Montag, 26. April 2010

Was ist eine gute Religion (4) - der Gott des Friedens

Gute Religion spricht vom Frieden Gottes – die ambivalenten Seiten der Götter und des einen Gottes sind eindeutig geworden. Gott zeigte seinem Volk Israel im Alten Testament zwei Seiten: auf der einen Seite Liebe und Treue, auf der anderen Seite aber auch seinen Zorn, seine Strafgerichte, seine Enttäuschung über das Böse und Ungerechte, was trotz Bundesschluß geschah. Und es ist nicht immer ganz klar, welche Seite in Gott stärker ist. Letztlich ringt sich aber die Treue Gottes durch, sie ist stärker als der Zorn. Gott bleibt seinem Volk treu und will es zum Frieden führen.
Der christliche Glaube erzählt, dass sich Gott in der Menschwerdung des Sohnes, in dessen Hingabe, nicht nur seinem Volk, sondern allen Völkern, allen Menschen, versöhnend und friedvoll zugewendet hat. Das ist die große Gabe Gottes an uns. Seine Liebe ist auch für Nichtjuden stärker als sein Zorn. Er will ein Gott sein, der allen Menschen Frieden schenkt. Nicht der Zorn ist die Regel und die Liebe die Ausnahme, sondern umgekehrt. Gott hat sich auf seine Liebe festgelegt, der Zorn ist zu seinem Spielbein geworden. (Eine gute Religion ist aber keine „flache Religion“ mit einem rein gütigen Schöpfergott, der keinem etwas zu leide will).
Im Glauben binden sich Christen an die Jesus-Christus-Geschichte. Sich vertrauensvoll Jesus anzuvertrauen, Teil seiner Geschichte zu werden, ist auch Teil der Guten Religion. Sie bringt uns Gott ganz nah, verbindet uns mit dem Gott des Friedens (2 Kor 5,14-21, Röm 5,1, Epheser 2,14-20): „Der Gott des Friedens sei mit euch allen.“ (Röm 15,33; vgl. auch 2 Kor 13,11; Phil 4,9; 1 Thess 5,23).
Der Frieden Gottes macht Christen zu Friedensstiftern (Röm 12,18; 1 Thess 5,13).

Dienstag, 20. April 2010

Was ist eine gute Religion (3)

Schüleraussage (aus dem heutigen Unterricht): „Es gibt keine „gute Religion“, jeder hat etwas an einer anderen Religion auszusetzen.“ Aus dem Blick der einen Religion sind die anderen weniger gut oder gar schlecht. Summiert man das, bleibt an allen etwas hängen. Keine ist ausgenommen. Der Beobachter stellt fest: Reklamation! Makel allerorts!
Versuchen wir es anders: Ist der Monotheismus im Gegenüber zum Polytheismus eine gute Religion? Das Christentum im Gegenüber zum Judentum und zum Islam? Der Protestantismus im Gegenüber zu Orthodoxen und katholischen Kirchen? Die Freikirchen im Gegenüber zu den Volkskirchen? Meine Freikirche gegenüber anderen Freikirchen? Mein Verständnis des Glaubens gegenüber dem aller anderen, die es nicht ganz so gut wie ich verstanden haben? Aber wie kann eine Religion gut sein, die allein die meine ist und allein in meinen Augen gut ist? Da ist kein zweiter, der so glaubt wie ich!
Und genau das ist der Schlüssel!
Ja, eine Religion ist gut, wenn sie die Möglichkeit gibt, einen individuellen Zugang zu Glauben zu gewähren, zu erlauben, zu ermöglichen, zu fördern.
Eine Religion ist gut, die anerkennt, dass diese Möglichkeit nur in der modernen funktional differenzierten Gesellschaft offen steht. Die Grundrechte, die Menschenrechte geben mir den Raum, meine individuelle Religiosität oder Nichtreligiosität zu leben und zu pflegen. Wir sind allesamt Patchwork-Fromme. Jeder von uns könnte eine neue Kirche mit seinen Idealen von einer „guten Religion“ gründen.
Eine Religion, d.h. eine religiöse Organisation oder Kultur ist gut, wenn sie dies erkennt und innere Freiräume gewährt, wenn sie ins interkonfessionelle und interreligiöse Gespräch eintritt und sich lernfähig zeigt.
Eine Religion ist gut, wenn sie zwischen Staat und Religion differenzieren kann, weder religiöse Politik, noch politische Religion fördert.
Eine Religion ist gut, wenn sie Meinungsfreiheit gewährt, wenn sie zwischen Religion und Wissenschaft differenzieren kann, weder religiöse Wissenschaft noch Wissenschaftsreligion fördert.
Gute Religion ist reflexiv, differenziert, selbstkritisch. Sie sitzt nicht Verschwörungstheorien auf, sondern hilft, sie zu durchschauen.
Sie sagt nicht:
"Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein." sondern: "Und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag mir doch den Schädel ein".
Gute Religion ist pazifistisch (nicht unbedingt gute Politik!), gewaltfrei, schwach und arm. Sie hält nichts in den Händen. Sondern sie weiß sich gehalten. Ihr einiger Schatz ist, dass sie Räume, Zeiten, Liturgien, Personen, Texte, Worte bereit hält, die offen sind hin zum dem, was wir Modernen Transzendenz nennen, große Transzendenz, Öffnung hin zu dem, was die ganze Wirklichkeit trägt.
Monotheisten sagen: Gott spricht! Christen sagen: Gott spricht durch die Bibel, das Evangelium! Protestanten sagen: Gott spricht zu!

Samstag, 17. April 2010

Was ist eine gute Religion? (2)

Spontane Antworten von Personen, die ich befragt habe:

„Gute Religion
ist Religion, die gut tut!“
ist Religion, die mich glücklich macht.“
ist Religion, die lebensfördernd ist.“
hat eine geringe Machtdistanz zwischen Gott und Mensch.“


Merkmale guter Religion:

Triaden

Schön – wahr - gut
Schöpfung – Evangelium - Gericht
Liebe – Glaube - Hoffnung
Freude – Freiheit - Frieden

Gute Religion ist reflexiv und selbstkritisch und damit frei von Fundamentalismus.
Sie hat die Trennung von Staat und Kirche verinnerlicht (gegenseitige Selbstbegrenzung von Politik und Religion – keine politische Religion und keine religiöse Politik).

Montag, 12. April 2010

Einige vom Evangelium inspirierte Weisheiten bei Paulus in den Korintherbriefen

„In den Frieden hinein hat euch Gott berufen“ (1 Kor 7,15)

„Zu einem hohen Preis seid ihr (von Gott) freigekauft worden: Werdet nicht Knechte von Menschen.“ (1 Kor 7,22)

„Ich möchte, dass ihr ohne Sorge seid.“ (1 Kor 7,32)

„Die Erkenntnis bläht auf, aber die Liebe baut auf“ (1 Kor 8,1)

„Macht wird in Schwachheit vollendet“ (2 Kor 12,9)

„Es sollen nicht die Kinder den Eltern Schätze sammeln, sondern die Eltern den Kindern“ (2 Kor 12,14)

„Ich suche nicht das Eure, sondern euch“ (2 Kor 12,14)

„Schaut auf das, was vor Augen liegt“ (2 Kor 10,7)

„Wer ist schwach, und ich werde nicht schwach?“ (2 Kor 11,29)

„Der Herr ist der Geist, wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2 Kor 3,17)

„Wenn auch unserer äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert“ (2 Kor 4,16)

„Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten; wer reichlich sät, wird reichlich ernten“ (2 Kor 8,6)

Freitag, 9. April 2010

Malcolm McLaren gestorben

Was hat Malcolm McLaren, der englische Künstler, Manager und Musiker, der vor allem Punk und Postpunk geprägt und beeinflusst hat, und gestern im Alter von 64 Jahre leider verstorben ist, hier zu suchen? Ganz einfach! Er hat einige der fröhlichsten, lebensbejahenden Songs veröffentlicht, die ich kenne. Sie finden sich auf dem Jahrzehnt-Album "Duck Rock", das 1983 von Trevor Horn produziert und mitkomponiert wurde (er ist Produzent meiner Lieblingsplatte ABC: Lexicon of Love, 1982). Hier als Video "Double Dutch":

Was ändert sich?



"Sag mir nicht, was du glaubst! Sag mir, was sich ändert, wenn du es glaubst!"

(Bertold Brecht zugeschrieben)

Mittwoch, 7. April 2010

Wunderschöne Musik

Ich weiß nicht, ob es ein Trend ist, aber zur Zeit erscheinen mehrere Alben, die man mit dem Label "Orchesterpop" bezeichnen könnte. Voluminöse, vor allem mit Streichern und Orchester eingespielte cinemacsopebreite und -weite Popsongs, die in Melodien, Rhythmen und Erhabenheit schwelgen. Überschwengliche Musik wie die Gnade Gottes, die überfließt, überreich ist (Röm 5,15-18).
Ich nenne drei Titel, die mich zur Zeit begeistern

Jonsi: Go (träumerisch, verzaubernd, far out, "himmlisch"- Jonsi ist Leadsänger der Gruppe Sigur Ros aus Island, madrigalartiger Gesang)
Fanfarlo: Reservoir (am leidenschaftlichsten, erinnert u.a. an Arcade Fire und My Life Story)
The Irrepressibles: Mirror, Mirror (am kunstvollsten, kein Schlagzeug, aber Streicher, die es mit ihrer Wuchtigkeit voll ersetzen, Sänger ist klassisch ausgebildet)

Nachtrag am 13.4.:
Emanuel and the Fear: Listen (mit rockigem Einschlag und Tupfern von Folk)

Sonntag, 4. April 2010

Was ist eine gute Religion?

Vor einiger Zeit hat die NZZ diese Frage einigen "Intellektuellen" gestellt. Die Text wurden 2006/2007 publiziert und sind immer noch als Dossier zugänglich. Sie sind äußerst anregend zu lesen und fordern dazu heraus zu fragen: Was ist für mich "gute Religion"?
Diese Frage soll die Leitfrage meiner Predigt bei der nächsten AWA-Tagung sein, bei der es um neue Religiosität in säkularer Gesellschaft geht.
Hier schon einmal ein Text, den ich vor einiger Zeit geschrieben habe und für den Blog leicht überarbeitet habe.

Gute Religion gibt die Möglichkeit, reflektiert an Gott zu glauben

Reflektierter Glauben kann den Glauben an Gott stärken und vertiefen. Dieser Glaubensstil nimmt in der Moderne einen Platz zwischen Relativismus und Fundamentalismus ein.

Die" postmoderne" relativistische Weltsicht als offensive Reaktion auf die Komplexität der modernen Gesellschaft ist vom Zweifel als Grundform geprägt. Weil es keine absolute Perspektive gibt, ist auch von keiner absoluten Wahrheit auszugehen. Typisch für diese Position ist der sogenannte „radikale Konstruktivismus“. Der Relativist distanziert sich vornehm von allen letztgültigen Aussagen, er möchte nicht als intoleranter Eiferer auftreten. Er ereifert sich höchstens für seinen Relativismus und verachtet – meist verdeckt – all diejenigen, die leidenschaftlich Position beziehen. Die Stärke seiner Position besteht darin, dass er wirklich zu verstehen versucht. Er beobachtet bei den meisten Menschen eine Neigung zur vorschnellen Bewertungslust, die meist von ungenauen Informationen und schlechtem Zuhören begleitet ist. Ganz anders der Relativist: Er kann zuhören und genau wahrnehmen. Als intensiver Beobachter, der sich platten Urteilen enthält, fällt es ihm eher schwer, vom Verstehen auf das Beurteilen umzuschalten. Es könnte ja sein, dass seine Beurteilung auf falschen Beobachtungen beruht. Er zieht eher seine Beobachtungen in Zweifel, als einen Sachverhalt, z.B. das Verhalten bestimmter Personengruppen, zu verurteilen. So enthält er sich meist moralischer Bewertungen. Aber er hält lieber Distanz, als sich zu engagieren, er hält lieber an seinen gut begründeten Vorbehalten gegenüber jeder zu festen Bindung fest – nicht zuletzt auch, wenn es um Religion geht. Der Relativist strukturiert sich seine Wirklichkeit eher wie eine Talkshow, er versteht sich als Moderator unterschiedlicher, sich widerstreitender Standpunkte, ohne selbst eine autoritäre Position z.B. durch Beurteilungen einzunehmen. Er ist glücklich dabei, dass jeder zur Sprache kommen darf und alles offen bleibt. Auch in sich läßt der Relativist fast alles zu, er wirkt auf andere nicht selten als jemand, der nicht zu greifen ist, keinen Standpunkt hat, mal so und mal so denkt oder handelt. Er fühlt sich wohl in diesem Pluralismus.

Ganz anders die fundamentalistische Weltsicht als Reaktion auf die Komplexität der Moderne, die von der Sicherheit als Grundform geprägt ist. Weil es eine absolute Perspektive gibt – die Offenbarung Gottes – ist auch von einer absoluten Wahrheit auszugehen, der Wahrheit der eigenen Überzeugung, die sich ja völlig an der Offenbarung orientiert. Zweifel an dieser sicheren Wahrheit werden als Sünde gedeutet. Die Reflexion der eigenen Position verbietet sich der Fundamentalist, nichts scheut er mehr als eine Relativierung, z.B. durch Ironie und Humor. Der Fundamentalist ist leidenschaftlich, er liebt es sogar, als intoleranter Eiferer aufzutreten, denn die Anfeindungen, die ihm als Folge entgegenschlagen, bestätigen ja nur, dass sich die Wahrheit unbeliebt macht. Er sieht sich dann in einer Reihe mit Propheten und Gotteszeugen, die für die Wahrheit ins Martyrium gegangen sind. Als kompromißloser Zeuge der Wahrheit liegt ihm nicht daran, andere Wahrheitsvertreter zu verstehen; er pflegt lieber stereotype, ja verschwörungstheoretische Urteile über Positionen, die aus seiner Sicht von der Wahrheit abirren und ein bedrohliches Potential besitzen sollen, vor dem nicht genug gewarnt werden kann. Denn die Verführungskünste des Teufels lauern überall, ja selbst unter den Wahr-heitsfreunden. Der ausgeschlossene Zweifel schleicht sich mit der letzten Überlegung in Selbstzweifeln wieder ein, nämlich in der Angst, vom rechten Weg abzuirren. Der Fundamentalist strukturiert sich seine Realität hierarchisch, also mit einer obersten monarchischen Spitze, der er – wie bei einer Pyramide – alles weitere in guter Ordnung unterordnet. Er plädiert für straffe Hierarchien in der Kirche (z.B. für das Papsttum) und versucht sie auch im Privaten durchzusetzen (z.B. hat der Vater der Vorsteher der Familie zu sein). In seinem Inneren soll alles in gleicher Weise geordnet sein. Die Glaubensinhalte stehen an oberster Stelle, also Gott und die wahre Gemeinde. Ihrem Dienst wird alles untergeordnet, die Leidenschaften und Triebe werden weiter unten angesiedelt und oft nur mit starkem Druck unter Kontrolle gehalten. Der Zweifel wird ganz ausgeschlossen, er vegetiert in den tiefen Verließen der inneren „Staatssicherheit“ als gefährlicher Feind vor sich hin.

Der reflektierende Glaube läßt sich in einigen Aspekten (nicht in allen!) mit dem Bild eines demokratischen Parlaments veranschaulichen. Im Parlament sind verschiedene Parteien vertreten, von denen eine oder mehrere als Mehrheit die Regierung bilden. Der Regierung steht die Opposition gegenüber, die immer wieder das Denken und Handeln der Regierung kritisch hinterfragt. Übertragen auf den reflektierenden Glauben heißt das: Die verschiedenen Parteien stehen für die Wahrnehmung und Akzeptanz von Pluralismus, die Regierung für das Interesse, einen klaren Standpunkt bei Berücksichtigung der Vielfalt zu vertreten. Die Regierung ist der Gottesglaube, vermittelt durch eine bestimmte Konfession. Die innere Mehrheit plädiert für diesen Glauben und setzt ihn gegen die innere Opposition durch. Die Minderheit, die Opposition, besteht aus den Überzeugungen anderer Konfessionen, anderer Religionen oder des Atheismus. Es gibt auch eine Partei des Zweifels, die im inneren Parlament akzeptiert und für wichtige kritische Einwände geschätzt wird. Die Regierung ist – wie in einer guten Demokratie – an einer starken Opposition interessiert, die herausfordert und hilft, den eigenen Standpunkt zu reflektieren und gute Anregungen auch aufzunehmen. Es handelt sich um eine dialogfähige Regierung. Unter die 5%-Klausel fallen in diesem Parlament aggressive Fundamentalismen (religiöse Gruppen mit völlig verdrehten Feindbildern und der Tendenz, physische Gewalt gegenüber Andersdenkenden auszuüben) als auch Relativisten, die sich nicht einmal mehr die Mühe machen, zu verstehen (Null-Bock-Mentalität).