Sonntag, 9. August 2009

Jakobusbrief (3): Anlaß des Briefes

Ein offensichtlicher Anlass für die Abfassung des Briefes lässt sich nicht erkennen. Die Adressaten sind „die zwölf Stämme in der Diaspora“ – der Absender „Jakobus“ schreibt die Christusgläubigen als Angehörige des Volkes Israel an. Vom Zentrum Jerusalem aus richtet er seine Botschaft an alle in der weltweiten Peripherie, fern von der Heimat. Von dieser Adressatenangabe her ist davon auszugehen, dass die Inhalte des Briefes grundsätzlicher und allgemeiner Art sein wollen, die überall Sinn machen oder notwendig sind. Den Verfasser bewegen mehrere Themen, die von allen gehört werden müssen, damit sie nicht von der Wahrheit abirren. Irrwege möchte er aufdecken und an die Wahrheit erinnern: „Liebe Brüder, wenn einer bei euch von der Wahrheit abirrt und jemand ihn zur Umkehr bewegt, dann sollt ihr wissen: Wer einen Sünder, der auf Irrwegen ist, zur Umkehr bewegt, der rettet ihn vor dem Tod und deckt viele Sünden zu.“ Diese beiden Schlussverse (5,19-20) drücken eine grundsätzliche Motivation aus, die sicherlich auch den Autor bewegt hat.
In der Reihefolge ihres Erscheinens im Brief bewegen Jakobus folgende Themen und Probleme:
- „Versuchungen“ und ihre Deutung
- der Umgang mit der Differenz von Arm und Reich
- das Kommunikationsverhalten bei der Interaktion unter Anwesenden
- die Beziehung zwischen Hören und Tun, Glauben und Werken
- Reden und Schweigen
- Statuskämpfe und Rivalitäten unter den Gläubigen
- das Selbstverständnis von Reichen
- rituelle Handlungen angesichts von Leiden
Es ist leicht zu erkennen, dass dies Themen sind, die an fast jedem Ort und zu fast jeder Zeit eine Rolle spielen, wenn sich längerfristig angelegte religiöse Gemeinschaften bilden und sich regelmäßig treffen. Die Kritik an schwätzenden Intellektuellen und arroganten Bessergestellten fällt besonders ins Auge. Der blinde Fleck beider privilegierten Gruppen scheint das Nichtsehen der Not der Armen zu sein: ein Phänomen, das sich auch heute noch gut bei diesen beiden Milieus beobachten lässt, vor allem, wenn man selbst dazu gehört.
Insgesamt geht es Jakobus um die Einübung einer inneren Haltung und einer dieser entsprechenden Lebensführung, die Ausdruck des Erfülltseins mit der „Weisheit von oben her“ ist. Durch diese wird man mit veränderter Selbsterkenntnis die oben genannten Themen und Probleme angehen. Dabei greift Jakobus, ohne genauer darüber Rechenschaft abzulegen, auf viele Jesusworte zurück, die man aber nur dann erkennt, wenn man bereits mit ihnen vertraut ist und dann auch die Anspielung versteht.

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