Dienstag, 16. März 2010

Der Glaube: freie Entscheidung oder Gabe Gottes? Eine Spurensuche in der Apostelgeschichte

Wenn ich Paulus lese, fällt mir auf, wie stark er den Glauben als Geschenk und Gabe Gottes ansieht. An keiner Stelle betont Paulus die Entscheidung der Gläubigen, sondern er führt ihren Glauben immer auf das Wirken Gottes zurück.
Das steht in Widerspruch zum Denken vieler Christen, die betonen, dass Glaube ein Akt der freien Entscheidung sei: Gott biete uns das Heil an, wir können es bejahen oder ablehnen. Der Glaube sei doch kein Zwang, sondern etwas Freiwilliges, ein freies Ja zum Liebesangebot Gottes. Auch sei mit der Glaubensentscheidung eine große, ja entscheidende Verantwortung verbunden: Ich bin für Heil oder Unheil selbst verantwortlich, nicht Gott.
Warum aber legt Paulus auf diese ernstzunehmenden Überlegungen so wenig wert? Offensichtlich sah er die Gefahr, dass der Glaube Anlass zum Rühmen wird und so zur Überheblichkeit führt, wenn Menschen sich für ihren Glauben selbst verantwortlich fühlen. Glaube aber ist immer Verweis auf Christus, nie auf mich selbst. Er löst mich von mir selbst. Außerdem wollte Paulus die Verantwortlichkeit Gottes für den Glauben hervorheben. Gottes Wirken, seine Heilsmacht möchte er loben, erzählen und im Erleben seiner Gemeinden verankern.
Vertritt der Paulus, den Lukas in der Apostelgeschichte lebendig werden lässt, die gleiche Sichtweise? Sieht Lukas es wie Paulus?
Von Lydia heißt es in Apg 16,14: „Der Herr öffnete ihr das Herz, so daß sie den Worten des Paulus aufmerksam lauschte.“ Gott also bewirkte ihren Glauben, den sie dann selbst gleich bekennt (V.15). Apg 14,1 führt den Glauben auf die Verkündigung zurück: „Es geschah aber in Ikonion, dass sie wieder in die Synagoge der Juden gingen und so predigten, dass eine große Menge Juden und Griechen gläubig wurde.“ Die Haltung des Paulus war dabei: „ Sie lehrten frei und offen im Vertrauen auf den Herrn, der das Wort seiner Gnade bezeugte und ließ Zeichen und Wunder geschehen durch ihre Hände.“ (14,3)
Mehrmals sind es mächtige Taten, die Menschen dazu bewegen, der Lehre des Apostels zu glauben (Sergius Paulus in Apg 13,7-12; der Kerkermeister von Philippi, Apg 16).
Den Unglauben der Juden führt Lukas zwar einerseits auf ihr neidisches und verächtliches Denken zurück, dieses wiederum aber auf Prophezeiungen Gottes, in denen Gott selbst aktiv den Glauben verschließt (Hab 1,5 in Apg 13,41: „Denn ich tue ein Werk zu euren Zeiten, dass ihr nicht glauben werdet, wenn es euch jemand erzählt“; Jes 6,9f. in Apg 28,27: Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt….“)
Der Glaube der Heiden wiederum verdankt sich dem Ratschluss Gottes: „Alle wurden gläubig, die zum ewigen Leben bestimmt waren.“ Lukas lässt Paulus berichten, wie Gott ihm zusagt: „Ich will dich erretten von deinem Volk und von den Heiden, zu denen ich dich sende, um ihnen die Augen aufzutun, daß sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht“ (Apg 26,17-18)
Auch Lukas hebt also wie Paulus die Aktivität Gottes bei der Bekehrung der Menschen hervor. Immer wieder erzählt er vom aktiven Wirken des Heiligen Geistes.
Die Aktivität des Menschen im Glauben betont Lukas aber auch: Der Kerkermeister von Philippi fragte: „Was muß ich tun, daß ich gerettet werde? Sie sprachen: Glauben an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig.“ Dann aber seine Reaktion: „er freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er zum Glauben an Gott gekommen war“. Die Freude ist Reaktion auf die Erfahrung der Gnade Gottes. In Apg 17,4 berichtet Lukas: „Einige von ihnen ließen sich überzeugen.“ Von Juden in Beröa heißt es: „Diese aber waren freundlicher als die in Thessalonich; sie nahmen das Wort bereitwillig auf und forschten täglich in der Schrift, ob sich´s so verhielte. So glaubten nun viele von ihnen…“(Apg 17,11-12)
Das der Glaube freie Entscheidung des Menschen sei, davon ist aber auch bei Lukas nichts zu lesen. Lukas ist wie Paulus davon überzeugt: „So breitete sich das Wort aus durch die Kraft des Herrn und wurde mächtig“ (19,20).
Das Evangelium ermöglicht mir ein Losgelöstsein von mir selbst, auch bezüglich der Frage, wie weit ich für meinen Glauben selbst verantwortlich bin. Das Evangelium stimmt uns in eine Haltung der Dankbarkeit und Freude ein, dass Gott befreiend an uns wirkt.

1 Kommentar:

  1. Der Glaube: freie Entscheidung oder Gabe Gottes? Eine Frage welche die Christenheit seit 2000 Jahren bewegt. Weder das JA des Menschen zu Gott noch das JA Gottes zum Menschen dürfen meiner Meinung nach gegeneinander ausgespielt werden. Eine Antwort auf diese interessante Frage kann nur im dialektischen Sinn gegeben werden. Wenn wir das JA von Gott zum Menschen alleine stehen lassen, landen wir bei der Prädestinationslehre, die ein Gottesbild eines willkürlichen, total unbewegbaren Gottes zeichnet. Wenn wir das JA vom Menschen zu Gott alleine stehen lassen, führt dies zur Gesetzlichkeit und zu einem überhöhten Menschenbild. Dass Paulus klar das JA von Gott zum Menschen stärker betont, liegt eindeutig an seiner Biographie. Der Saulus, der mit allen menschlichen Mitteln versuchte Gott zu gefallen, erfährt eine Begegnung mit Gott (Damaskus), die seine bisherige Sichtweise total umkrempelt. Er erfährt die grosse Kraft der Gnade. Doch das NT sprciht durchaus auch davon, dass der Mensch mit seinem Handeln sich für oder gegen Gottes Reich bzw. Seinen Willen entscheiden kann und nicht "willkürlich" der Vorsehung Gottes ausgeliefert ist. (Siehe Matthäus-Evangelium oder Jakobus-Brief!)
    Bei diesm theologischen Thema zeigt sich deutlich, dass ein entweder-oder-Denken in eine falsche Richtung führt. Wir müssen lernen "sowohl-als auch" zu denken und scheinbare Widersprüche stehen zu lassen -> dialektische Theologie!

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