Der Glaube ist als Bindung unseres Herzens an Gott, als Offenheit zu Gott hin, zu begreifen. Sind wir aber dazu überhaupt fähig? Wer von uns vermag sich in dieser existentiellen Weise an Gott zu binden, sich ihm und seiner Heilstat zu öffnen? Wer kann sich selber aus den Strukturen der Gottlosigkeit befreien, um sich ganz an Christus festzumachen? Wie könnte unser ichzentriertes Herz, dessen Wesen ja die Selbstbezogenheit ist, sich selbst dazu bekehren, nicht mehr ichzentriert zu sein?
Paulus versteht darum unseren Glauben, unsere Bekehrung zu Gott, als Gnade und Gabe Gottes. Der Glaube ist nicht eine von uns zu leistende Vorbedingung dafür, dass wir an der rettenden Gemeinschaft mit Gott teilnehmen können. Vielmehr wird die Gemeinschaft mit Gott von uns im Glauben vollzogen. Der Glaube ist nicht Bedingung, sondern Teil des Heilsgeschehens. Glauben wir, befinden wir uns schon ganz im Raum des Heils. Wir treten nicht durch den Glauben als Einlassbedingung in diesen Raum des Heils hinein, sondern wir sind in diesen Raum als Glaubende hineingestellt.
Wie aber kann es dazu kommen, dass wir glauben, wenn wir unsere Bekehrung, die Umkehr des Herzens, nicht selbst bewirken können? Die Antwort ist: Gott entzündet unseren Glauben durch sein Wort, durch das Evangelium. In 1. Korinther 2,4–5 beschreibt Paulus dessen Wirkung:
… mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.
Den Glauben der Korinther hat also Gottes Geist durch die Predigt des Evangeliums bewirkt. Die Verkündigung wurde für sie zu einem Wort, das sie in die Gemeinschaft mit Christus hineingenommen hat. Das Wort von Christus ist auch nach Römer 10,17 die Quelle des Glaubens:
So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi [durch das Evangelium als Wort von Christus].
In Philipper 1,29 deutet Paulus an, dass unser Glaube eine von Gott gegebene Erfahrung ist:
Denn euch ist es gegeben um Christi willen, nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch um seinetwillen zu leiden.
Weil Gottes Wort ein schöpferisches Wort ist, ist der Glaube das Werk der Schöpfungsmacht Gottes. Wenn wir glauben, dann ist etwas mit unserem Herzen geschehen, was dieses Herz nicht selbst bewirken konnte. Wir können uns nicht selbst mit dem Schopf aus dem Sumpf der Gottlosigkeit ziehen. Es ist das Evangelium, Gottes Wort, das uns in ein neues Leben ruft. Neu werden wir, weil wir uns im Glauben, der durch das Hören des Evangeliums ausgelöst wird, an Jesus Christus und an dessen Geschichte hängen. So ist der Glaube die Art und Weise („der Modus“), wie wir gegenwärtig im Heil stehen. Das Leben mit Christus folgt daher nicht einem anfänglichen Glauben, sondern der Glaube selbst ist das Leben mit Christus.
Der Geist Gottes ist in diesem Geschehen die Kraft des Wortes Gottes. Gottes Geist macht es zu einem lebendigen, schöpferischen Wort. Darum kann Paulus auch sagen, dass der Geist Gottes unseren Glauben ermöglicht. In 1. Korinther 12,3 erinnert Paulus daran: „… niemand kann Jesus den Herrn nennen außer durch den Heiligen Geist.“ Der Geist Gottes ist darum die bewegende Kraft, die durch das Evangelium zu uns kommt und uns zu glaubenden, Gott vertrauenden Menschen macht. Durch den Geist erkennen wir, was Gott im Evangelium schenkt.
Uns hat Gott dieses Geheimnis enthüllt durch seinen Geist, den er uns gegeben hat. Denn der Geist erforscht alles, auch die geheimsten Absichten Gottes. Wie die Gedanken eines Menschen nur seinem eigenen Geist bekannt sind, so weiß auch nur der Geist Gottes, was in Gott vorgeht. Wir haben aber nicht den Geist dieser Welt erhalten, sondern den Geist, der von Gott kommt. Darum können wir erkennen, was Gott uns geschenkt hat. (1 Kor 2,10–12)
Der Geist wirkt so in unserem Herzen, dass wir als Geisterfüllte über uns hinaus schauen können und uns auf Jesus Christus und seinen Vater ausrichten. Der Geist Gottes ist es, der uns den angstfreien Status der Kinder Gottes verleiht und dieses Wissen in unseren Herzen kräftigt: Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsst, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! (Röm 8,15)
Weil also der Glaube ein durch das Evangelium selbst ermöglichtes Verstehen ist, können wir uns nicht selbst unseres Glaubens rühmen. Das wäre ein Widerspruch in sich selbst. Von mir kann ich nur sagen, dass ich einer bin, den Gott in seiner Liebe gefunden hat. Auf meinen Glauben kann und will ich keineswegs stolz sein. Ich klopfe mir nicht selber auf die Schulter, sondern staune vielmehr darüber, dass Gottes Wort und Gottes Geist meinen Glauben erwecken konnte. Für unseren Glauben, für unser freies, ohne jeden Zwang ermöglichtes beständiges Ja zu Jesus Christus, danken wir Gott, weil wir ihn im Glauben als den Geber aller guten Gaben begriffen haben.
Die Ermunterung „Lass dich versöhnen mit Gott“ (2 Kor 5, 20) spricht Christus selbst durch die Verkündigung. Der Glaube liegt nicht im Herzen der Hörer verborgen, sondern im Herzen des Evangeliums – in Christus selbst. Darum ist es so wichtig, von seiner Geschichte zu erzählen und zu berichten, im Vertrauen darauf, dass sich Gott selbst in der Verkündigung Raum zum Glauben schafft. Auch Christen, die im Glauben stehen (vgl. 1Kor 16,13; 2Kor 1,24) bedürfen der ständigen Erinnerung an das Evangelium. Denn der Glaube hat keinen Stand in sich selbst, sondern ist nur fest im Bezug auf das Wort des Evangeliums. Darum ist die Glaubensstärkung durch die Predigt, die die Heilstat Gottes vergegenwärtigt, die Grundlage der Seelsorge in der Gemeinde.
Sonntag, 14. Februar 2010
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