Menschen können sich ändern. Menschen können sich durch die
Erfahrung der Liebe verändern. Der Geist Gottes führt in die Freiheit, neu anfangen zu können, eine
belastende Vergangenheit zu verlassen und sich dem Guten zuzuwenden, das in der
Frucht des Geistes sichtbar wird (Gal 5,22-23). Die sittliche Lebensführung weiß sich vom „vollkommenen Gesetz der Freiheit“
(Jak 2,12) motiviert, dem Liebesgebot (Jak 2,8), das allen Menschen ungeachtet
ihres sozialen Status Anerkennung und Würde verleiht (Jak 2,1-12).
Mögen wir unser
Leben im Geist Gottes noch so befreit führen, die Befristung der Lebenszeit und die damit
verbundene Furcht vor dem Tod ist eine der grundlegendsten Existenzbedingungen.
Der Hebräerbrief nimmt dieses einengende Gefühl der Angst vor dem Tod auf und
öffnet die befreiende Perspektive auf das ewige Leben in Verbindung mit
Christus: „Weil nun die Kinder von Fleisch und Blut sind, hat auch er's
gleichermaßen angenommen, damit er durch seinen Tod die Macht nähme dem, der
Gewalt über den Tod hatte, nämlich dem Teufel,[1]
und die erlöste, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben Knechte sein
mussten.“ (2,14-15). Der menschgewordene Gottessohn hat den Tod besiegt und
damit auch die Furcht vor dem Tod. Die christliche Freiheit verspricht nicht
die Fülle des Lebens in der Gegenwart. Sie verspricht nicht Leidfreiheit, ewige
Gesundheit, Stärke, Unverwundbarkeit. In Hoffnung sind Gläubige vielmehr mit
einem verbunden, der die Endlichkeit des geschöpflichen Lebens überwunden hat.
Die Verheißung ewigen Lebens, die mit seiner Auferstehung und Inthronisation in
den Himmel verbürgt ist, befreit den Glaubenden grundlegend von der Angst, die
mit der bisherigen Befristung der Lebenszeit verbunden war. Denn die Lebenszeit
entgrenzt sich zur Teilhabe am ewigen Leben Gottes. Schon auf Kinder wirkt
dieser Zuspruch befreiend. Meine Schwester Stefanie hat im Alter von fünf
Jahren gemeint: „Mutti, wenn man gläubig ist, ist man wirklich frei.“ Erstaunte
Nachfrage ob dieser tiefgründigen Einsicht: „Wie meinst du das?“ Antwort des
gläubigen Kindes: „Weil man keine Angst mehr zu haben braucht.“ Befreiung von
einer untergründigen, das Leben tief belastenden Todesangst ist eine nicht zu
unterschätzende zentrale Erfahrung, die christliche Seelsorge situationssensibel
ermöglichen und unterstützen sollte.
Der Autor des Hebräerbriefes lädt in seinen predigtähnlichen
Ausführungen die Leser dazu ein, Jesus als „Anführer“ des Glaubens zu folgen
und zwar so, dass man ihm in der Gegenwart geistlich in den Himmel folgt und
mit ihm freimütig in das Allerheiligste
der himmlischen Welt hineintritt, in den Thronsaal Gottes, und so schon jetzt
am unvergänglichen Leben Gottes partizipiert. Die geheimsten Türen sind nicht
verschlossen, sondern offen (4,14-16; 6,18-20; 8,1). Die Gläubigen sind eingeladen,
frei und zuversichtlich vor Gott zu treten: „Weil wir denn nun, liebe Brüder,
durch das Blut Jesu die Freiheit [parrhesia][2]
haben zum Eingang in das Heiligtum, den er uns aufgetan hat als neuen und
lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist: durch das Opfer seines Leibes, und haben
einen Hohenpriester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit
wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, besprengt in unsern Herzen und los
von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser.“ (Hebr 10,19-22).[3]
[1] Die Freiheit des Bösen zeigt sich darin, dass er zu
sich selbst spricht: „Ich tue, was ich will“ und der seine willfährigen Knechte
böse Pläne verwirklichen lässt. Der Böse handelt aus dem Geist absoluter
Willkür heraus und versklavt unter seine Pläne unmündige und verführte
Menschen: Verführung bedeutet immer, sich in Unterwerfung zu begeben. Der Böse
hat letztlich Lust an Zerstörung und Tod. Seine Macht ist die Korruption und
Destruktion.
[2] Das griechische Wort
bezeichnet ein Verhalten, dass frei von Angst und Unterwürfigkeit ist. Freunde
zum Besipiel begegnen sich in parrhesia,
d.h erhobenen Hauptes, offen, frei, freudig und in tiefer gegenseitiger
Anerkennung.
[3] Vgl. dazu auch Epheser
3,13: Die Gläubigen haben durch Christus den „freien Zugang“ (oder: „Freimut
und Zugang“).
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