"Mein Eindruck ist, dass es sich nicht zuletzt auch an den prägenden Vorstellungen, wie Gott fühlt und handelt, entscheidet, ob man mit Religion im politischen Feld eher Gewaltanwendungen oder eher Friedenaktivitäten begründet.
Der Gott derjenigen, die politische Gewalt mit ihrem Glauben rechtfertigen, ist voller Zorn über Unrecht, das den Armen und den ihm Getreuen zugefügt wird. Er ist empört, wenn sein Name missbraucht wird, wenn Gegenstände, die auf ihn hinweisen, entweiht werden. Er erregt Fromme zum heiligen Zorn und zu Gewalt, damit sie sich in seinem Namen für den Kampf für das Gute gegen das Böse und die Gottlosigkeit einsetzen. Er hat ein Land oder Volk dazu erwählt, das Böse auf Erden zu bekämpfen, um Ziele wie Frieden oder Freiheit auch mit Waffengewalt durchzusetzen.
Der Gott derjenigen, die sich als Friedensstifter verstehen, lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte. Er ist langmütig. Seine treue Liebe ist stärker als sein Zorn. Seinen Zorn über die Sünde trägt er an sich selbst aus, und so offenbart er sich als der Versöhner, der aus Feinden Freunde gemacht hat. Er ist der Gott des Friedens. Jesus hat ihn als „Vater“ offenbart, als Abba, als lieben Vater, der seine Kinder dazu einlädt, sanftmütig zu sein und so barmherzig, wie er selbst barmherzig ist, bis hin zum Gebot: Liebe deine Feinde.
Beide Gottesvorstellungen lassen sich mit Aussagen aus heiligen Texten der Religionen belegen. So kommen Gläubige nicht umhin, zu gewichten und zu entscheiden, wo sich Gott in seinem Wort verlässlich als der offenbart, der er wirklich ist, und welche Konsequenzen dies für das Verhalten auf dem politischen Feld hat.
Wenn ich Muslim wäre, würde ich darauf setzen, was zu Beginn jeder Sure insgesamt 114 Mal im Koran steht: „Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen.“ Gott ist im Wesen der Barmherzige.
Als Christ, als Nachfolger Jesu, vertraue ich darauf, dass mir Jesus von Nazareth, der Christus, sichtbar macht, wer Gott von Herzen ist: der barmherzige Vater.