Mittwoch, 9. September 2009

Geistliche Übungen (11): Das erfahrungsbezogene Gespräch über einen Bibeltext


Es kann eine tiefe spirituelle Erfahrung sein, sich mit einer Gruppe von Menschen über einen Bibeltext oder ein theologisches Thema auszutauschen. Eine Frage oder eine These wird vom Gesprächsleiter in den Raum gestellt. Die Teilnehmer beginnen nachzudenken und sich mitzuteilen. Die ersten Beiträge lösen weitere Einfälle aus. Äußerungen werden aufgegriffen, variiert, ergänzt, bezweifelt oder bestätigt. So entsteht eine besondere Kreativität. Wenn eine Vielzahl von Teilnehmern sich mitteilt, dann begegnen sich ganz individuelle religiöse Perspektiven, Lebenserfahrungen und Erkenntnisstände. Diese Vielfalt wird dann als Geschenk des Geistes Gottes erlebt, wenn der Austausch in einer offenen und annehmenden Atmosphäre stattfindet. Beiträge werden dann nicht abgewertet, sondern stehen gelassen. Vielleicht wird auch nachgefragt, und es kommt zu einer tiefen Verständigung und gegenseitigen Annahme. Sorgen, die ein Teilnehmer mit sich herumträgt, können ernst genommen werden. Unkonventionelle, vielleicht auch wagemutige theologische Gedanken werden mit Interesse und Wohlwollen aufgenommen.
Christen treffen sich gerne in kleinen Gruppen zu Hause, um dies zu erleben („Hauskreise“). Manche Freikirchen haben diese geistliche Übung sogar in den Gottesdienst integriert ("Bibelschule"). Sie entspricht in besonderer Weise dem Evangelium, weil das Evangelium davon lebt, dass es als Zuspruch und Ermunterung untereinander ausgetauscht wird. Das Gespräch ist auch partnerschaftlicher als eine Ansprache und spiegelt so den familiären und freundschaftlichen Charakter christlichen Glaubens wider. Was wären wir ohne die Erkenntnisse der anderen. Wir brauchen das Gespräch, um unsere eigenen Wahrnehmungen zu relativieren. Wir erfahren Wahrheit als Begegnung.

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