Liebe ist ein Gefühl, das wir gut beschreiben können, weil wir mit Liebe Erfahrungen gemacht haben. Mit den „Schmetterlingen im Bauch“ beim romantischen Verliebtsein. Mit dem Herz, das einem aufgeht, wenn wir Umgang mit einer vertrauten, geliebten Person haben. Wer liebt, kennt auch Mitgefühl und Freude, hat Angst vor dem Verlust der Geliebten. Liebe widerfährt uns, sie trifft wie Amor mit seinem Pfeil ins Herz. Wir suchen die Nähe der Geliebten, die Liebe fällt ganz mit der Person, die wir lieben in eins. Wenn wir geliebt werden – und diese Liebe erwidern können – fühlen wir uns stärker, selbstsicherer, zuversichtlicher, wertvoller. Viel noch könnte man zur Psychologie der Liebe sagen.
Weniger vertraut – so scheint mir – sind wir mit der Soziologie der Liebe. Wie kommunizieren wir Liebe? Wie können wir uns gegenseitig zeigen, daß wir uns lieben? Woran kann die Geliebte erkennen, daß sie geliebt wird? Indem wir Gefühle benennen? Liebe bekennen? Geschenke schenken? Niklas Luhmann hat hierzu überraschende und zugleich ganz einleuchtende Beobachtungen gesammelt (u.a. Liebe als Passion, 1983)
Liebe ist daran zu erkennen, daß der Liebende sein Handeln ganz auf das Erleben des Geliebten einstellt. Das heißt: Man wird nicht nur alles tun, was verlangt wird, sondern man wird zuvorkommen. Die Liebe darf sich nicht erst auf Nachfrage zu erkennen geben, sie muss allem Bitten und Fragen zuvorkommen, um nicht als Pflicht zu erscheinen. Liebe handelt nicht reaktiv, sondern proaktiv. Nur so kann sie auf das Erleben, auf die ganz persönliche Welterfahrung des Geliebten reagieren und sich in einer noch nicht definierten Situation frei bewegen. Der Liebende bleibt selbstbestimmt, indem er dem, auf den er sich ganz einstellt, zuvorkommt. Liebende lesen Wünsche von den Augen ab. Das geht nur, wenn der Liebende nicht nur etwas an dem anderen liebt, sondern die ganze andere Person in ihrer einzigartigen Individualität zur Voraussetzung ihres Handelns macht. Auch das, wie der Geliebte die geliebte Person wahrnimmt. Die ganze Welt des anderen ist wichtig. Ich sehe die Welt mit den Augen des Geliebten und also auch mich mit den Augen der anderen. Eigene Handlungen müssen in die Erlebniswelt eines anderen eingefügt werden. Diese Einstellung auf die Welt, wie sie der andere erlebt, darf von dem Geliebten nicht als Unterwerfung, Fügsamkeit, als Nachgiebigkeit oder als Konfliktvermeidungsverhalten erlebt werden. Mit einem „na meinetwegen“ ist keine Liebe zufrieden. Handeln aus Liebe passt sich nicht nur an, will nicht nur gefallen, erfüllt nicht nur Wünsche. Es geht darum, in der Welt eines anderen Sinn zu finden. Das ist nie unproblematisch. Liebe muss das Risiko eingehen, letztlich nicht zu wissen, was für den anderen gut ist. Sie hält sich daran, den anderen in dem zu bestätigen, wie er die Welt erlebt.
Wer liebt, hat die Welt, d.h. die Wünsche, Vorlieben, die Ängste, die Freuden, die Hoffnungen, das Glück und auch das Unglück des Geliebten in seine eigene Welt hinein verinnerlicht. Daraufhin zu handeln, das ist Liebe und dieses Handeln erfüllt seinen Sinn in sich selbst. Liebe erfüllt sich allein durch Liebe, wird lebendig, wenn Liebe und Liebe sich miteinander verweben. Wer Liebe testen will, kann fragen (aber wer so fragt, liebt nicht): „Handelt mein Liebespartner so, daß er/sie meine und nicht seine/ihre Welt zugrunde legt?“ (Er fährt zu schnell, obwohl er weiß, dass ich das nicht mag; sie arbeitet mehr, obwohl sie weiß, dass ich darunter leide). Wer liebt, muss seine Gewohnheiten und Interessen überschreiten, er wir immer wieder neu und überraschend im Blick auf den anderen handeln.
Ist all dies möglich? Ist das nicht eine Überforderung? Ja, das ist es. Zu wissen, dass es überfordert und dennoch zu lieben, das ist Liebe.
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