Sonntag, 6. Dezember 2009

Beziehungsreichtum - Beziehungslosigkeit

Um wieder tiefer zu verstehen, wie der Tod Jesus am Kreuz zu verstehen ist, habe ich das Lexikon RGG (Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Auflage) zu Rate gezogen und einen sehr gehaltvollen Artikel von Eberhard Jüngel zum Stichwort "Rechtfertigung" gefunden. Daraus zwei Zitate, die man ruhig mehrmals lesen sollte, weil sie Vieles auf wenig Platz, typisch für Lexikonartikel, sagen möchten. Besonders gut gefallen hat mir die Verwendung der Worte "Beziehungsreichtum" und "Beziehungslosigkeit", weil sie so gut geeignet sind, das zu beschreiben, worum es bei Sünde und Heil geht, um ein Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch:

"Unter Gerechtigkeit ist diejenige Ordnung des Beziehungsreichtums des Lebens zu verstehen, durch die die grundlegenden Lebensverhältnisse (das Verhältnis des Menschen zu Gott, zu seiner sozialen und natürlichen Umwelt und zu sich selbst) so zu ihrem Recht kommen, daß sie sich gegenseitig begünstigen. Ungerechtigkeit tritt dann ein, wenn eines dieser fundamentalen Lebensverhältnisse sich auf Kosten anderer durchzusetzen versucht, beispielsweise dann, wenn das Selbstverhältnis des Menschen zu rücksichtsloser Selbstverwirklichung verkommt und Gottesverhältnis wie Weltverhältnis dieser rücksichtslosen Selbstverwirklichung dienstbar gemacht und instrumentalisiert werden...in der Welt ist nichts mehr um seiner selbst willen interessant. Interessant ist nur noch, was man damit oder daraus machen kann. An die Stelle von Beziehungsreichtum tritt wachsende Beziehungslosigkeit. Die Bibel nennt diesen Drang in die Beziehungslosigkeit Sünde. "

"Gottes den Gottlosen rechtfertigende Gerechtigkeit wird im Evangelium offenbar, das als Wort vom Kreuz (1Kor 1,18) den Tod Jesu Christi als dasjenige Heilsereignis proklamiert, in dem der Gott, der sich hingebende Liebe ist, die selbstverschuldete tödliche Beziehungslosigkeit des Sünders an unserer Stelle erlitten und kraft seiner schöpferischen Liebe mitten im Tode neue Beziehungen und neues Leben geschafffen hat.
Indem er, von seiner hingebungsvollen Liebe bewegt, den als 'der Sünde Sold' (Röm 6,23) in die Welt gekommenen (Röm 5,12), über den Sünder verhängten Fluchtod erleidet, wird die Sünde zum Vergehen verurteilt und zum Vergehen gebracht.
Indem er, von seiner schöpferischen Liebe bewegt, mitten im Tode den Beziehungsreichtum des göttlichen Lebens durchsetzt, entstehen im geschöpflichen Raum neue Beziehungen und Lebensverhältnisse, in die der gerechtfertigte Sünder einbezogen wird: der aus Glauben Gerechte wird leben (Röm 1,17), weil er mit Gott zusammenleben kann und wird. "

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