der Abwehr von Konflikten, von Ambivalenzen, von unerträglicher Trauer und Angst. Eine Überprüfung daraufhin, ob diese Selbsttranszendenz die Möglichkeit, sich autonom zu entfalten, sich freizumachen von beengenden Vorurteilen und kreativer mit der Welt umzugehen, bietet: das alles lässt sich nur in einem längeren Prozess der Überwachung des eigenen Lebens - am besten im Angesicht eines wohlwollenden und unbestechlichen Anderen, z.B. eines Therapeuten — feststellen. Auch Selbsttranszendenz, das Aufsuchen von die Person übersteigenden Möglichkeiten kann dem Narzissmus dienen. So betrachtet, ist es nicht nur ein Augenblicksgefühl, das Sinn verleiht, sondern die Summe vieler Erfahrungen, die langsam dazu beitragen, dass das eigene Leben einem als eines erscheint, das erfüllt ist, auch im Zusammenhang mit anderen Menschen und wo die Frage nach dem „Sinn" des eigenen Lebens gar nicht mehr auftaucht. Wo Verantwortung gefühlt wird und diese ernst genommen und in Handlung übersetzt wird, verblasst die Sinnfrage.
Spirituelle Erfüllung, also die libidinöse Besetzung einer Idee, einer Verpflichtung oder eines Ideals, das die eigene Personen transzendiert, kann dann nie Selbstzweck bleiben. Immer gründet das Sinnerleben letztlich in Verpflichtungen, die außerhalb der narzisstischen Besetzung der eigenen Person stehen."

Dienstag, 29. September 2009

Unsicherheit aushalten

Im seinem aktuellen lesenswerten und stilsicheren Roman „Sieben Jahre“ (2009) lässt Peter Stamm die Erzählfiguren Sonja und Birgit sich über ihre frühere WG- Mitbewohnerin unterhalten: „Ein bisschen verklemmt war sie von Anfang an, sagte Birgit. Sie hat alles so wahnsinnig ernst genommen und hatte zu allem Möglichen eine Theorie und eine Meinung. Irgendwie hat sie keine Unsicherheiten ertragen. Wie alle Gläubigen, sagte ich [Alex, der Ich-Erzähler des Buches]. Sonja [seine Frau] sagte, es sei gemein, so etwas zu sagen. Es sind nicht die schlechtesten Menschen, die in Sekten landen, sagte Birgit. Es sind Suchende, denen etwas fehlt und die irgendwann nicht mehr mit diesem Mangel leben können. Und dann hängen sie ihr Herz an irgendeinen Guru oder an eine Sache, die gerade in der Luft liegt. Etwas, das ihnen Sicherheit gibt. Eine Beziehung gibt dir auch Sicherheit, sagte Sonja. Geld gibt Sicherheit, sagte Birgit. Ich [Alex] sagte, mein Ziel sei es, die Unsicherheit auszuhalten. Birgit lachte.“ (156)

Stimmt dieses Porträt „aller Gläubigen“: verklemmt, nehmen alles ernst, können keine Unsicherheiten ertragen…? Ist im Kontrast dazu der „gegenwärtige Mensch“ dadurch gekennzeichnet - im Roman durch den sich treiben lassenden Alex personifiziert - Unsicherheit auszuhalten?

Auf eine andere Spur bringt mich Werner Stegmaier, der in seinem Werk „Philosophie der Orientierung“ (Berlin 2008) Bemerkenswertes zu religiöser Orientierung festhält. Sie gibt jenseits der begrenzten Horizonte aller sonstigen Orientierungswelten (z.B. Kunst, Wissenschaft) Halt an einem überall und immer Gegenwärtigen – Gott/Transzendenz. Das bedeutet jedoch nicht, dass religiöse Orientierung direkt hilft, aus schwierigen Situationen herauszukommen.
"Sie gibt statt dessen Vertrauen, mit ihnen zurechtzukommen und nötigenfalls sich mit ihnen abzufinden…Der weite Horizont der Glaubensgewissheit erlaubt, sich auf weit mehr Lebensungewissheit einzulassen." (S. 535)

Samstag, 26. September 2009

Wahlhilfe

Ich bin, als alter Verfassungspatriot (danke Jürgen Habermas für diesen Begriff!), wirklich stolz auf das Grundgesetz, als Christ auch auf die Präambel:

"Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
Art(1): Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt."

Wählbar halte ich alle Parteien, die sich positiv auf das Grundgesetz beziehen und als unabdingbare Grundlage für das politische Entscheiden anerkennen. Sie gewichten wesentliche und wichtige Werte unterschiedlich stark, um ein besonderes Profil zu gewinnen: Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden, Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung, Leistungsfreude, Schutz der Privatsphäre, Erbarmen für die sozial Schwachen, Familiensinn....Parteien, deren Wertepräferenz zur Zeit nicht klar genug erkennbar ist, weil sie zuviele Werte zugleich berücksichtigen wollen/müssen (die noch großen Volksparteien und noch Regierungsparteien) halten sich mit Wertepräferenzen sehr zurück (anstelle dessen heißt es rein formal: "Wir haben die Kraft" oder "Deutschland kann es besser").

Für mich sind Bibeltexte zur alttestamentlichen Sabbatgesetzgebung eine Wahlhilfe bezüglich der Wertepräferenz geworden (ob entscheidend, das weiß ich erst in der Wahlkabine :))

aus Exodus (2. Mose) 23:
9 Beutet die Fremden nicht aus, die bei euch leben. Ihr wisst doch, wie es einem Fremden zumute ist, weil ihr selbst in Ägypten als Fremde gelebt habt. Sechs Jahre lang sollst du dein Land bearbeiten und den Ertrag ernten, den es dir bringt. Aber im siebten Jahr lass es brachliegen. Was dann von selbst wächst, sollen die Armen essen, den Rest überlass dem Wild. Ebenso sollst du es mit deinen Weingärten und Ölbäumen halten. 12 Sechs Tage lang sollst du deine Arbeit verrichten, aber am siebten Tag sollst du alles ruhen lassen. Auch dein Rind und dein Esel sollen sich ausruhen; dein Sklave und der Fremde, der bei dir lebt, sollen sich erholen können.

Eckart Otto notiert dazu: „Die Aussetzung der Nutzung des Ackerbodens im siebten Jahr und der Arbeitskraft von Mensch und Tier setzt der menschlichen Verfügungsgewalt über Natur und Menschen Grenzen und schafft so durch die Wahrung von Gottes Privileg Raum für das von ihm dem Menschen gesetzte Ziel der Solidarität und Hilfe für die Schwächeren in der Gesellschaft und die Tiere. (Theologische Ethik des AT, 1994, S. 100f.)

aus Deuteronomium (5. Mose) 14:
1 Immer wenn sieben Jahre vergangen sind, müsst ihr alle Schulden erlassen. Dafür gelten folgende Bestimmungen: Wer einem anderen Israeliten Geld geliehen hat, muss ihm jetzt die Schulden erlassen. Er darf sie von seinem Bruder, dem anderen Israeliten, nicht mehr eintreiben. Denn man hat zu Ehren des HERRN einen Schuldenerlass ausgerufen. Von einem Ausländer könnt ihr Schulden eintreiben, aber nicht von einem, der zu eurem eigenen Volk gehört und deshalb euer Bruder ist. Wenn aber dein Bruder, ein anderer Israelit, Not leidet, irgendwo in dem Land, das der HERR euch geben wird, dann darfst du nicht hartherzig sein und deine Hand vor deinem Bruder verschließen. Leih ihm gegen ein Pfand, so viel er braucht. Sei auch nicht so gemein und berechnend, dass du denkst: »Das siebte Jahr ist nicht mehr fern, dann muss ich ihm die Schulden erlassen!« Gönne ihm das und lass ihn nicht vergeblich bitten! Wenn er sich beim HERRN über dich beklagen muss, hast du schwere Schuld auf dich geladen. Wenn jemand aus Israel, dein Bruder oder deine Schwester, sich als Sklaven oder Sklavin an dich verkauft, dann soll der Betreffende dir sechs Jahre dienen; im siebten Jahr musst du ihn wieder freigeben. Schick ihn aber nicht mit leeren Händen weg, sondern gib ihm reichlich von dem, was der HERR dir geschenkt hat: Schafe und Ziegen, Korn und Wein. Denk daran, dass ihr alle in Ägypten Sklaven gewesen seid und dass der HERR, euer Gott, euch befreit hat. Deshalb gebe ich euch heute dieses Gebot.

Donnerstag, 24. September 2009

Warum religiös sein? Warum glauben?

Warum religiös sein? Diese Frage bewegt Freunde von mir, auch mich selbst. Hilfreich finde ich folgende Überlegungen von Isolde Karle, Pfarrerin und praktische Theologin, in denen sie Anregungen von Friedrich Schleiermacher und Niklas Luhmann zum Wesen der Religion fruchtbar macht:

„Religion hat keinen rein diesseitigen Charakter, sie verabsolutiert nichts Endliches, nicht die Vernunft und nicht die eigene Individualität, sondern hat es mit dem Unendlichen zu tun, insofern sie das diesseitige Leben und Erleben in seinem Bezug zu Gott interpretiert und versteht. Religion immunisiert deshalb auch gegen alle immanenten Selbstverabsolutierungen und verweist auf die Relativität allen Wissens und aller Erfahrung.“ (310)
Religion eröffnet die „Möglichkeit der Dankbarkeit, das heißt, für das Glück oder religiös gesprochen für die Bewahrung bei einem Unfall, für die Geburt eines Kindes, für alles empfangene Gute und unwahrscheinlich Gelingende im Leben eine angemessene Sprache zu finden….man kann sich mit Hilfe religiöser Sprache und Handlungsvollzüge – im Segen, im Gebet, im Lied – Gottes guten Mächten anvertrauen.“ (311)
„Die Religion macht als Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit bewusst, dass wir unser Sein nicht uns selbst verdanken, dass wir nicht in uns selbst be- und gegründet sind, sondern von anderwärts her. Religion bringt mithin zum Ausdruck, dass wir die Bedingungen, unter denen wir leben, nicht selbst hervorgebracht haben und hervorbringen können, dass wir Geschöpfe sind und nicht Schöpfer unserer selbst und unserer Welt. Religion setzt uns als Geschöpfe in ein realistisches Selbst- und Weltverhältnis, das uns die Grenzen unserer Möglichkeiten heilsam aufzeigt und die ganze Welt auf das Woher schlechthinniger Abhängigkeit, auf Gott selbst bezieht.“ (312)
„Gerade bei Erfahrungen des Scheiterns und des Abbruchs entsteht die Sehnsucht, dass mir von anderwärts her gesagt, was ich mir selbst nicht sagen kann. Der Segen markiert diesen Zuspruch ‚von anderwärts‘ in besonders eindrücklicher Weise, weil er die Worte und die körperliche Geste oder Berührung eines anderen Menschen voraussetzt und zugleich deutlich macht, dass allein Gott Subjekt des Segens ist und bleibende und verlässliche Zuwendung verheißt.“
„Es bedarf des Wohnens in einer konkreten Religion, um religiöse Kommunikation verstehen und begreifen zu können und dadurch als Individuum bereichert und gebildet zu werden…Religiöse Bildung ist ohne das Vertraut werden, ohne das sich Einlassen auf konkrete religiöse Kommunikationsformen nicht möglich.“

Zitate aus: Isolde Karle, Die markante Physiognomie der Religion, in: W. Härle u.a. (Hg.)Systematisch Praktisch, Marburg 2005, S. 305-314.

Mittwoch, 23. September 2009

Der segnende Christus



Die Gedächtniskirche in Berlin und deren wunderschöner Andachtsraum ist eine Oase der Ruhe inmitten des städtischen Getümmels. Das Foto habe ich gestern kurz vor der Abendandacht gemacht, in der es dem Pfarrer mit sensiblen und bedacht gewählten Worten und Gesten gelang, die Wirklichkeit Gottes lebendig werden zu lassen (und zwar mit Hilfe von Philipper 4,13: "Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht."). Sein Abschlußsegen wurde durch das Symbol des segnenden Christus bekräftigt, der unübersehbar im Dunkelblau der Kirche schwebt.

Dienstag, 22. September 2009

Dreieinigkeit



Jürgen Moltmann (Trinität und Reich Gottes, S. 15-16) schreibt etwas zu dieser wunderbaren Ikone, die von der Geschichte in 1. Mose 18 inspiriert ist, in der Gott in Gestalt von drei Männern dem Abraham erscheint. Abraham spricht sie immer mit "Herr" an, also in der Einzahl! Ein "vestigium trinitatis" im Alten Testament:

"Durch die innige Zu-neigung zueinander zeigen die drei Personen die tiefe Einigkeit, die sie miteinander verbindet und in der sie eins sind. Der Kelch auf dem Tisch weist auf die Hingabe des Sohnes auf Golgatha. Wie der Kelch mitten auf dem Tisch steht, um den die drei Personen sitzen, so steht das Kreuz des Sohnes von Ewigkeit her mitten in der Dreieinigkeit. Wer die Wahrheit dieses Bildes erkennt, der versteht, daß Menschen erst in jener Einigkeit miteinander, die aus der Hingabe des Sohnes 'für viele' entspringt, dem dreieinigen Gotte entsprechen. Er begreift, daß sie erst in ihrer freien Zu-neigung zueinander zu ihrer eigenen Wahrheit kommen."

Montag, 21. September 2009

Wo erlebst Du die Nähe Gottes?

Ich habe das im Rahmen eines Gottesdienstes im kleinen Kreis gefragt. Folgende Antworten wurden ein Blatt Papier geschrieben:



"Die Nähe Gottes erlebe ich hauptsächlich in ruhigen Stunden, wenn ich draußen (Natur) sein kann und mit ihm reden kann. Ich erlebe diese Nähe jedoch auch sehr in meinen Beziehungen, bei Freunden oder in der Familie"


"Die Nähe Gottes erlebe ich jedesmal, wenn ich mir seine Gegenwart bewusst mache, besonders beim Lobpreis oder in der Natur."


"Die Nähe Gottes verstärkt sich bei gemeinsamen Gesprächen beziehungsweise in einer Gemeinschaft."


"Die Nähe Gottes erlebe ich im Gebet."


"Nach perfekten Tagen fühle ich mich Gott am nächsten."


"Ich erlebe die Nähe Gottes hauptsächlich in der Natur, wenn ich etwas Besonderes, Neues oder auch Schönes sehe (ich muss aber offen dafür sein)."


"Ich erlebe die Nähe Gottes in meiner persönlichen Beziehung zu Gott: Gebet, Bibel lesen u.a."


"Ich erlebe die Nähe Gottes, wenn mir nach bestimmten Situationen klar wird, wie sehr er mir eigentlich geholfen hat. Also oft erst im Nachhinein."

Sonntag, 20. September 2009

Das Ich-Kabinett

Das eigene Leben managen, die Selbstsorge, die Lebenskunst, ist heute eine komplexe Angelegenheit. Unterschiedlichste Aufgaben sind zu bewältigen. Ich möchte das mal mit dem Bundeskabinett vergleichen, also der Ministerrunde des Kanzlers/ der Kanzlerin.
Die Richtlinienkompetenz hat das Kanzleramt, das "Ich". Es gibt die grundlegende, weltanschauliche (religiöse und sittliche) Lebensrichtung vor oder auch nicht, je nachdem es sich von den Ministern "treiben" oder bestimmen läßt.
Außenministerium: zuständig für Kontakte zu Freunden und Bekannten - Begegnungen, e-mail Kontakte, telefonieren, Briefe...
Familienministerium: Zuständig für Familie (Partner, Kinder, Eltern, Geschwister), Familienplanung,
Innenministerium: Zuständig für die "innere Sicherheit" , dafür also, dass ich mich möglichst angstfrei, ausgeglichen und sicher fühle - hier geht es um das Gefühlsmanagement und die Abstimmung zwischen Wünschen und Anforderungen.
Arbeitsministerium: Zuständig für die Sorge um den Arbeitsplatz, Arbeitsmöglichkeiten, Karriere.
Finanzministerium: Zuständig für die Einnahmen und Ausgaben, Kontoführung, Geld anlegen, Sparen und vorsorgen. Kontakt zu Geschäften, Banken und Versicherungen. Aktenablage - Rechnungen, Verträge...
Verteidigungsministerium: Zuständig für meine Fähigkeit, mich verteidigen und durchsetzen zu können. Selbstverteidigungs-techniken, "Schlagfertigkeit", Imponiergesten beherrschen (oder bewußt unterlassen)
Gesundheitsministerium: gesunden Lebensstil pflegen, Vorsorgeuntersuchungen, Arztbesuche, Krankenkasse; für Urlaub, Erholung und Entspannung sorgen.
Wirtschaftministerium: Einkaufen, Investitionen, sinnvolle Anschaffungen überlegen
Bildungsministerium: Ausbildung, Studium, Fortbildung, "lebenslanges Lernen", Zeitung lesen, informiert sein, Forschung (Abenteuer erleben, Auslandsaufenthalt, neue Kulturen oder Länder kennenlernen)
Justizministerium: Gewissensbildung, Über-Ich-Pflege (oder Auseinandersetzung damit), Aufstellung von persönlichen Lebensmaximen, die bestenfalls Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnten (kategorischer Imperativ), eigene Prinzipien für einen sittlichen Lebensstil finden und auf den Prüfstand stellen.
Umweltministerium: Für eine gesunde Umgebung sorgen: Wohnung oder Haus schön herrichten und sauberhalten, Garten pflegen, ein ökologisch verträgliches Auto fahren, nachhaltigen (ökologischen) Lebensstil üben
Sozialministerium: sich um Menschen kümmern, denen es schlecht geht: Kranke besuchen, Arme unterstützen, Entmutigte aufrichten, soziale Einrichtungen unterstützen (finanziell oder ehrenamtlich)
Kulturministerium: sich für Kunst und Kultur interessieren, Ausstellungen, Vorträge, Lesungen, Theater, Kino besuchen, Gottesdienst besuchen und Kirchengemeinde bei der Organisation unterstützen (Ehrenamt)
Diese Liste ist noch nicht mal vollständig - so viel ist zu berücksichtigen, nicht zu vernachlässigen; es ist schon ganz schön anstrengend und aufwendig als individualisierter Mensch eigenständig in der modernen Gesellschaft zu leben und zu überleben. Kein Wunder, warum es Streß gibt, Burn-Out, Depression als Ausdruck von Überfordertsein von so vielen Anforderungen, Sehnsucht nach dem einfachen Leben, nach der Reduktion von Komplexität.

Samstag, 19. September 2009

Warum dieses Stadtbild so schön ist



Diese Stadtansicht von Manarola, einem der 5 Städtchen der Cinque Terre, hat mich in ihrer Schönheit sofort gefangen genommen. Sie wird auf dem Foto, das ich am 8.9. auf einer Wanderung mit einigen Schülern machen konnte, besonders deutlich.
Warum aber empfinden wir dies schön?
Dazu habe ich im neuen "Psychologie heute" (Oktober 2009) eine erklärende Beobachtung des Philosophen und Architekten Georg Franck gelesen: "Das Faszinierende an den alten Städten sind die fraktalen Strukturen, die Sie überall entdecken können...Das sind Gebilde, die sich in immer kleinere Strukturen verzweigen und dabei ihr Grundmuster ständig wiederholen. Fraktale Muster finden Sie überall in der Natur: Wälder, Gebirge, Flussläufe. Ein Baum verzweigt sich vom Stamm in die Äste und Zweige bis hinein in die Blätter, die sich ihrerseits wieder verästeln...sie sind im Wortsinn reizvoll...Fraktalität ist Vielfalt in der Einheit. Das wirkt auf uns interessant, weil es alle unsere Sinne anspricht." (S. 41-42)
Offensichtlich haben diese Strukturen großen Erholungswert. Im gleichen Heft wird eine Studie vorgestellt, die zeigen konnte, dass man in der Natur besonders gut nach Streß auftanken kann.

Mary Travers von "Peter, Paul and Mary" gestorben



Die Songs, die von Peter, Paul and Mary (interessante biblische Namen!!) interpretiert wurden (Traditionals, Bob Dylan, Gordon Lightfoot u.v.a) haben mich immer besonders berührt. Ihre außergewöhnlichen Stimmen und das virtuose Gitarrenzusammenspiel waren ein prägender Soundtrack in meiner Kindheit; meine Eltern besaßen Platten und Tonbänder ihre Alben. Mary Travers ist vor einigen Tagen im Alter von erst 72 Jahren gestorben. Gepostet habe ich einen Spiritual, den sie ca. 1963 (26 Jahre alt) leidenschaftlich singt.
Allerdings nicht die Originalversion des Textes, der auf Christus bezogen war, sondern einen von PPM und Milt Okun umgeschriebenen Text, der sich auf den Exodus bezieht und indirekt der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre eine Stimme gibt.


Go tell it on the mountain, over the hill and everywhere
Go tell it on the mountain, to let My people go.

Who's that yonder dressed in red, let My people go
Must be the children that Moses led, let My people go
Who's that yonder dressed in red,
Must be the children that Moses led
Go tell it on the mountain, to let My people go.

(Chorus)

Who's that yonder dressed in white, let My people go
Must be the children of the Israelite, let My people go
Who's that yonder dressed in white,
Must be the children of the Israelite
Go tell it on the mountain, to let My people go

(Chorus)

Who's that yonder dressed in black, let My people go
Must be the hypocrites turnin' back, let My people go
Who's that yonder dressed in black,
Must be the hypocrites turnin' back

Original von John W. Work ca. 1865

Go, tell it on the mountain,
Over the hills and everywhere
Go, tell it on the mountain,
That Jesus Christ is born.

While shepherds kept their watching
o’er silent flocks by night,
Behold, throughout the heavens
There shone a holy li--ght
Refrain

The shepherds feared and trembled,
When low above the earth,
Rang out the angels chorus
That hailed our Savior's bi--rth.
Refrain

And lo! When they had heard it,
They all bowed down to pray,
Then travelled on together,
To where the Baby la--y.
Refrain

Down in a lowly manger
The humble Christ was born
And God sent us salvation
That blessed Christmas mo--rn.
Refrain

Freitag, 18. September 2009

Angst und Glaube

Seit einigen Tagen trudeln vermehrt die Proseminararbeiten aus dem Sommersemester ein, die ich zu korrigieren habe, jede zu einem anderen Text aus den Evangelien. Werde ich die Korrektur nur als Mühe verstehen, oder nutze ich sie als Chance, mit Hilfe der sorgfältigen Beobachtungen der Studierenden für mich selbst etwas Neues an diesen Texten zu entdecken? So möchte ich es halten.

Matthäus 14,22-33:
Und alsbald trieb Jesus seine Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm hinüberzufahren, bis er das Volk gehen ließe. 23 Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und am Abend war er dort allein. 24 Und das Boot war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. 25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem See. 26 Und als ihn die Jünger sahen auf dem See gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. 27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht! 28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. 30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, hilf mir! 31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? 32 Und sie traten in das Boot und der Wind legte sich. 33 Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

Zweimal wird hier die Angst zum Thema gemacht, die Angst der Jünger und die Angst des Petrus vor dem Wind und den Wellen. Jesus hingegen bleibt von diesen schweren äußeren Umständen völlig unberührt, sie scheinen gar nicht zu existieren. Es ist der Jesus, der vorher viele Nachtstunden auf einem Berg im Gebet verbracht hat. Wenn ich "Berg" und "Wasser" als Symbole verstehe, dann könnte ich so deuten: Die Gottesnähe des Berges, die Gebetsverbundenheit mit dem Vater trägt Jesus in die Chaoswasser, in die Gottesferne hinein, so dass sie ihn nicht vereinnahmen können. Er bleibt Herr der Situation und greift auch noch rettend für andere ein. Im Blick auf Jesus können wir auch in chaotischen Lebensituationen festen Stand gewinnen und müssen nicht in ihnen "versinken". Wir werden immer etwas einsinken, so wie sogar der "Fels" Petrus, aber genauso wie er an Jesu Hand wieder Halt gewinnen. Der Blick auf Jesus ist gleichzeitig der Blick zu Gott und die Erinnerung daran, dass die Gebetsverbindung zu Gott diese "Standfestigkeit" ermöglicht.

Eine erstaunliche Parallele dazu findet sich in einer sehr alten buddhistischen Tradition:

"Ein buddhistischer Laienbruder, unterwegs zu seinem Meister, kam an das Ufer eines Flusses. Der Fährmann war nicht mehr da. Vom freudigen Gedanken an Buddha getrieben, ging der Bruder über den Fluß. Als er aber in der Mitte angelangt war, sah er die Wellen. Da wurden seine freudigen Gedanken an Buddah schwächer und seine Füße begannen einzusinken. Doch er erweckte wieder stärkere Gedanken an Buddha und ging über die Oberfläche des Wassers." (im Evangelisch-Katholischen Kommentar von Ulrich Luz zum Matthäusevangelium, Band 2, S. 410)

Bezeichnend ist aber, dass es hier das eigene Erinnern an Buddha ist, dass wieder Standfestigkeit ermöglicht (im Buddhismus ist damit die Freiheit von Gier, Hass und Unwissenheit gemeint). Im christlichen Glauben ist es Jesus, der die Hand ausstreckt und wieder festen Stand gibt. Die Heilserfahrung verdankt sich im Buddhismus also dem stetigen eigenen Bemühen, im Christentum hingegen der ausgestreckten Hand Gottes.

Donnerstag, 17. September 2009

Jochen Distelmeyer: Lass uns Liebe sein

Jochen Distelmeyer war der Kopf der herausragenden deutschen Band "Blumfeld", die von 1991-2006 mit eigener musikalischer Sprache, die von Album zu Album zugänglicher wurde, vor allem aber durch die poetische Sprachkraft von Distelmeyer beeindrucken konnte. Für mich einer der ganz wenigen unpeinlich in Deutsch singenden Poppoeten. Distelmeyer ist nicht religiös, dafür politisch klar links und humanistisch eingestellt. Er versucht, in seinem nichtreligiösen, politisch engagierten Daseinsentwurf dem Leben möglichst tiefen Sinn abzugewinnen. Linkssein impliziert ja immer auch die Sehnsucht nach einer anderen Wirklichkeit, das Leiden an der "Diktatur der Angepassten" (so ein Song vom Albun "Testament der Angst" von 2001). Immer wieder kommt er auf die Sinnerfüllung durch die Liebe zu sprechen. So auch in dem neuen Song aus dem ersten Soloalbum. Ich finde seine Text immer sehr wahrhaftig, von keiner "Anpassung", keiner "Vorsicht" oder "Rücksicht" entschärft. Ich finde einen Teil meiner Identität als moderner Mensch in seinen Texten gut repräsentiert. Auch wenn der "Mehrwert" eine spirituellen Existenz fehlt. Gleichwohl eine große Bereicherung. Das Video zum Song unterlegt den Text mit einer Stimmung der Freude am gemeinsamen Interagieren mit anderen Menschen, das auf nichts anderes aus ist, als gemeinsam - in gegenseitiger Wertschätzung und Beachtung und im gekonnten Zusammenspiel (der Tanz) - Glück zu erleben.

Mittwoch, 16. September 2009

Apfelernte

Im Sommer saß ich noch in ihrem Schatten, jetzt werfen sie reife Früchte, die Äpfelbäume in "meinem Garten" hinterm Haus. Heute habe ich einen schweren Korb voll von den Ästen gepflückt und vom Boden aufgehoben - geschwind war er gefüllt. Noch hängen Hunderte wartend an den Zweigen. Ernten hat etwas Beglückendes; darum gibt es Erntedank.

Dienstag, 15. September 2009

Prozession in Lucca - La Luminaria am 13. September


Viele Prozessionsteilnehmer haben eine Kerze in der Hand. Der Weg von der Kirche San Frediano durch die schmalen Straßen der Stadt zum Dom ist mit abertausenden von kleinen Kerzen geschmückt, die die verdunkelten Wege erleuchten.


Von Kerzen geschmückte und erleuchtete Fensterreihen. Ich habe diese Aufnahme gemacht, nachdem ich ich Mut hatte, mich in die Prozession einzureihen. Ich wollte nicht nur Beobachter sein, sondern teilnehmen. Ich habe dabei still gebetet oder die Melodie des Liedes mitgesummt, das eine Chorgruppe hinter mir immer wieder anstimmte. Ich empfand bald ein starkes "religiöses" Gemeinschaftsgefühl, die von Kerzen erleuchteten Gassen rührten in mir eine meditativ-feierliche Stimmung an.

Montag, 14. September 2009

Morgenandacht : Die Gabe des Schlafes

„Es ist umsonst, daß ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf. (Psalm 127,2)

Schlafmangel ist heute, zumindest bei fleißigen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine Tugend. Den Mittagschlaf erledigt man, wenn überhaupt, lieber heimlich und rühmenswert ist nur, wenn man trotz zu wenigen Schlafes volle Leistung bringt.
Dieser Bibeltext befreit uns von einem solchen Aktivismus ständiger Arbeit, durch den wir zu wenig Schlaf haben. Ausreichend Schlaf ist nach diesem Bibelwort geradezu ein Zeichen des Glaubens. Wir zeigen, daß wir anhalten können und nicht bis zur Besinnungslosigkeit an die Zerstreuungen der abendlichen Freizeit oder an die Zwänge der Arbeit versklavt sind.


aufgenommen am 8.9.2009 in Vernazza (Cinque Terre), Italien

Der Schlaf ist ja nicht nur eine Unterbrechung des Wachzustandes, er hat nicht nur Dienstfunktion, sondern er besitzt ein Eigenrecht. Wir leben auch, um zu schlafen, auszuruhen, uns fallen zu lassen in das weiche Bett, in dem wir uns der Stille und den Träumen anvertrauen. René Char stellt fest: „Wenn der Mensch nicht von Zeit zu Zeit souverän die Augen schlösse, hätte er bald nichts mehr, was betrachtet zu werden sich lohnt“ So hat es Gott in seiner Schöpfungsordnung eingerichtet. Wir sind Wesen, die im Rhythmus von Tag und Nacht leben, im Wechsel von Anwesenheit und Abwesenheit.

Freitag, 11. September 2009

Kathedralen als Erinnerungsraum


Innenraum des Doms in Pisa

Zusammen mit meinem Religions-LK geniesse ich die Toskana, die Landschaft - Septembersonne mit angenehmster Waerme, das silberne Licht, hellsten Carrara-Marmor, Weintrauben, Feigen am Strassenrand, Sandstrand, Steilkueste bei den Cinque Terre und selbstverstaendlich Kultur: Florenz, Pisa, Lucca... Schwerpunkt ist die Erkundung und das Erleben von Kirchen, deren Baugeschichte bis ins Mittelalter zurueckreicht. San Lorenzo in Florenz zum Beispiel haben wir lange auf uns einwirken lassen. Sitzen, beobachten, den Raum auf sich wirken lassen. Marmorboden, goldverzierte Stuckdecke. Breite Seitenschiffe, schlanke Saeulen, die die Kirche hallenaehnlich wirken lassen. In dieser weiten, breiten Halle hallt es hell beim kleinsten Laut. Der Raum strahlt in seiner dezenten Farbgebung Ruhe aus. Es ist viel dunkler als die sonnendurchfluteten Toskana. Einstimmung in eine andere Wirklichkeit, die vor allem von der Vergangenheit gepraegt ist. Die Zeichen verweisen in die Vergangenheit: die Gemaelde in den zahllosen Seitenaltaeren, Reliquien, Saerge, Grabsteine, das Kreuz mit dem Gekreuzigten ueber dem gewaltigen Altar. In einer solchen Kirche erscheint der christliche Glaube als Religionsform, die sich vor allem im Vergangenen, im Erinnern sich findet.

Kreativität findet immer eine Lösung




Donnerstag, 10. September 2009

Morgenandacht: Wahrgenommen werden

„Gott, tröste uns wieder und laß leuchten dein Antlitz, so genesen wir“ Ps. 80, 4

Der Bibeltext spricht von dem Glück, wahrgenommen zu werden. Wer von anderen beachtet und damit geachtet wird, blüht auf. Er oder sie gewinnt an Selbstvertrauen. Wir erleben soziale „Genesung“, wenn wir „angesehen“ sind. Wer hingegen übersehen wird, fühlt sich minderwertig, unwichtig, sogar überflüssig. In Pflegeheimen soll es alte Menschen geben, die sich so wenig wahrgenommen fühlen, dass sie einnässen, um Beachtung zu finden und berührt zu werden. Babys, die zu wenig Augenkontakt und liebevolle Berührungen erleben, verkümmern. Kinder wiederum, die von ihren Eltern starke Aufmerksamkeit erhalten, entwickeln ihre Intelligenz stärker. Die Menschen, die sich in den täglichen Talkshows präsentieren wollen zumindest einmal im Leben, in das helle Licht der Öffentlichkeit einzutauchen, um von Millionen gesehen zu werden. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein, haben Psychologen herausgefunden.
In unserer Leistungsgesellschaft läuft positive Wahrnehmung über Erfolg und besondere Fähigkeiten. Daran haben aber nur die „Besten“ Anteil. Der überwiegende Rest bekommt zu wenig. Wir leiden, wenn wir von Menschen nicht wahrgenommen werden, von denen wir wahrgenommen werden wollen. Wir fühlen uns „herabgesetzt“. Wir leiden aber auch, wenn wir uns selbst nicht zutrauen, anderen ins Angesicht zu schauen, sondern zu Boden schauen oder wegschauen, um direkten Augenkontakt zu vermeiden.
Hier kommt jetzt Gott ins Spiel. Durch seinen Sohn Jesus Christus schaut er uns voller Liebe von Angesicht zu Angesicht an. Wir werden heil und bleiben heil, weil Gott uns durch seine Zuwendung tröstet. Ja, wir werden sogar dadurch, dass wir Jesus Christus anschauen dürfen, von einer Herrlichkeit zur anderen verwandelt (2. Korinther 3,18). Diese Erfahrung macht uns stark, Kränkungen zu verkraften, wenn wir von anderen nicht so beachtet werden, wie wir es uns wünschen würden. Vor allem aber befähigt sie uns dazu, anderen unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Was wir von Gott bekommen haben, geben wir weiter. Auch heute. Ich lade dich dazu ein, deine Aufmerksamkeit allen Menschen zu schenken, denen du heute näher begegnest. Es wird nicht nur sie, sondern auch dich selbst beglücken.

Mittwoch, 9. September 2009

Geistliche Übungen (11): Das erfahrungsbezogene Gespräch über einen Bibeltext


Es kann eine tiefe spirituelle Erfahrung sein, sich mit einer Gruppe von Menschen über einen Bibeltext oder ein theologisches Thema auszutauschen. Eine Frage oder eine These wird vom Gesprächsleiter in den Raum gestellt. Die Teilnehmer beginnen nachzudenken und sich mitzuteilen. Die ersten Beiträge lösen weitere Einfälle aus. Äußerungen werden aufgegriffen, variiert, ergänzt, bezweifelt oder bestätigt. So entsteht eine besondere Kreativität. Wenn eine Vielzahl von Teilnehmern sich mitteilt, dann begegnen sich ganz individuelle religiöse Perspektiven, Lebenserfahrungen und Erkenntnisstände. Diese Vielfalt wird dann als Geschenk des Geistes Gottes erlebt, wenn der Austausch in einer offenen und annehmenden Atmosphäre stattfindet. Beiträge werden dann nicht abgewertet, sondern stehen gelassen. Vielleicht wird auch nachgefragt, und es kommt zu einer tiefen Verständigung und gegenseitigen Annahme. Sorgen, die ein Teilnehmer mit sich herumträgt, können ernst genommen werden. Unkonventionelle, vielleicht auch wagemutige theologische Gedanken werden mit Interesse und Wohlwollen aufgenommen.
Christen treffen sich gerne in kleinen Gruppen zu Hause, um dies zu erleben („Hauskreise“). Manche Freikirchen haben diese geistliche Übung sogar in den Gottesdienst integriert ("Bibelschule"). Sie entspricht in besonderer Weise dem Evangelium, weil das Evangelium davon lebt, dass es als Zuspruch und Ermunterung untereinander ausgetauscht wird. Das Gespräch ist auch partnerschaftlicher als eine Ansprache und spiegelt so den familiären und freundschaftlichen Charakter christlichen Glaubens wider. Was wären wir ohne die Erkenntnisse der anderen. Wir brauchen das Gespräch, um unsere eigenen Wahrnehmungen zu relativieren. Wir erfahren Wahrheit als Begegnung.

Dienstag, 8. September 2009

Geistliche Übungen (10): Stille erleben

Ich liebe Stille, vor allem wenn ich schlafen möchte. Aber Stille am Tag suchen, während ich wach bin? Oft hülle ich mich in den Sound von Musik ein, die mir gefällt, mich anregt, anstrengende Arbeiten leichter von der Hand gehen läßt. Aber Stille suchen als geistliche Übung? Ich möchte in dieser Hinsicht von Ludger Ägidius Schulte lernen (Mut zur Stille - eine vergessene Lebenshaltung, in: Geist und Leben 2/2006, 140-151)

"Stille ist das Wiedergewinnen von Grundhaltungen. Grundhaltungen leben von Grunderfahrungen, der Grund aber legt sich in der Stille frei." (S. 145)
"...ohne das Wagnis des Alleinseins, ja auch der Einsamkeit werden wir diese tragende Mitte nicht berühren."( S. 145)
"Die Stille ist der Ort, an dem das alte Ich stirbt und das neue Ich geboren wird; der Ort, wo der neue Mann, die neue Frau in Erscheinung tritt. Dann aber ist sie Frieden, Erfüllung, Sabbat, Glück, Freude, sich verschenkende Aufmerksamkeit, Ruhen an der Wurzel und Gehen aus der Kraft des Grundes." (S. 148)
"Alle Versuche, Gott in der Stille entgegenzugehen, sind geborgen in der Verheißung des Propheten Zefanja: 'Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte .... Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt, wie man frohlockt an einem Festtag (3,17)." (S. 151)

Montag, 7. September 2009

Geistliche Übungen (9): Glauben - die eigene Mitte in Christus finden

Die Besinnung auf das Zentrum des christlichen Glaubens hilft mir immer wieder, meine Mitte zu finden, "Christus in mir", was zugleich bedeutet, dass ich "in Christus" bin, also meine Identität also auf etwas außerhalb von mir gründe (Theologen haben für diese besondere Identität die schön klingende Formulierung "ekzentrische Existenz" gefunden)

Das „Herz“ des Menschen kann als Existenz-Zentrum verstanden werden, in dem unser Wissen, Wollen und Gefühl zusammentreffen und gemeinsam eine Grundeinstellung zur Wirklichkeit bilden.
Dieses Innerste kann nun auch als „Leerstelle“ begriffen werden, die mit unterschiedlichen existentiellen „Symbolen“ gefüllt werden muss. Ein Liebespartner kann es z. B. sein: „Du allein bist in meinem Herzen, ich allein bin in deinem Herzen.“ Oder ganz im Gegenteil spiegelt sich das eigene Ich im Herzen; Psychoanalytiker sprechen dann von einer narzisstischen Ich-Zentrierung. Zur Erfahrung heutiger Menschen, Christen eingeschlossen, gehört oft die Frustration, gar keine innere Mitte finden zu können, sondern von einer existentiellen „Leere“ bedroht zu sein. Jochen Distelmeyer z.B. dichtet: „… Du schließt Deine Augen/um Dich zu beschützen/ Dir schwinden die Sinne/ ein Zerfall, kein Verschwinden/ Du stürzt und versteinerst/ und sinkst ohne Frage/ durch schlaflose Nächte/ in grundlose Tage/ … Du bist nur die Abschrift/ dessen was man dir vorschreibt/ ein Nichts ohne outfit/ sobald du es abstreifst/ zum Schweigen gebracht …“ (aus dem Gedicht „Eines Tages“, zu finden auf der CD „Old Nobody“ der Musikgruppe "Blumfeld", 1999). Der Logotherapeut Victor Frankl spricht in seinen Veröffentlichungen von „existentieller Frustration“, „abgründigem Sinnlosigkeitsgefühl“, „Leeregefühl“, „existentiellem Vakuum“, „dem Gefühl einer inneren Leere“.

Wenn ich dem Evangelium begegne, wenn ich es höre oder lese (in der Bibel oder bei Autoren, die es erläutern), dann weckt es einen Glauben in mir, der mich ganz auf Gott, auf Gott in Christus, ausrichtet. Mein Herz füllt sich im Glauben mit Gott selbst (mit seinem Geist), aber so, dass ich über mich selbst hinausblicke auf Gott, mich durch den Glauben "in Christus" weiß. In dieser Hinwendung zu Gott werde ich in einer ganz besonderen Weise "frei". Es geschieht eine heilsame Selbstdistanzierung. An die Stelle eigenmächtigen Hochmutes oder entmutigter Verzweiflung tritt der Glaube, tritt Jesus Christus selbst. Er wird meine innere Mitte, füllt mein Herz, schenkt mir eine "ekzentrische Existenz" (ich liebe diese Formulierung!).

Sonntag, 6. September 2009

Lesenswerte Artikel

Mit Hilfe der Website "Perlentaucher" kann man sich täglich einen Überblick über die Artikel verschaffen, die auf den Kulturseiten der überregionalen Tageszeitungen erscheinen. Dabei habe ich schon viele wertvolle Texte - auch für meinen Unterricht - gefunden.
Heute sind mir zwei Artikel aufgefallen. Ein Text des Soziologen Ulrich Beck in der FR, der auf die erschreckende Diskrepanz zwischen Arm und Reich in unserer Weltgesellschaft aufmerksam macht und dies als eine Ungerechtigkeit bewusst macht, ja als Unrecht, das noch viel zu sehr einfach hingenommen wird.
Vor einigen Wochen ist der polnische Philosoph Leszek Kolakowski gestorben. In der "Welt" ist eines der letzten Interviews mit ihm abgedruckt. Kolakowski hat, zunächst Kommunist, bald entdeckt, dass nur ein deutlicher Gottesbezug nicht nur den Einzelnen sondern auch Gesellschaften "retten" kann. Der Glaube schenkt ein Bewusstsein der eigenen Begrenzheit. Er relativiert innerweltliche Heilshoffnungen, z.B. das Setzen ganz auf die Vernunft, auf den Fortschritt, auf Technologie, oder ganz auf Reichtum. "Die Religion entstammt einer anderen Dimension, die uns befähigt, Scheitern, Leiden und Tod zu verkraften." Kolakowski war kein Theologe, aber ein christlicher Philosoph, der unzählige anregende Gedanken hinterlassen hat.

Samstag, 5. September 2009

Wie schön leuchtet der Morgenstern

Mir geht es in der Regel so, dass mich die älteren Choräle in kirchlichen Liederbüchern emotional nur selten ansprechen. Heute war das anders. Der Liedtext des Liedes "Wie schön leuchtet der Morgenstern" von Philipp Nicolai, den ich zu meiner Predigt zum Thema "Gold" ausgewählt hatte, hat mich beim Singen richtig berührt und bewegt. Und so geht es mir jetzt wieder, wenn ich den nicht modernisierten Originaltext lese (bei wikipedia zu finden). Nicolai, 1556 geboren, studierte Theologie in Erfurt und Wittenberg, also an damals bedeutenden evangelischen Studienorten, und wirkte dann als Pfarrer in Hagen, Wildungen und schließlich an der Katharinenkirche in Hamburg. Er war überzeugter Lutheraner.
Das Lied, 1599 komponiert, basiert auf Psalm 45 (ein Hochzeitslied des Königs: die Braut mit ihren wunderschönen Kleidern wird gepriesen); das Bild des Morgensterns stammt aus Offenbarung 22,16. Im Lied wird der an Christus oder die an Christus Glaubende zur Braut Christi, das wahren Königs. Die Sprache ist freundschaftlich-vertraut, sie entspricht der leichten Stimmung bei einer Hochzeit. Ich finde die Heilsgewißheit und Heilsfreude in diesem Lied in ganz außergewöhnlicher Weise zur Sprache gebracht. Was für ein genialer, gewagter, freimütig-fröhlicher Songtext, gleichzeitig voller Staunen, ganz aus der Parrhesia (Freiheit) der Gewißheit, in ihm das ewige Leben zu haben (1. Johannes 5,13), geschrieben. Reine Mystik des Evangeliums.

1. Wie schön leuchtet der Morgenstern
Voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn,
Die süße Wurzel Jesse!
Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm,
Mein König und mein Bräutigam,
Hast mir mein Herz besessen,
Lieblich, freundlich,
Schön und herrlich, groß und ehrlich,
Reich von Gaben,
Hoch und sehr prächtig erhaben!

2. Ei meine Perl’, du werte Kron,
Wahr’ Gottes und Mariens Sohn,
Ein hochgeborner König!
Mein Herz heißt dich ein Himmelsblum;
Dein süßes Evangelium
Ist lauter Milch und Honig.
Ei mein Blümlein,
Hosianna! Himmlisch Manna,
Das wir essen,
Deiner kann ich nicht vergessen!

3. Geuß (Gieß) sehr tief in das Herz hinein,
Du leuchtend Kleinod, edler Stein,
Mit deiner Liebe Flamme,
Daß ich, o Herr, ein Gliedmaß bleib
An deinem auserwählten Leib,
Ein Zweig an deinem Stamme.
Nach dir wallt mir,
Mei Gemüte,
Ewig Güte, bis es findet
Dich, des Liebe mich entzündet.

4. Von Gott kommt mir ein Freudenschein,
Wenn du mich mit den Augen dein
Gar freundlich tust anblicken.
O Herr Jesu, mein trautes Gut,
Dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut
Mich innerlich erquicken.
Nimm mich freundlich
In dein Arme, Herr erbarme
Dich in Gnaden;
Auf dein Wort komm ich geladen.

5. Herr Gott Vater, mein starker Held,
Du hast mich ewig vor der Welt
In deinem Sohn geliebet.
Dein Sohn hat mich ihm selbst vertraut,
Er ist mein Schatz, ich seine Braut,
Drum mich auch nichts betrübet.
Eia, eia,
Himmlisch Leben wird er geben
Mir dort oben!
Ewig soll mein Herz ihn loben.

6. Zwingt die Saiten in Cythara
Und laßt die süße Musika
Ganz freudenreich erschallen,
Daß ich möge mit Jesulein,
Dem wunderschönen Bräut'gam mein,
In steter Liebe wallen!
Singet, springet,
Jubilieret, triumphieret,
Dankt dem Herren!
Groß ist der König der Ehren!

7. Wie bin ich doch so herzlich froh,
Daß mein Schatz ist das A und O.
Der Anfang und das Ende!
Er wird mich doch zu seinem Preis
Aufnehmen in das Paradeis;
Des klopf' ich in die Hände.
Amen! Amen!
Komm, du schöne Freudenkrone,
Bleib nicht lange,
Deiner wart' ich mit Verlangen!

Freitag, 4. September 2009

Der wahre Goldrausch - mit der Weisheit Gottes verbunden sein

Gold wird fast nicht verbraucht, die Goldmenge bleibt stabil oder vermehrt sich: Zur Zeit werden jährlich etwas 2700 Tonnen Gold gefördert. Der weltweite Bestand (Dezember 2005) von 153.000 Tonnen entspricht einem Würfel mit fast 20 m Kantenlänge oder fast 8000 Kubikmetern reinem Gold (rd. 25,5 g pro Kopf der Weltbevölkerung). Gold kann nicht nachträglich auf unserer Erde entstehen, es ist ein Überbleibsel von atomaren Kernverschmelzungsprozessen, wenn Sonnen explodieren (Supernovae). Nur bei einem solchen solaren „Supergau“ können so schwere Elemente entstehen (Gold ist eines der schwersten natürlichen Elemente).
Das gelbschimmernde Gold glänzt, es besitzt einen unvergänglichen Glanz, es glänzt auf „Ewigkeit“. Es kann ganz dünn gehämmert werden und so als Überzug zur Vergoldung genutzt werden. Der dem Gold innewohnende Glanz hat etwas Faszinierendes, Schönes.


http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lorbeerkranz_Zypern_rem.jpg

In der Bibel finden sich viele Texte, die das materielle Gold sehr positiv "bewerten" (als Ausdruck von Reichtum, als Mittel, den Tempel auszuschmücken).
In der altisraelistischen, frühjüdischen Weisheit setzt sich ein Trend durch, die Weisheit mit dem Gold zu vergleichen und diesem gegenüber deutlich aufzuwerten. In den folgenden Texten wird deutlich, dass die Weisheit und die von ihr verliehenen Tugenden in Beziehung zu Gott und zu anderen Menschen einen weitaus höheren Wert als Gold besitzen.

Sprüche 3,14
Weisheit besitzen ist besser als Silber, wertvoller als das reinste Gold.

Sprüche 8,19
Was ihr von mir bekommt,
ist besser als das feinste Gold,
wertvoller als das reinste Silber.

Sprüche 16,16
Weisheit und Einsicht zu erlangen ist unendlich viel wertvoller als Silber und Gold

Weisheit Salmomos 7,9
Der kostbarste Edelstein erschien mir wertlos neben ihr, der Weisheit; Gold kam mir ihr gegenüber vor wie gewöhnlicher Sand und Silber wie Straßenstaub.

Sprüche 22,1
Ein guter Ruf ist besser als großer Reichtum; Liebenswürdigkeit hilft weiter als Silber und Gold.

Jesus Sirach 30,15
Ein gesunder Körper ist besser als Gold und ein fröhlicher Sinn besser als Perlen.

Hiob 22, 24-26
Nimm auch dein ganzes Gold und wirf es weg;
lass es im Flussbett bei den Steinen liegen.
Gott, der Gewaltige, ist selbst dein Gold,
anstatt der Silberhaufen hast du ihn!
Dein Gott ist dann die Quelle deiner Freude
und voll Vertrauen blickst du zu ihm auf.

Donnerstag, 3. September 2009

Geistliche Übungen (8): Herzensgebet

Einatmen und innerlich dabei "Jesus Christus" sprechen.
Ausatmen und innerlich dabei "erbarme dich meiner" sprechen.

Einatmen kann symbolisch bedeuten: auftanken, Kraft bekommen, Stärke erfahren - durch Jesus Christus, das wahre Leben in mir, meine, deine tiefste Identität, Mitte des Herzens. Menschen und Dinge möglicherweise intensiver erleben, näher, befreiter, im Geist Christi.

Ausatmen kann bedeuten: loslassen, seufzen ("Ach"), weggeben.
Wer "erbarme dich meiner" spricht und sich dabei in Gefühlszuständen der Stärke, der Freude, des Glücks, des Stolzes, befindet, dann kann er oder sie sich davor schützen, sein oder ihr Ich zu sehr aufzublähen, dann kann er oder sie zu sich selbst befreiende Distanz gewinnen.
Wer "erbarme dich meiner" in Schwachheit, Traurigkeit, Mutlosigkeit oder Angst spricht, erbittet die stärkende Nähe Gottes und kann so ebenfalls befreiende Distanz zur entmutigenden Situation gewinnen.

Eine Übung, die zu mehr befreiter Nähe und zugleich zu mehr befreiender Distanz führt?

Mittwoch, 2. September 2009

Erzähl mir von deinem Gott

Folgendes Zitat entspricht ganz meiner Vorstellung, dass religiöse Menschen Zeugen ihrer Gotteserfahrung und Gotteserkenntnis sein sollen, nicht mehr und nicht weniger:

Nicht "Mein Gott ist besser als dein Gott" soll es heißen,
sondern "Erzähl mir von deinem Gott, dann erzähl ich dir von meinem."

(Hugo Loetscher, 1929-2009, Schweizer Schriftsteller)

Quelle: Die Zeit, 27. August 2009, S. 48

Dienstag, 1. September 2009

Armut und Reichtum in Deutschland

Gabriele Goettle schreibt regelmäßig eine längere Reportage in der taz (taz anklicken, um zum Artikel weitergeleitet zu werden), fast immer sehr lesenswert. Kürzlich hat sie die Teltower Tafel besucht - es ist, wie sie es selbst sagt, "ein Blick ins Abseits der Armut", der uns so oft fehlt, wenn wir zu den durch Beruf und solides Einkommen gut Integrierten gehören.
Wie sich hingegen die Elite in Bildungsfragen selbst versorgt dokumentiert ein Artikel im Spiegel zu einer neu eröffneten Privatschule im Rhein-Main-Gebiet.