Sonntag, 21. Februar 2010

Religionen im Vergleich

Liegt allen Religionen etwas Gemeinsames zugrunde? Mit einer Kollegin habe ich mich heute darüber ausgetauscht. Ja, denn alle Religionen bezeugen gegenüber materialistischen, naturalistischen, atheistischen Positionen, dass die Welt ohne Transzendenz nicht in ihrer Tiefe verstanden werden kann. Auch die Transzendenzerfahrung selbst, die Gnade, etwas vom Göttlichen zu spüren, zu Liebe und Kreativität hin verwandelt zu werden, ist vielen Religionen gemeinsam. Ich neige dennoch dazu, eher die Differenzen zu sehen. Ich nehme als Beispiel den Vergleich zwischen Buddhismus und Christentum.

Faszinierend sind aus der Ferne beide: der buddhistische und der christliche Weg zur spirituellen Erleuchtung. Sie sind beide außergewöhnlich in der Tiefgründigkeit ihrer Realitätsanalyse und in ihren Visionen, wie der Weg zur Erlösung gefunden werden kann. Gemeinsam ist ihnen die Suche nach Erlösung und Befreiung. Gemeinsam ist ihnen die negative Einschätzung von Leiden und Gier. Gemeinsam ist ihnen die Idee, dass erleuchtete Menschen sich selbst zurücknehmen können, indem sie sich von ihrem Ego distanzieren können. Gemeinsam ist ihnen die Orientierung an einer zentralen Gründergestalt (Buddha, Jesus), die in einzigartiger Weise das Ideal gelebt hat. Gemeinsam ist ihnen ein Ethos der Rücksichtnahme, der Liebe und des Mitgefühls. Beide Wege haben sich in kritischer Auseinandersetzung mit einer ihr vorausgehenden Religion entwickelt (Hinduismus, Judentum) und bleiben dieser in vieler Hinsicht weiterhin verpflichtet (z.B. Karmakreislauf, Schöpfungsglaube). Beide sind ausgeprägt missionarische Religionen, die ihren Weg nicht im Verborgenen halten.

Bei näherem Hinsehen fallen dann doch markante Unterschiede auf. Es ist auf einige wichtige Differenzen aufmerksam zu machen. Buddha ist das Urbild des Erleuchteten, der unter dem Bodhibaum die „Leere“, aber nicht Gott entdeckt; Jesus ist Urbild des Gottvertrauens und mehr noch, Gott für uns, der den Menschen nahe ist und sein Schicksal mit dem der Menschen verbindet. Buddha ist das große Vorbild für den, der den Weg zur Erleuchtung geht; Jesus ist der Weg selbst, weil er das getan hat, was der Gläubige gerade nicht kann, nämlich den Tod überwinden und neues Leben schenken. Dem Buddhisten ist sein Ego nicht wichtig, weil er keiner Illusion nachlaufen will; der Christ tritt aus seinem Ego heraus, weil er sich selbst in Gott findet und in dieser Hingabe an Gott eine unangemessene Ichbezogenheit hinter sich läßt. Buddhisten suchen die große unaussprechliche Ruhe und Gelassenheit; Christen suchen den Frieden, die Freude und die Freiheit von religiösen Zwängen. Buddhisten nehmen ihre Zuflucht zur Gemeinschaft der Meditierenden, um sich gegenseitig auf dem Weg zur Erleuchtung beizustehen; Christen finden sich zu Gemeinden zusammen, weil sie so dem gemeinschaftlichen Gott entsprechen und als Leib Christi eine Gemeinschaft gegenseitiger Wertschätzung zu bilden versuchen, in der es keine Über- oder Unterordnungen geben soll. Buddhisten gehen einen konzentrierten, aber auch strengen Weg zur Erleuchtung in großer Gelassenheit; Christen wissen sich „in Christus“ am Ziel angekommen und wirken, von Heilsunsicherheit entlastet, aktiv und befreit in der Welt, um Recht und Barmherzigkeit zu mehren. Buddhisten suchen die illusionäre Welt des Samsara durch die Erleuchtung zu überwinden (Theravada-Buddismus) oder ganz anders wahrzunehmen (Mahayana-Buddhismus); Christen leben in einer Welt, die sie als von Sünde und Tod beeinträchtigte Schöpfung Gottes erleben, die aber durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi auf dem Weg zur endgültigen Erneuerung und Vollendung ist.

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