Paulus nimmt das Wort
“Freiheit” (eleutheria) aus dem griechisch-hellenistischen
Zusammenhang auf und gibt ihm im Rahmen seiner Theologie einen neuen Sinn. Das
Neue in der christlichen Interpretation liegt vor allem darin, dass Freiheit
mit einem geschichtlichen Ereignis in Verbindung gebracht wird: Jesus Christus
ist der Ursprung der Freiheit. In seiner Geschichte ist die Freiheit Ereignis
geworden. Es ist eine Freiheit, die im völligen Statusverzicht des Mächtigsten
begründet liegt (Phil 2,6-11).
Die Zugehörigkeit zu Jesus Christus führt zu einer
Perspektive, in der sich Freiheit und Beziehung/Bindung in einem gegenseitigen
Steigerungsverhältnis befinden: Je intensiver die Bindung an Gott und Christus
und den Geist, desto größer die Öffnungserfahrungen, die sich den Menschen
erschließen, sowohl in Bezug auf sich selbst wie auch in Bezug auf den Anderen.
Das Evangelium hat eine lösende, befreiende Wirkung, indem es an Christus
bindet. So befreit es von gängelnder und angstbesetzter kultischer
Religiosität. Es stellt solche Traditionen in Frage. Mehrmals betont Paulus den Freiheitsgewinn, der in dieser
Anerkennungserfahrung im Blick auf Christus verankert ist: „Der Herr ist der
Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Nun aber schauen wir
alle mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn.“ (2 Kor 3,17-18)
Der Geist Gottes, die Vernunft Gottes klärt über uns selbst und über Gott, wie
er wirklich ist, auf. In dieser geistgewirkten Aufklärung liegt für Paulus ein
immenser Freiheitsgewinn, der in einem bis in die Ewigkeit andauernden Prozess
den Glaubenden verwandelt: „Wir werden verklärt in sein Bild von einer Herrlichkeit
zur andern von dem Herrn, der der Geist ist“ (2 Kor 3,18).
Der über Gott und uns selbst aufklärende Geist schenkt den
Gläubigen eine kritische Orientierung, die die Überschreitung von ethnischen
und rituellen Grenzsetzungen ermöglicht. In Galater 5 ruft Paulus die Gemeinde
zweimal in diese Freiheit hinein: „Für
die Freiheit hat Christus uns freigemacht. Steht nun fest und lasst euch nicht
wieder durch ein Joch der Sklaverei belasten“ (5,1). – „Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder!“
(5,13). Paulus verpflichtet hier geradezu die Gemeinde auf eine gewonnene
Mündigkeit, die sie nicht wieder verspielen soll. Durch Teilhabe an Jesus Christus gewinnen Menschen Freiheit von
sozialen Festschreibungen und Autoritarismus, von gesellschaftlicher
Fremdsteuerung oder ethnischen Partikularismen. Mündige, im Glauben
erwachsen gewordene Christen leben nach Paulus in der Freiheit, die sich in der
Liebe verwirklicht: „Gebraucht nicht die
Freiheit als Anlass für das Fleisch [d.h. für die egoistische
Triebbefriedigung], sondern dient
einander durch die Liebe“ (5,13). Liebe aber ist schon bei Paulus als
kreative Fähigkeit zu verstehen, sich in die Situation eines anderen
hineinzuversetzen und aus dessen Perspektive her so zu handeln, dass der Andere
dies als für ihn Gutes erleben kann. Paulus sieht die Gläubigen zur Mündigkeit
der Liebe befreit ohne Gängelung durch bevormundende Vorschriften: „Alles ist
erlaubt, aber nicht alles baut auf“ (1 Kor 10,23). Die Liebe baut auf (1 Kor
8,1). Kreisläufe des Hasses können aus dieser Freiheit heraus abgebrochen
werden, Kreisläufe der Liebe können in Freiheit aufgebaut werden.
Gott und eine an der Liebe orientierten Freiheit können
zusammengedacht werden, sie bilden nicht notwendigerweise Gegensätze. Als wir Babys
waren, waren wir noch nicht sehr frei, wir bedurften einer bergenden und
fürsorgenden Kultur, Mutter und Vater. Aber gute Eltern wollen unsere Freiheit.
Ihre Erziehung ist heute in der Regel davon geprägt, uns in die Freiheit zu
entlassen. Freiheit entfaltet sich nicht in der Bindungslosigkeit, sondern in
bindungsreichen Milieus, die Freiheit als Wert schätzen. So sollen wir uns auch
Gott vorstellen: als liebender Gott, als tragender Grund unseres Daseins will er unsere Freiheit. Denn nur wer
frei ist, kann – aus Freiheit heraus – für andere da sein.
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