Ehe ich zur Schule ging, hatte mein Vater mir schon viele biblische Geschichten, auch die von der Sintflut, erzählt. Als nun ein sehr regnerischer Sommer war, überfiel ich ihn mit der Bemerkung: „Wohl hat es jetzt auch bei uns schon an die vierzig Tage und vierzig Nächte geregnet, und das Wasser kommt nicht einmal an die Häuser, geschweige denn bis hinauf über die Berge." „Ja, damals", antwortete er, „zu Beginn der Welt, hat es eben nicht in Tropfen geregnet, wie jetzt, sondern wie wenn man Wasser aus Kübeln ausschüttet." Diese Erklärung leuchtete mir ein. Als dann die Lehrerin in der Schule auch die Geschichte von der Sintflut erzählte, wartete ich darauf, daß sie ebenfalls den Unterschied zwischen dem damaligen und dem jetzigen Regnen erwähnen würde. Sie unterließ es aber. Da konnte ich nicht mehr an mich halten. „Fräulein Lehrerin", rief ich von meinem Platze aus, „du musst die Geschichte auch richtig erzählen." Ohne mich zur Ruhe verweisen zu lassen, fuhr ich fort: „Du musst sagen, daß es damals nicht in Tropfen regnete, sondern wie wenn man Wasser aus Kübeln ausschüttet."
Als ich acht Jahre alt war, gab mir mein Vater, auf meine Bitten, ein neues Testament, in dem ich eifrig las. Zu den Geschichten, die mich am meisten beschäftigten, gehörte die von den Weisen aus dem Morgenland. Was haben die Eltern Jesu mit dem Gold und den Kostbarkeiten gemacht, die sie von diesen Männern bekamen? fragte ich mich. Wie konnten sie nachher wieder arm sein? Ganz unbegreiflich war mir, daß die Weisen aus dem Morgenland sich später um das Jesuskind gar nicht mehr bekümmerten. Auch daß von den Hirten zu Bethlehem nicht erzählt wird, sie seien nachher Jünger Jesu geworden, gab mir schweren Anstoß.
Den Religionsunterricht auf der Realschule in Münster erteilte Pfarrer Schäffer, eine bedeutende religiöse Persönlichkeit und ein in seiner Art hervorragender Redner. Er konnte die biblischen Geschichten hinreißend erzählen. Noch erinnere ich mich, wie er auf dem Pulte weinte und wir in den Bänken schluchzten, als Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen gab.
Albert Schweitzer: Aus meiner Kindheit und Jugendzeit, in: ders., Selbstzeugnisse, München 1959, S.20 und S. 26.
Samstag, 30. Januar 2010
Dienstag, 26. Januar 2010
Lebensweisheiten von Albert Schweitzer
"Durch Liebe trete ich mit dem Unendlichen in Beziehung."
"Zu tun, was das Evangelium befiehlt, geht über alles."
"Der Friede Gottes ist nicht Ruhe, sondern treibende Kraft."
"Du darfst am Guten in der Welt mitarbeiten."
"Das Neue, nach dem wir ausschauen, muss von innen heraus erbaut werden."
"Es gibt nicht nur ein Lambarene, jeder kann sein Lambarene haben."
aus: Jo und Walter Munz: Mit dem Herzen einer Gazelle und der Haut eines Nilpferds. Albert Schweitzer in seinen letzten Lebensjahren und die Entwicklung seines Spitals bis zur Gegenwart, 2005.
"Zu tun, was das Evangelium befiehlt, geht über alles."
"Der Friede Gottes ist nicht Ruhe, sondern treibende Kraft."
"Du darfst am Guten in der Welt mitarbeiten."
"Das Neue, nach dem wir ausschauen, muss von innen heraus erbaut werden."
"Es gibt nicht nur ein Lambarene, jeder kann sein Lambarene haben."
aus: Jo und Walter Munz: Mit dem Herzen einer Gazelle und der Haut eines Nilpferds. Albert Schweitzer in seinen letzten Lebensjahren und die Entwicklung seines Spitals bis zur Gegenwart, 2005.
Montag, 25. Januar 2010
Albert Schweitzer - Gütigkeit
Der aktuelle Film über Albert Schweitzer (1875-1965) hat mich dazu motiviert, endlich einmal mehr von ihm und über ihn zu lesen. In der Universitätsbibliothek habe ich Einiges ausleihen können und seit gestern darin geschmökert. Sehr anrührend ist sein Selbstzeugnis "Aus meiner Kindheit und Jugendzeit" (1924), sehr aufschlussreich die wissenschaftliche "Selbstdarstellung" aus dem Jahr 1929.
Seine Kindheits- und Jugenderinnerungen schließt er mit den Worten:
"In dieser Zeit, wo Gewalttätigkeit in Lüge gekleidet so unheimlich wie noch nie auf dem Throne der Welt sitzt, bleibe ich dennoch überzeugt, daß Wahrheit, Liebe, Friedfertigkeit, Sanftmut und Gütigkeit die Gewalt sind, die über aller Gewalt ist. Ihnen wird die Welt gehören, wenn nur genug Menschen die Gedanken der Liebe, der Wahrheit, der Friedfertigkeit und der Sanftmut rein und stark und stetig genug denken und leben. - Die Gütigkeit...wirkt einfach und stetig. Sie erzeugt keine Spannungen, die sie beeinträchtigen. Bestehende Spannungen entspannt sie, Mißtrauen und Mißverständnisse bringt sie zur Verflüchtigung, sie verstärkt sich selber, indem sie Gütigkeit hervorruft. Darum ist sie die zweckmäßigste und intensivste Kraft. - Eine unermeßlich tiefe Wahrheit liegt in dem phantastischen Wort Jesu: 'Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen'."
Seine Kindheits- und Jugenderinnerungen schließt er mit den Worten:
"In dieser Zeit, wo Gewalttätigkeit in Lüge gekleidet so unheimlich wie noch nie auf dem Throne der Welt sitzt, bleibe ich dennoch überzeugt, daß Wahrheit, Liebe, Friedfertigkeit, Sanftmut und Gütigkeit die Gewalt sind, die über aller Gewalt ist. Ihnen wird die Welt gehören, wenn nur genug Menschen die Gedanken der Liebe, der Wahrheit, der Friedfertigkeit und der Sanftmut rein und stark und stetig genug denken und leben. - Die Gütigkeit...wirkt einfach und stetig. Sie erzeugt keine Spannungen, die sie beeinträchtigen. Bestehende Spannungen entspannt sie, Mißtrauen und Mißverständnisse bringt sie zur Verflüchtigung, sie verstärkt sich selber, indem sie Gütigkeit hervorruft. Darum ist sie die zweckmäßigste und intensivste Kraft. - Eine unermeßlich tiefe Wahrheit liegt in dem phantastischen Wort Jesu: 'Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen'."
Donnerstag, 21. Januar 2010
Albert Schweitzer - der Film
Bildrechte: © Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum Frankfurt
Heute Morgen habe ich den Film „Albert Schweitzer – ein Leben für Afrika“ gesehen, mit ReligionskollegInnen meiner Schule und überwiegend OberstufenschülerInnen. Wir haben zwei Kinosäle gefüllt!
Die Kritiken, die ich vorab las, hatten meine Erwartungen drastisch nach unten geschraubt. Ich stellte mich auf einen langweiligen Film und eine Zumutung für die Schüler ein. Aber ich wurde positiv enttäuscht. Der Film hat mich gepackt. Die Schauspieler agieren fast durchweg überzeugend, handwerklich ist der Film tadellos gemacht (Kameraführung, Motive, die Ausstattung versetzt ohne Irritation ins Jahr 1949, Musik). Der Plot ist wirklich spannend und sogar vielschichtig, die Biographie wird geschickt in den Handlungsstrang eingewoben, ohne dass es gekünstelt wirkt. Die wesentlichen Facetten der Person Albert Schweitzer fängt der Film mit leichter Hand ein (Ehemann, Vater, Orgelspieler, Theologie, Arzt, Patriarch, Pazifist, Entwicklungshelfer, Überzeugungstäter). Sein Leitmotto: „Ehrfurcht vor dem Leben“ wird allerdings öfters recht platt in Szene gesetzt.
Falls man die Biographie Schweitzers genauer kennt, entdeckt man natürlich schnell (oder nachträglich), dass der Plot, der dem Film die Spannung gibt, frei erfunden ist und wahre Aktivitäten Schweitzers anachronistisch ins Jahr 1949 gepackt werden. Die Story, die der Film erzählt, ist also fiktiv. Das erkennt der unbedarfte Zuschauer nicht. Die Idee dahinter ist, die Figur Albert Schweitzer und auch seine Frau (eine der Stärken des Films: sie wird ihm ebenbürtig dargestellt) zu Helden eines Spionagethrillers zu machen (gelingt es dem CIA, Schweitzer und sein Lebenswerk zu zerstören?). Wir stellen uns als Zuschauer auf die Seite der Schweitzers und identifizieren uns so recht bald mit ihren Idealen, aber auch Problemen.
Es gibt einen von Schweitzer selbst autorisierten Film über ihn, der über google videos angeschaut werden kann. Ich meine erkennen zu können, die die Macher des aktuellen Films sich hier Einiges „abgeschaut“ haben.
Heute Morgen habe ich den Film „Albert Schweitzer – ein Leben für Afrika“ gesehen, mit ReligionskollegInnen meiner Schule und überwiegend OberstufenschülerInnen. Wir haben zwei Kinosäle gefüllt!
Die Kritiken, die ich vorab las, hatten meine Erwartungen drastisch nach unten geschraubt. Ich stellte mich auf einen langweiligen Film und eine Zumutung für die Schüler ein. Aber ich wurde positiv enttäuscht. Der Film hat mich gepackt. Die Schauspieler agieren fast durchweg überzeugend, handwerklich ist der Film tadellos gemacht (Kameraführung, Motive, die Ausstattung versetzt ohne Irritation ins Jahr 1949, Musik). Der Plot ist wirklich spannend und sogar vielschichtig, die Biographie wird geschickt in den Handlungsstrang eingewoben, ohne dass es gekünstelt wirkt. Die wesentlichen Facetten der Person Albert Schweitzer fängt der Film mit leichter Hand ein (Ehemann, Vater, Orgelspieler, Theologie, Arzt, Patriarch, Pazifist, Entwicklungshelfer, Überzeugungstäter). Sein Leitmotto: „Ehrfurcht vor dem Leben“ wird allerdings öfters recht platt in Szene gesetzt.
Falls man die Biographie Schweitzers genauer kennt, entdeckt man natürlich schnell (oder nachträglich), dass der Plot, der dem Film die Spannung gibt, frei erfunden ist und wahre Aktivitäten Schweitzers anachronistisch ins Jahr 1949 gepackt werden. Die Story, die der Film erzählt, ist also fiktiv. Das erkennt der unbedarfte Zuschauer nicht. Die Idee dahinter ist, die Figur Albert Schweitzer und auch seine Frau (eine der Stärken des Films: sie wird ihm ebenbürtig dargestellt) zu Helden eines Spionagethrillers zu machen (gelingt es dem CIA, Schweitzer und sein Lebenswerk zu zerstören?). Wir stellen uns als Zuschauer auf die Seite der Schweitzers und identifizieren uns so recht bald mit ihren Idealen, aber auch Problemen.
Es gibt einen von Schweitzer selbst autorisierten Film über ihn, der über google videos angeschaut werden kann. Ich meine erkennen zu können, die die Macher des aktuellen Films sich hier Einiges „abgeschaut“ haben.
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Gewaltlosigkeit
Montag, 18. Januar 2010
Unbekannte Jesusworte
So heißt ein Buch von Joachim Jeremias, das 1963 erschienen ist. Jeremias hat die Jesusüberlieferungen außerhalb des Neuen Testaments durchforstet und geprüft, welche dieser Worte möglicherweise bis auf Jesus selbst zurückgehen. Hier eine Auswahl aus seinem Buch:
"An demselben Tage sah er einen Mann am Sabbat eine Arbeit verrichten. Da sagte er zu ihm: Mensch, wenn du weißt, was du tust, bist du selig. Wenn du es aber nicht weißt, bist du verflucht und ein Übertreter des Gesetzes."
(Bibelhandschrift/Codex D nach Lukas 6,4. Lukas 6,5 steht in dieser Handschrift nach V.10).
"Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe,
wer mir fern ist, ist dem Königreich fern."
(Thomasevangelium, 82)
"Und nur dann sollt ihr fröhlich sein,
wenn ihr auf euren Bruder mit Liebe blickt."
(Hieronymus, Auslegung des Epheserbriefes 5.3.4. mit Verweis auf ein "Hebräerevangelium").
"Und betet für eure Feinde,
Denn wer nicht gegen euch ist, ist für euch
Wer heute fern steht, wird euch morgen nahe sein."
(Oxyrhynchus-Papyrus 1224)
"Werdet tüchtige Wechsler!"
(Pseudoklementinische Homilien II, 55.1 und andere altkirchliche Schriftsteller)
"An demselben Tage sah er einen Mann am Sabbat eine Arbeit verrichten. Da sagte er zu ihm: Mensch, wenn du weißt, was du tust, bist du selig. Wenn du es aber nicht weißt, bist du verflucht und ein Übertreter des Gesetzes."
(Bibelhandschrift/Codex D nach Lukas 6,4. Lukas 6,5 steht in dieser Handschrift nach V.10).
"Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe,
wer mir fern ist, ist dem Königreich fern."
(Thomasevangelium, 82)
"Und nur dann sollt ihr fröhlich sein,
wenn ihr auf euren Bruder mit Liebe blickt."
(Hieronymus, Auslegung des Epheserbriefes 5.3.4. mit Verweis auf ein "Hebräerevangelium").
"Und betet für eure Feinde,
Denn wer nicht gegen euch ist, ist für euch
Wer heute fern steht, wird euch morgen nahe sein."
(Oxyrhynchus-Papyrus 1224)
"Werdet tüchtige Wechsler!"
(Pseudoklementinische Homilien II, 55.1 und andere altkirchliche Schriftsteller)
Freitag, 15. Januar 2010
Nichts ist gut....
Im Politikunterricht habe ich heute die Neujahrspredigt von Margot Käßmann vorgelesen, vorlesen lassen und die Lektüre mit der Frage verbunden: Warum wurde die Predigt als Provokation empfunden? Die Passage zum Afghanistan-Einsatz (Krieg) ist tatsächlich einigen aufgefallen. Insgesamt bewertete die Mehrheit der sich am Gespräch beteiligenden SchülerÍnnen die Predigt positiv: sie finden es gut,dass die Predigt so stark gesellschaftliche Fragen thematisiert. Das wurde als spannend und anregend erlebt. Sie wurde aber auch als starke Ermahnung erfahren und nicht so sehr ermutigend.
Für mich ist die Predigt ein gutes Beispiel für eine "politische Theologie", die gleich stark in den individuellen und gesellschaftlichen Problemen der Gegenwart wie auch in einer vom Evangelium geprägten Spiritualität verankert ist. Trost, aber nicht Vertröstung, Mahnung, aber nicht Zurechtweisung, Offenheit, aber keine Beschämung.
Nach anfänglicher Kritik aus der Politik mehren sich jetzt die Stimmen, die die Predigt als positive Irritation, als Anregung deuten, z.B. Mitglieder und SympathisantInnen von Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem offenen Brief "Mehr Phantasie für den Frieden" vom 11. Januar 2010 an die Vorsitzende des Rates der EKD.
Für mich ist die Predigt ein gutes Beispiel für eine "politische Theologie", die gleich stark in den individuellen und gesellschaftlichen Problemen der Gegenwart wie auch in einer vom Evangelium geprägten Spiritualität verankert ist. Trost, aber nicht Vertröstung, Mahnung, aber nicht Zurechtweisung, Offenheit, aber keine Beschämung.
Nach anfänglicher Kritik aus der Politik mehren sich jetzt die Stimmen, die die Predigt als positive Irritation, als Anregung deuten, z.B. Mitglieder und SympathisantInnen von Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem offenen Brief "Mehr Phantasie für den Frieden" vom 11. Januar 2010 an die Vorsitzende des Rates der EKD.
Montag, 11. Januar 2010
Was Wertschätzung mit Liebe zu tun hat: Axel Honneth
Zur Post vom 9.1. zu Liebe als wechselseitiges Anerkennungsverhältnis habe ich heute in der Frankfurter Rundschau ein aufschlussreiches Interview mit Axel Honneth gelesen, hier ein längeres Zitat:
"Bei dem, was ich mit Anerkennung meine, geht es weder um die gegenseitige rechtliche Anerkennung von Staaten noch um die Anerkennung von Tatsachen. Es geht um die Anerkennung von Personen mit bestimmten normativen Ansprüchen.
Was heißt das?
Die Anerkennung, dass der Andere berechtigt ist, an mich Forderungen zu stellen. Ich muss anerkennen, dass er berücksichtigt werden muss. Ich kann nicht einfach an ihm vorbei, über ihn hinweg tun, was ich will. Das ist die Kernbedeutung. Da ist jemand, auf den ich Rücksicht zu nehmen habe. ....Hegel kam ja von Hölderlin. Die große Entdeckung dieser jungen Männer war, dass die Liebe als eine Form der wechselseitigen Anerkennung zu verstehen ist. Das war Hegels Ursprungserfahrung.
Liegt die eigentliche Errungenschaft aber nicht gerade in dem Verlassen dieser Ursprungserfahrung? Darin nämlich, dass ich den anderen nicht toll finden muss, um ihn anzuerkennen?
Ja, das ist, was wir heute als Anerkennung, als rechtlichen Respekt bezeichnen. Die unbedingte Anerkennung der Autonomie des Anderen. Unbedingt, also auch ohne die Voraussetzung unserer Zuneigung oder gar Liebe. Ich fände es allerdings fatal, wenn die anderen Formen der Anerkennung über dieser aus dem Blick gerieten. Für unser Selbstverständnis, für das Leben in der Gemeinschaft, für die soziale Integration haben diese anderen Dimensionen der Anerkennung mindestens eine ebenso große Bedeutung wie die rein rechtliche.
Ohne Liebe und auch ohne Wertschätzung fehlt den Gesellschaftsmitgliedern eine wesentliche Dimension des Einbezogenseins. Bei der Wertschätzung geht es ja darum, einem Anderen über die Anerkennung als ein anderes autonomes Subjekt hinaus einen Mehrwert zu geben, aufgrund bestimmter Eigenschaften oder Leistungen, die er anderen voraushat. Bei der Wertschätzung geht es also nicht um die Anerkennung unter Gleichen, sondern um die Anerkennung eines Besonderen."
"Bei dem, was ich mit Anerkennung meine, geht es weder um die gegenseitige rechtliche Anerkennung von Staaten noch um die Anerkennung von Tatsachen. Es geht um die Anerkennung von Personen mit bestimmten normativen Ansprüchen.
Was heißt das?
Die Anerkennung, dass der Andere berechtigt ist, an mich Forderungen zu stellen. Ich muss anerkennen, dass er berücksichtigt werden muss. Ich kann nicht einfach an ihm vorbei, über ihn hinweg tun, was ich will. Das ist die Kernbedeutung. Da ist jemand, auf den ich Rücksicht zu nehmen habe. ....Hegel kam ja von Hölderlin. Die große Entdeckung dieser jungen Männer war, dass die Liebe als eine Form der wechselseitigen Anerkennung zu verstehen ist. Das war Hegels Ursprungserfahrung.
Liegt die eigentliche Errungenschaft aber nicht gerade in dem Verlassen dieser Ursprungserfahrung? Darin nämlich, dass ich den anderen nicht toll finden muss, um ihn anzuerkennen?
Ja, das ist, was wir heute als Anerkennung, als rechtlichen Respekt bezeichnen. Die unbedingte Anerkennung der Autonomie des Anderen. Unbedingt, also auch ohne die Voraussetzung unserer Zuneigung oder gar Liebe. Ich fände es allerdings fatal, wenn die anderen Formen der Anerkennung über dieser aus dem Blick gerieten. Für unser Selbstverständnis, für das Leben in der Gemeinschaft, für die soziale Integration haben diese anderen Dimensionen der Anerkennung mindestens eine ebenso große Bedeutung wie die rein rechtliche.
Ohne Liebe und auch ohne Wertschätzung fehlt den Gesellschaftsmitgliedern eine wesentliche Dimension des Einbezogenseins. Bei der Wertschätzung geht es ja darum, einem Anderen über die Anerkennung als ein anderes autonomes Subjekt hinaus einen Mehrwert zu geben, aufgrund bestimmter Eigenschaften oder Leistungen, die er anderen voraushat. Bei der Wertschätzung geht es also nicht um die Anerkennung unter Gleichen, sondern um die Anerkennung eines Besonderen."
Samstag, 9. Januar 2010
Liebe als wechselseitiges Anerkennungsverhältnis
Wenn wir heute von Liebe sprechen, haben wir zunächst Intimität und emotional intensive Beziehungen im Blick. Diese Vorstellung verstellt uns aber eine Verständnis dessen, was Liebe im neutestamentlichen Sinne meint.
Paulus schrieb den Hymnus der Liebe in 1.Kor 13 in eine Situation hinein, in der die Gemeinde Korinth von Status- und Anerkennungskämpfen absorbiert war: Wer hat den höchsten Rang, das höchste Ansehen: Paulus, oder diejenigen, die in Zungen reden, die Wundertäter, die Lehrer der Gemeinde? Der Möglichkeitsgrund, so zu fragen, war ein Denken in Hierarchien, in Über- und Abwertungen.
Das Konzept Liebe unterläuft nun dieses Denken. Liebe ist die Durchsetzung wechselseitiger vollständiger Anerkennung. Sie setzt an die Stelle asymmetrischer, hierarchischer Verhältnisse untereinander ein symmetrisches Verhältnis. Jeder hat eine einzigartige Würde. Jeder ist in seiner Eigentümlichkeit, Eigensinnigkeit, Andersartigkeit, Seltsamkeit, Begabung, Könnerschaft vollständig anerkannt.
Diese Liebe hat Gott in Jesus Christus gelebt. Gott anerkennt uns, und das eben nicht "von oben her", sondern von Angesicht zu Angesicht, als Bruder, als Freund. Gott nimmt uns im Glauben in seine Liebesgemeinschaft, in die Trinität hinein, die ein Symbol für absolute gegenseitige Anerkennung ist (Vater, Sohn, Heiliger Geist). In dieser Anerkennung werde ich frei und voller Frieden. In die Freiheit gestellt, bin ich in der Lage, wechselseitig-symmetrische Anerkennungsverhältnisse einzugehen, d.h. zu lieben und geliebt zu werden, und zu leiden, wenn meine Anerkennung nicht auf Gegenanerkennung stößt. Aber diese Liebe lässt sich nicht enttäuschen: Sie hofft alles, sie duldet alles. Sie weiß, sie hat den längeren Atem. Denn diese Liebe ist das Fundament aller Wirklichkeit.
Angeregt durch: Falk Wagner, Selbstdarstellung, in: Henning, Christian/Lehmkühler, Karsten (Hrsg.), Systematische Theologie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Tübingen 1998, S. 276-299.
Paulus schrieb den Hymnus der Liebe in 1.Kor 13 in eine Situation hinein, in der die Gemeinde Korinth von Status- und Anerkennungskämpfen absorbiert war: Wer hat den höchsten Rang, das höchste Ansehen: Paulus, oder diejenigen, die in Zungen reden, die Wundertäter, die Lehrer der Gemeinde? Der Möglichkeitsgrund, so zu fragen, war ein Denken in Hierarchien, in Über- und Abwertungen.
Das Konzept Liebe unterläuft nun dieses Denken. Liebe ist die Durchsetzung wechselseitiger vollständiger Anerkennung. Sie setzt an die Stelle asymmetrischer, hierarchischer Verhältnisse untereinander ein symmetrisches Verhältnis. Jeder hat eine einzigartige Würde. Jeder ist in seiner Eigentümlichkeit, Eigensinnigkeit, Andersartigkeit, Seltsamkeit, Begabung, Könnerschaft vollständig anerkannt.
Diese Liebe hat Gott in Jesus Christus gelebt. Gott anerkennt uns, und das eben nicht "von oben her", sondern von Angesicht zu Angesicht, als Bruder, als Freund. Gott nimmt uns im Glauben in seine Liebesgemeinschaft, in die Trinität hinein, die ein Symbol für absolute gegenseitige Anerkennung ist (Vater, Sohn, Heiliger Geist). In dieser Anerkennung werde ich frei und voller Frieden. In die Freiheit gestellt, bin ich in der Lage, wechselseitig-symmetrische Anerkennungsverhältnisse einzugehen, d.h. zu lieben und geliebt zu werden, und zu leiden, wenn meine Anerkennung nicht auf Gegenanerkennung stößt. Aber diese Liebe lässt sich nicht enttäuschen: Sie hofft alles, sie duldet alles. Sie weiß, sie hat den längeren Atem. Denn diese Liebe ist das Fundament aller Wirklichkeit.
Angeregt durch: Falk Wagner, Selbstdarstellung, in: Henning, Christian/Lehmkühler, Karsten (Hrsg.), Systematische Theologie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Tübingen 1998, S. 276-299.
Freitag, 8. Januar 2010
Wind bringt Bewegung ins Spiel
"Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen" (chinesisches Sprichwort)
"Kein Wind ist denen günstig, die nicht wissen, wohin sie segeln wollen." (Michel de Montaigne)
"You cannot demand the wind, but you can set the sails."
"Der Wind weht, wo es ihm gefällt. Du hörst ihn nur rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So geheimnisvoll ist es auch, wenn ein Mensch vom Geist geboren wird." (Johannes 3,8)
"Kein Wind ist denen günstig, die nicht wissen, wohin sie segeln wollen." (Michel de Montaigne)
"You cannot demand the wind, but you can set the sails."
"Der Wind weht, wo es ihm gefällt. Du hörst ihn nur rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So geheimnisvoll ist es auch, wenn ein Mensch vom Geist geboren wird." (Johannes 3,8)
Donnerstag, 7. Januar 2010
Zwei schöne Gedanken
Der versöhnte Mensch, das Werk des Heiligen Geistes, ist derjenige, der Christus in sein Selbstverständnis aufgenommen hat.
Christen stehen nicht unter der Forderung der Liebe. Ihre Liebe kommt - durch die Liebe.
zu finden in: Ernst Fuchs, Gesammelte Aufsätze II, Tübingen 1965, S. 79ff; 205.
Christen stehen nicht unter der Forderung der Liebe. Ihre Liebe kommt - durch die Liebe.
zu finden in: Ernst Fuchs, Gesammelte Aufsätze II, Tübingen 1965, S. 79ff; 205.
Mittwoch, 6. Januar 2010
Kluge Einsichten
Zur Zeit arbeite ich mich in das Thema "Schulentwicklung" ein, in Verbindung mit der neuen Aufgabe als Pädagogischer Leiter an meiner Schule. Im Werk "Instrumente für die Qualitätsentwicklung und Evaluation in Schulen" habe ich einige wirklich gute Lebensweisheiten gefunden, die als Auflockerung eingestreut sind. An erster Stelle die Beobachtung, die ich sehr tiefsinnig empfinde, dann noch zwei weitere nachdenkenswerte:
"Du geht dem nach, von dem du dich wahrgenommen fühlst." (Botho Strauß)
"Wirksame Menschen beginnen mit der Frage: Was soll ich und will ich - nicht mehr tun? Am Anfang muss das Ausmisten stehen, das systematische Aufgeben bisheriger Gewohnheiten, Tätigkeiten und Aufgaben". (Fredmund Malik)
"Misstrauen ist eine so starke Einladung, dass ihm kaum jemand widerstehen kann. Mit ihrem Misstrauen erzeugen sie genau die Situation, die sie befürchten. Wer misstraut, hat nie die Chance, einem vertrauenswürdigen Menschen zu begegnen" (Reinhard K. Sprenger)
"Du geht dem nach, von dem du dich wahrgenommen fühlst." (Botho Strauß)
"Wirksame Menschen beginnen mit der Frage: Was soll ich und will ich - nicht mehr tun? Am Anfang muss das Ausmisten stehen, das systematische Aufgeben bisheriger Gewohnheiten, Tätigkeiten und Aufgaben". (Fredmund Malik)
"Misstrauen ist eine so starke Einladung, dass ihm kaum jemand widerstehen kann. Mit ihrem Misstrauen erzeugen sie genau die Situation, die sie befürchten. Wer misstraut, hat nie die Chance, einem vertrauenswürdigen Menschen zu begegnen" (Reinhard K. Sprenger)
Montag, 4. Januar 2010
Lukas 11,5-13 Freundschaft, Gebet und Heiliger Geist
In Lukas 11,5-13 läßt Lukas Jesus seine Jünger zum Gebet ermutigen. Lukas hat dazu ein Gleichnis Jesu (V. 5-8), ein Weisheitswort (V.9-10) und ein Kurzgleichnis mit Auswertung (V.11-13) zusammengestellt. Die Proseminararbeit einer Studierenden hat mich dazu gebracht, den Text einmal genauer anzuschauen und dabei bin ich auf zwei für mich überraschende Beobachtungen gestoßen.
Das Gleichnis ist in Frageform formuliert und erzählt von drei Freunden und schlafenden Kindern. Eine Eventanalyse hilft, genauer zu verstehen (Events beschreiben die Ereignisfolge, die der Geschichte zugrundeliegt).
1. Ein Freund (A) kommt spätabends auf einer Reise überraschenderweise bei einem Freund (B) an.
2. Sein Freund (B) hat nichts zum Essen im Haus, er kann ihn nicht bewirten.
3. Um Mitternacht geht Freund (B) deshalb zu Freund (C).
4. Er bleibt vor seinem Haus und deren verschlossener Tür stehen.
5. Er bittet Freund (C), vor der Tür stehend und hindurchrufend: Leih mir drei Brote und gibt ihm dafür die Begründung.
6. Freund (C) steht von seinem Bett auf, obwohl die Kinder bei ihm im Bett schlafen und die Tür schon zugeschlossen ist.
7. Er schließt die Tür auf.
8. Freund (C) gibt seinem Freund (B) alles, was dieser braucht.
Die Frage Jesu ist nämlich so gestellt, dass jeder sagen würde, nein, einen solchen Freund (C), der seinen Freund (B) abwimmeln und im Stich lassen würde, kenne ich nicht. Offen lässt Jesus, aus welchem Motiv heraus Freund (C) handelt: Weil er es aus Freundschaft tut oder weil der andere so unverschämt ist. Egal welches Motiv, Freund (C) hilft in jedem Fall Freund (B), der somit sein Ziel erreicht.
Und er sprach zu ihnen: Wer von euch (B) wird einen Freund (C) haben und wird um Mitternacht zu ihm gehen und zu ihm sagen: Freund, leihe mir drei Brote, 6 da mein Freund (A) von der Reise bei mir (B) angekommen ist und ich nichts habe, was ich ihm vorsetzen soll! 7 Und jener (C) würde von innen antworten und sagen: Mach mir keine Mühe! Die Tür ist schon geschlossen, und meine Kinder sind bei mir im Bett; ich kann nicht aufstehen und dir geben? (Erwartete Antwort: Niemand kennt eine solchen Freund (C), der nicht helfen wird. Freunde müssen einander helfen) 8 Ich sage euch, wenn er (C) auch nicht aufstehen und ihm (B) geben wird, weil er sein Freund ist, so wird er wenigstens um seiner Unverschämtheit willen aufstehen und ihm geben, so viel er braucht.
Jesus macht also deutlich, dass Freunde einander auch in sehr unbequemen Situationen und auch bei unangemessenen Bitten helfen. Freundschaft ist Freundschaft. Die Steigerung ist klar: genauso verhält sich Gott! Darum nur zu: Bittet, so wird euch gegeben!
Die nächste Überraschung bietet V. 13: In diesem Text wird uns gesagt, worum wir den himmlischen Vater bitten sollen. Irdische Kinder bitten um einen Fisch oder um ein Ei (heute wäre es wohl eher ein Überraschungsei von Ferrero), also darum, Essen zu haben (dieses Gleichnis zeigt die Armut, die Jesus voraussetzt – Kinder bitten Eltern darum, etwas zum Essen zu haben!). Die Kinder Gottes bitten auch um „Speise“, und Gott gibt sie: es ist der „Heilige Geist“. Das finde ich sehr überraschend. Gottes Gabe an uns ist der Heilige Geist. Nach Paulus ist er das „Angeld“ auf die zukünftige Erlösung. Das ist es, worum sich unser Bitten nach Lukas 11,13 richten soll und was wir auch bekommen: den Geist Gottes. Er ist das Himmelsmanna, die Speise, die uns als geistliche Menschen leben lässt.
Das Gleichnis ist in Frageform formuliert und erzählt von drei Freunden und schlafenden Kindern. Eine Eventanalyse hilft, genauer zu verstehen (Events beschreiben die Ereignisfolge, die der Geschichte zugrundeliegt).
1. Ein Freund (A) kommt spätabends auf einer Reise überraschenderweise bei einem Freund (B) an.
2. Sein Freund (B) hat nichts zum Essen im Haus, er kann ihn nicht bewirten.
3. Um Mitternacht geht Freund (B) deshalb zu Freund (C).
4. Er bleibt vor seinem Haus und deren verschlossener Tür stehen.
5. Er bittet Freund (C), vor der Tür stehend und hindurchrufend: Leih mir drei Brote und gibt ihm dafür die Begründung.
6. Freund (C) steht von seinem Bett auf, obwohl die Kinder bei ihm im Bett schlafen und die Tür schon zugeschlossen ist.
7. Er schließt die Tür auf.
8. Freund (C) gibt seinem Freund (B) alles, was dieser braucht.
Die Frage Jesu ist nämlich so gestellt, dass jeder sagen würde, nein, einen solchen Freund (C), der seinen Freund (B) abwimmeln und im Stich lassen würde, kenne ich nicht. Offen lässt Jesus, aus welchem Motiv heraus Freund (C) handelt: Weil er es aus Freundschaft tut oder weil der andere so unverschämt ist. Egal welches Motiv, Freund (C) hilft in jedem Fall Freund (B), der somit sein Ziel erreicht.
Und er sprach zu ihnen: Wer von euch (B) wird einen Freund (C) haben und wird um Mitternacht zu ihm gehen und zu ihm sagen: Freund, leihe mir drei Brote, 6 da mein Freund (A) von der Reise bei mir (B) angekommen ist und ich nichts habe, was ich ihm vorsetzen soll! 7 Und jener (C) würde von innen antworten und sagen: Mach mir keine Mühe! Die Tür ist schon geschlossen, und meine Kinder sind bei mir im Bett; ich kann nicht aufstehen und dir geben? (Erwartete Antwort: Niemand kennt eine solchen Freund (C), der nicht helfen wird. Freunde müssen einander helfen) 8 Ich sage euch, wenn er (C) auch nicht aufstehen und ihm (B) geben wird, weil er sein Freund ist, so wird er wenigstens um seiner Unverschämtheit willen aufstehen und ihm geben, so viel er braucht.
Jesus macht also deutlich, dass Freunde einander auch in sehr unbequemen Situationen und auch bei unangemessenen Bitten helfen. Freundschaft ist Freundschaft. Die Steigerung ist klar: genauso verhält sich Gott! Darum nur zu: Bittet, so wird euch gegeben!
Die nächste Überraschung bietet V. 13: In diesem Text wird uns gesagt, worum wir den himmlischen Vater bitten sollen. Irdische Kinder bitten um einen Fisch oder um ein Ei (heute wäre es wohl eher ein Überraschungsei von Ferrero), also darum, Essen zu haben (dieses Gleichnis zeigt die Armut, die Jesus voraussetzt – Kinder bitten Eltern darum, etwas zum Essen zu haben!). Die Kinder Gottes bitten auch um „Speise“, und Gott gibt sie: es ist der „Heilige Geist“. Das finde ich sehr überraschend. Gottes Gabe an uns ist der Heilige Geist. Nach Paulus ist er das „Angeld“ auf die zukünftige Erlösung. Das ist es, worum sich unser Bitten nach Lukas 11,13 richten soll und was wir auch bekommen: den Geist Gottes. Er ist das Himmelsmanna, die Speise, die uns als geistliche Menschen leben lässt.
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