Freitag, 25. Dezember 2009

Weihnachten 1944 - Fluchterfahrungen eines Mädchens - Teil 2

Konnten Bedürfnisse, wie Nahrung und Kleidung zu dieser Zeit gestillt werden?„Die Bedürfnisse waren zu dieser Zeit ganz schlecht. Wir haben nichts bekommen, weder genug Nahrung für alle, noch warme Kleidung über den Winter. (...)“

Haben sie sich als kleines Kind nicht gefragt wieso Juden in KZs gebracht wurden?
„Alles was ich noch davon weiß, ist dass wir nicht darüber sprechen durften. Ich und mein kleinerer Bruder gingen damals noch nicht zur Schule (...) und niemand brachte uns somit bei, wieso das alles passierte, warum Krieg herrschte und was die Nationalsozialisten mit den Juden alles anstellten. (...) Ich denke mal die Leute waren damals so verängstigt, dass niemand sich traute nachzufragen oder darüber zu sprechen. Nicht einmal mein Onkel, der ein großer Nazi war, klärte uns damals auf. Er redete, so weit ich mich erinnern kann, kaum über dieses Thema. (...)“

War der Ort Mauthausen in Österreich, in dem sie lebten stark vom Krieg beschädigt?
„Nein gar nicht. Nur unser Haus, unter dem KZ, in dem wir lebten, war sehr alt und fast schon baufällig. Wir mussten immer aufpassen, dass wir uns beim Spielen nicht weh taten. (...)“

Wohin sind sie und ihre Familie von Mauthausen aus, nachdem sie dort ein halbes Jahr gelebt hatten?
„(...) Als wir Mauthausen verließen war es Winter. Es war kurz nach Weihnachten und überall lag noch Schnee. (...)
Über die Tschechei kamen wir als erstes nach Dresden. Das war noch vor dem Angriff auf Dresden. Dort lebte mein Onkel, der ein großer Nazi war. Wir lebten dort ein paar Wochen in seinem riesigen Haus. (...)
Von Dresden sind wir weitergezogen nach Mecklenburg. Ein paar Tage nach unserem Aufbruch hörten wir von der Bombardierung auf Dresden. (...)
Von Mecklenburg mussten wir jedoch wieder flüchten, weil die Russen kamen. (...) Kurz darauf hörten wir, dass wir wieder nach Jugoslawien in unser Heimatdorf Neusiwatz zurück könnten. Also zogen wir weiter bis an die ungarische Grenze. Kurz darauf brach zu dieser Zeit Typhus aus. Meine Mutter und mein Bruder erkrankten beide daran. Meine Mutter starb aufgrund der Folgen des Kopftyphus und mein Bruder, der Bauchtyphus hatte, überlebte schwer. (...) Das ist das Schlimmste was ich aus dieser Zeit berichten kann. Als kleines Kind seine Mutter zu verlieren, ist so schrecklich und furchtbar. (...) Kurz nachdem das passierte, starb noch meine Oma, weil sie die ganzen Strapazen und Geschehnisse nicht verarbeiten konnte. (...) An der ungarischen Grenze wurden wir jedoch nicht weiter gelassen und mussten umkehren. Die Jugoslawen hatten unser Heimatdorf vollständig besetzt. (...)
Mit den Viehwägen sind wir dann von Kaisersteinbruch in Österreich zurück nach Deutschland (...) und ich weiß noch, dass meine Mutter damals im Stroh auf diesem Viehwagen mit einer Decke zugedeckt lag. Ihre Lippen und Fingernägel waren ganz blau angelaufen. (...)
Unterwegs bekamen alle nur trockenes Brot zum Essen (...) und wenn der Zug anhielt, rannten alle Leute auf die Toiletten.
Meine Tante und mein Onkel passten nachdem meine Mutter starb auf mich und meinen kleineren Bruder auf. (...)“

Was war der nächste Halt auf ihrer Flucht?
„Von Kaisersteinbruch ging es dann also wieder zurück nach Deutschland. Da mein größerer Bruder in Darmstadt studierte und in Pfungstadt lebte, beschloss meine Tante und mein Onkel dort zu gehen und uns eine Unterkunft zu suchen. (...)
Hätten wir nicht mit den Nationalsozialisten von Jugoslawien nach Mecklenburg gemusst, wären wir sofort zu meinem Bruder nach Pfungstadt. Da ich aber noch so klein war, weiß ich heute auch nur noch das Grobe. (...)
In Pfungstadt kamen wir im Jahr 1947 an, (...) waren also gute 2 Jahre auf der Flucht. Dort kam dann auch mein Vater von Finnland zurück und sorgte für uns, da meine Mutter verstorben war.
Ab da begann unser richtiges Leben. (...)“

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