In meinem Alter fängt man an, die Jahrzehnte zu zählen, die man bereits erlebt hat.
In den zukunftsplanerischen- und optimistischen 60er Jahren geboren, zu jung, ein 68er zu sein, aber in der Lage zu fühlen, was es bedeutete, Teil dieser gegenkulturellen Jugend- und Studentenbewegung zu sein (vor allem, wenn ich die Musik der 60er Jahre höre).
In den 70er Jahren in einem Jahrzehnt erwachsen geworden, das von Resignation gegenüber gesellschaftlichen Utopien geprägt war und stattdessen dem Weg in die reflektierte Innerlichkeit empfahl.
In den 80ern Studienzeit, begleitet von Weltkriegsangst (Kalter Krieg mit neuem Höhepunkt 1980-1985), befürchtetes Waldsterben und zugleich forcierter Modernisierung mit einem wunderbaren Happy-End 89 für Deutschland (Fall der Mauer) und die Welt (Ende des Kalten Krieges).
In den 90ern berufstätig in einem hedonistischen Jahrzehnt (vgl. nur die Love Parade in Berlin) voller neuer Möglichkeiten (Internet, verstärkte Globalisierung).
In den 00ern vielfältig aktiv angesichts der Zunahme der Krisen und des Krisenalarmismus, was einem im Unklaren darüber läßt, wie die Lage tatsächlich ist, denn das alltägliche Leben läuft insgesamt geregelt und überwiegend undramatisch ab und die Welt vernetzt sich global immer dichter. Es bleibt spannend.
Der durch das Evangelium entzündete und mal brennende und mal glimmende, aber nicht auszulöschende Glaube hat mich durch all diese Jahre geprägt. Die Geborgenheit in Gott, vermittelt durch Jesus Christus, ist für mich wie das Netz der Hochseiltänzer. Du kannst nicht ins Bodenlose abstürzen. Und das schenkt Vertrauen, etwas zu wagen, mutig zu sein, nicht ängstlich stehen zu bleiben.
Neben der immer wieder intensiven Beschäftigung mit den Grundlagen meines Glaubens, vor allem mit dem neutestamentlichen, und hier dem paulinischen Zeugnis des Evangeliums, spielt für mich auch Musik, die den Alltag untermalt und farbiger machen kann, eine wichtige Rolle.
Ich kann allen miterlebten Jahrzehnten Hörerfahrungen zuordnen, Soundtracks, Musik zur Zeit. Ich denke, dass geht vielen Menschen so.
Hier aus meiner Sicht einige wirklich zu empfehlende Alben, die mich in den 00er Jahren emotional und musikalisch besonders bewegt haben. Allen Alben ist gemeinsam: eingängig und zugleich komplex, melodiös einfallsreich, farbig, romantisch, leidenschaftlich, rhythmisch und voller ideenreicher Soundideen.
Maximilian Hecker: “Infinite Love Songs” 2001
März „Love Streams“ 2002
Pet Shop Boys: „Release“ 2002
Justus Köhncke: "Was ist Musik" 2002
The Cardigans: “Long Gone Before Daylight” 2003
Stars: “Heart” 2003
Interpol: "Antics" 2004
Klee: “Jelängerjelieber” 2004
Tele: “Wovon sollen wir leben“ 2004
Maximo Park „ A Certain Trigger“ 2005
Clap Your Hand Say Yeah: “Clap your Hand say Yeah” 2005
Kelley Polar: “Love Songs of the Hanging Gardens” 2005
Nada Surf: “The Weight is a gift", 2005
Midlake: “The Trials of Van Occupanther”2006
Ben Kweller: „Ben Kweller“ 2006
Final Fantasy: „He poos clouds“ 2006
Wilco: "Sky Blue Sky" 2007
Leisure Society: "Sleeper" 2009
Donnerstag, 31. Dezember 2009
Mittwoch, 30. Dezember 2009
Freundschaft
Freundschaft ist eine wichtige Dimension menschlicher Beziehungsfähigkeit. Ich habe dieses Jahr wieder erleben dürfen, was dieses Geschenk bedeutet und bin zutiefst dankbar für diejenigen Menschen, die mir Freundschaft schenken.
Viel ist schon über Freundschaft geschrieben worden, ich möchte drei Punkte nennen, die mir zu guten, stabilen Freundschaften sofort einfallen:
1. Freundschaft ist geprägt von Offenheit, vom Sich-Anvertrauen, dass man davon erzählt, was einen innerlich beschäftigt, sowohl die Glückserfahrungen, aber auch das, was einen belastet, und auch diejenigen Themen, die man guten Bekannten nicht anvertrauen würde.
2. Freunde/Freundinnen schenken sich Wertschätzung. Sie ermutigen einander. Freunde sehen im anderen vielleicht sogar mehr, als er/sie in sich selber sieht, aber nicht weniger. Sie werten den Freund innerlich nie ab. Sie verstehen ihn.
3. Freundschaften vertragen Unterbrechungen. Sie sind nicht so intensiv wie eine Partnerschaft, von der man stärker eine "Komplettzugänglichkeit des anderen" (P. Fuchs) erwartet und daher auch stärker enttäuscht werden kann. Freundschaften sind unterbrechungsverträglich. Die Frequenz der Begegnungen kann recht hoch, kann aber auch niedrig sein - der Qualität der Offenheit und Wertschätzung tut das keinen Abbruch.
Freunde erwarten nicht alles von einem Freund, sondern können ihre Freundschaftserwartungen auf mehrere Freunde verteilen.
"Freundschaft mit Gott" - "Freundschaft von Gott": Ich denke, es ist ein Versuch wert, die Erfahrung von Freundschaft auch in Bezug zu Gott einmal durchzuspielen. Immerhin sagt Jesus: "Euch habe ich Freunde genannt, weil ich euch alles kundgetan habe, was ich von meinem Vater gehört habe." (Johannes-Evangelium 15,15). In jedem Fall ist Freundschaft eine Lebensqualität, die von Jesus stark gewürdigt wird und damit in den inneren Bereich christlicher Spiritualität fällt.
Viel ist schon über Freundschaft geschrieben worden, ich möchte drei Punkte nennen, die mir zu guten, stabilen Freundschaften sofort einfallen:
1. Freundschaft ist geprägt von Offenheit, vom Sich-Anvertrauen, dass man davon erzählt, was einen innerlich beschäftigt, sowohl die Glückserfahrungen, aber auch das, was einen belastet, und auch diejenigen Themen, die man guten Bekannten nicht anvertrauen würde.
2. Freunde/Freundinnen schenken sich Wertschätzung. Sie ermutigen einander. Freunde sehen im anderen vielleicht sogar mehr, als er/sie in sich selber sieht, aber nicht weniger. Sie werten den Freund innerlich nie ab. Sie verstehen ihn.
3. Freundschaften vertragen Unterbrechungen. Sie sind nicht so intensiv wie eine Partnerschaft, von der man stärker eine "Komplettzugänglichkeit des anderen" (P. Fuchs) erwartet und daher auch stärker enttäuscht werden kann. Freundschaften sind unterbrechungsverträglich. Die Frequenz der Begegnungen kann recht hoch, kann aber auch niedrig sein - der Qualität der Offenheit und Wertschätzung tut das keinen Abbruch.
Freunde erwarten nicht alles von einem Freund, sondern können ihre Freundschaftserwartungen auf mehrere Freunde verteilen.
"Freundschaft mit Gott" - "Freundschaft von Gott": Ich denke, es ist ein Versuch wert, die Erfahrung von Freundschaft auch in Bezug zu Gott einmal durchzuspielen. Immerhin sagt Jesus: "Euch habe ich Freunde genannt, weil ich euch alles kundgetan habe, was ich von meinem Vater gehört habe." (Johannes-Evangelium 15,15). In jedem Fall ist Freundschaft eine Lebensqualität, die von Jesus stark gewürdigt wird und damit in den inneren Bereich christlicher Spiritualität fällt.
Freitag, 25. Dezember 2009
Weihnachten 1944 - Fluchterfahrungen eines Mädchens - Teil 2
Konnten Bedürfnisse, wie Nahrung und Kleidung zu dieser Zeit gestillt werden?„Die Bedürfnisse waren zu dieser Zeit ganz schlecht. Wir haben nichts bekommen, weder genug Nahrung für alle, noch warme Kleidung über den Winter. (...)“
Haben sie sich als kleines Kind nicht gefragt wieso Juden in KZs gebracht wurden?
„Alles was ich noch davon weiß, ist dass wir nicht darüber sprechen durften. Ich und mein kleinerer Bruder gingen damals noch nicht zur Schule (...) und niemand brachte uns somit bei, wieso das alles passierte, warum Krieg herrschte und was die Nationalsozialisten mit den Juden alles anstellten. (...) Ich denke mal die Leute waren damals so verängstigt, dass niemand sich traute nachzufragen oder darüber zu sprechen. Nicht einmal mein Onkel, der ein großer Nazi war, klärte uns damals auf. Er redete, so weit ich mich erinnern kann, kaum über dieses Thema. (...)“
War der Ort Mauthausen in Österreich, in dem sie lebten stark vom Krieg beschädigt?
„Nein gar nicht. Nur unser Haus, unter dem KZ, in dem wir lebten, war sehr alt und fast schon baufällig. Wir mussten immer aufpassen, dass wir uns beim Spielen nicht weh taten. (...)“
Wohin sind sie und ihre Familie von Mauthausen aus, nachdem sie dort ein halbes Jahr gelebt hatten?
„(...) Als wir Mauthausen verließen war es Winter. Es war kurz nach Weihnachten und überall lag noch Schnee. (...)
Über die Tschechei kamen wir als erstes nach Dresden. Das war noch vor dem Angriff auf Dresden. Dort lebte mein Onkel, der ein großer Nazi war. Wir lebten dort ein paar Wochen in seinem riesigen Haus. (...)
Von Dresden sind wir weitergezogen nach Mecklenburg. Ein paar Tage nach unserem Aufbruch hörten wir von der Bombardierung auf Dresden. (...)
Von Mecklenburg mussten wir jedoch wieder flüchten, weil die Russen kamen. (...) Kurz darauf hörten wir, dass wir wieder nach Jugoslawien in unser Heimatdorf Neusiwatz zurück könnten. Also zogen wir weiter bis an die ungarische Grenze. Kurz darauf brach zu dieser Zeit Typhus aus. Meine Mutter und mein Bruder erkrankten beide daran. Meine Mutter starb aufgrund der Folgen des Kopftyphus und mein Bruder, der Bauchtyphus hatte, überlebte schwer. (...) Das ist das Schlimmste was ich aus dieser Zeit berichten kann. Als kleines Kind seine Mutter zu verlieren, ist so schrecklich und furchtbar. (...) Kurz nachdem das passierte, starb noch meine Oma, weil sie die ganzen Strapazen und Geschehnisse nicht verarbeiten konnte. (...) An der ungarischen Grenze wurden wir jedoch nicht weiter gelassen und mussten umkehren. Die Jugoslawen hatten unser Heimatdorf vollständig besetzt. (...)
Mit den Viehwägen sind wir dann von Kaisersteinbruch in Österreich zurück nach Deutschland (...) und ich weiß noch, dass meine Mutter damals im Stroh auf diesem Viehwagen mit einer Decke zugedeckt lag. Ihre Lippen und Fingernägel waren ganz blau angelaufen. (...)
Unterwegs bekamen alle nur trockenes Brot zum Essen (...) und wenn der Zug anhielt, rannten alle Leute auf die Toiletten.
Meine Tante und mein Onkel passten nachdem meine Mutter starb auf mich und meinen kleineren Bruder auf. (...)“
Was war der nächste Halt auf ihrer Flucht?
„Von Kaisersteinbruch ging es dann also wieder zurück nach Deutschland. Da mein größerer Bruder in Darmstadt studierte und in Pfungstadt lebte, beschloss meine Tante und mein Onkel dort zu gehen und uns eine Unterkunft zu suchen. (...)
Hätten wir nicht mit den Nationalsozialisten von Jugoslawien nach Mecklenburg gemusst, wären wir sofort zu meinem Bruder nach Pfungstadt. Da ich aber noch so klein war, weiß ich heute auch nur noch das Grobe. (...)
In Pfungstadt kamen wir im Jahr 1947 an, (...) waren also gute 2 Jahre auf der Flucht. Dort kam dann auch mein Vater von Finnland zurück und sorgte für uns, da meine Mutter verstorben war.
Ab da begann unser richtiges Leben. (...)“
Haben sie sich als kleines Kind nicht gefragt wieso Juden in KZs gebracht wurden?
„Alles was ich noch davon weiß, ist dass wir nicht darüber sprechen durften. Ich und mein kleinerer Bruder gingen damals noch nicht zur Schule (...) und niemand brachte uns somit bei, wieso das alles passierte, warum Krieg herrschte und was die Nationalsozialisten mit den Juden alles anstellten. (...) Ich denke mal die Leute waren damals so verängstigt, dass niemand sich traute nachzufragen oder darüber zu sprechen. Nicht einmal mein Onkel, der ein großer Nazi war, klärte uns damals auf. Er redete, so weit ich mich erinnern kann, kaum über dieses Thema. (...)“
War der Ort Mauthausen in Österreich, in dem sie lebten stark vom Krieg beschädigt?
„Nein gar nicht. Nur unser Haus, unter dem KZ, in dem wir lebten, war sehr alt und fast schon baufällig. Wir mussten immer aufpassen, dass wir uns beim Spielen nicht weh taten. (...)“
Wohin sind sie und ihre Familie von Mauthausen aus, nachdem sie dort ein halbes Jahr gelebt hatten?
„(...) Als wir Mauthausen verließen war es Winter. Es war kurz nach Weihnachten und überall lag noch Schnee. (...)
Über die Tschechei kamen wir als erstes nach Dresden. Das war noch vor dem Angriff auf Dresden. Dort lebte mein Onkel, der ein großer Nazi war. Wir lebten dort ein paar Wochen in seinem riesigen Haus. (...)
Von Dresden sind wir weitergezogen nach Mecklenburg. Ein paar Tage nach unserem Aufbruch hörten wir von der Bombardierung auf Dresden. (...)
Von Mecklenburg mussten wir jedoch wieder flüchten, weil die Russen kamen. (...) Kurz darauf hörten wir, dass wir wieder nach Jugoslawien in unser Heimatdorf Neusiwatz zurück könnten. Also zogen wir weiter bis an die ungarische Grenze. Kurz darauf brach zu dieser Zeit Typhus aus. Meine Mutter und mein Bruder erkrankten beide daran. Meine Mutter starb aufgrund der Folgen des Kopftyphus und mein Bruder, der Bauchtyphus hatte, überlebte schwer. (...) Das ist das Schlimmste was ich aus dieser Zeit berichten kann. Als kleines Kind seine Mutter zu verlieren, ist so schrecklich und furchtbar. (...) Kurz nachdem das passierte, starb noch meine Oma, weil sie die ganzen Strapazen und Geschehnisse nicht verarbeiten konnte. (...) An der ungarischen Grenze wurden wir jedoch nicht weiter gelassen und mussten umkehren. Die Jugoslawen hatten unser Heimatdorf vollständig besetzt. (...)
Mit den Viehwägen sind wir dann von Kaisersteinbruch in Österreich zurück nach Deutschland (...) und ich weiß noch, dass meine Mutter damals im Stroh auf diesem Viehwagen mit einer Decke zugedeckt lag. Ihre Lippen und Fingernägel waren ganz blau angelaufen. (...)
Unterwegs bekamen alle nur trockenes Brot zum Essen (...) und wenn der Zug anhielt, rannten alle Leute auf die Toiletten.
Meine Tante und mein Onkel passten nachdem meine Mutter starb auf mich und meinen kleineren Bruder auf. (...)“
Was war der nächste Halt auf ihrer Flucht?
„Von Kaisersteinbruch ging es dann also wieder zurück nach Deutschland. Da mein größerer Bruder in Darmstadt studierte und in Pfungstadt lebte, beschloss meine Tante und mein Onkel dort zu gehen und uns eine Unterkunft zu suchen. (...)
Hätten wir nicht mit den Nationalsozialisten von Jugoslawien nach Mecklenburg gemusst, wären wir sofort zu meinem Bruder nach Pfungstadt. Da ich aber noch so klein war, weiß ich heute auch nur noch das Grobe. (...)
In Pfungstadt kamen wir im Jahr 1947 an, (...) waren also gute 2 Jahre auf der Flucht. Dort kam dann auch mein Vater von Finnland zurück und sorgte für uns, da meine Mutter verstorben war.
Ab da begann unser richtiges Leben. (...)“
Donnerstag, 24. Dezember 2009
Weihnachten 1944 - Fluchterfahrungen eines Mädchens zwischen Verbrechen und Fürsorge: Teil 1
Die SchülerInnen meines Geschichtsgrundkurses in der 13. Klasse erhielten die Aufgabe, einen selbst ausgewählten Zeitzeugen zur Nachkriegszeit 1945-49 zu interviewen, dieses Interview auschnittsweise zu transkribieren und dann auszuwerten. Viele bewegende Geschichten hörten und dokumentierten sie. Ein Auschnitt ist besonders verstörend in der Mischung von Erlebnissen der Grausamkeit und Fürsorge; die Zeitzeugin (die ich selber persönlich nicht kenne) ist damit einverstanden, dass ich ihn anonym hier publizieren darf, sie war insgesamt von 1944-1946 zwei Jahre auf der Flucht, bis sie 8-jährig in Pfungstadt bei Darmstadt endlich eingeschult wurde.
Frage: An welchen Stationen machten sie auf ihrer Flucht von Neusiwatz (Jugoslawien) nach Mecklenburg in Deutschland halt?
„Von Jugoslawien sind wir als allererstes nach Österreich. (...) Ich kann mich, obwohl ich erst 7 Jahre alt war, noch genau an damals erinnern. Wir durften damals nur das Nötigste mitnehmen, da es nicht viel Platz gab, was als kleines Kind für mich ganz furchtbar war. (...) Ich habe ganz schrecklich geweint, weil ich nicht weg wollte, nicht weg von meinen Freunden und all meinen Sachen, die ich damals besaß. Erst als wir schon weg waren, kamen die Jugoslawen zurück nach Jugoslawien und besetzten das deutsche Dorf, in dem wir lebten, weil sie uns Deutsche raus haben wollten. (...)
Bevor wir das Dorf verließen, gruben wir im Garten ein großes Loch aus und verbuddelten eine Badewanne mit unserem Hab und Gut, um es nach ein paar Jahren wieder zu holen. (...) In dieser Badewanne befand sich feinstes Porzellan, der Schmuck meiner Mutter und viele Ballen von guten Stoffen. (...)
Am Anfang der Flucht war es Sommer und wir saßen alle auf Planwagen. Vor uns wurden die Juden aus Jugoslawien von den deutschen Nationalsozialisten getrieben. Die Juden mussten laufen und wer nicht mehr konnte, dem wurde ein Gewehrkolben über den Kopf gezogen. Wer flüchten wollte, wurde sogar erschossen. (...) Als Kind war das so schlimm für mich, diese toten Juden auf dem Boden liegen zu sehen, das ist unvorstellbar. (...) Ich weiß noch, dass ich mal einen toten Juden im Straßengraben liegen gesehen habe, dem das halbe Gehirn heraushing. (...)
Von Neusiwatz sind wir als allererstes nach Mauthausen in Österreich gekommen. Dort haben wir etwa ein halbes Jahr, oder auch etwas länger, unterhalb eines KZs in einer alten Mühle gewohnt. (...) In dieses KZ wurden alle Juden, die noch am Leben waren, gebracht und ermordet. Meine Cousine, die ein paar Jahre älter war als ich, konnte sich noch daran erinnern, dass die Juden im KZ nachts immer geschrien haben, wenn sie vergast wurden. (...)
Nach ein paar Wochen bekam ich aufgrund des vielen Laufens ganz dicke Beine, sodass meine Mutter mich zu einem Arzt im KZ brachte. Ich weiß noch, dass wir dafür an einem hohen Zaun vorbeimussten und alle Juden sehen konnten, (...) die gestreifte Anzüge trugen und dort nur auf ihren Tod warteten. Diese Menschen waren nur Haut und Knochen. Das sah so furchtbar aus. (...) Meine Mutter sagte damals zu mir, dass ich nicht sprechen und ganz leise sein soll. (...) Von diesem Arzt bekam ich dann Tabletten gegen die Wassereinlagerungen in den Beinen. (...)
Über Weihnachten wohnten wir damals noch in diesem Haus in Mauthausen. Eines Tages machte ich morgens die Türe auf und fand dort einen Teller mit einer Kerze in einem Apfel und vielen Plätzchen auf den Stufen unserer Eingangstür. Das hatte uns alle so gefreut.
(...) Wir wussten jedoch nie, wer uns diesen Teller hingestellt hatte, da wir noch neu und fremd waren, doch dieser Teller machte uns alle so glücklich (...) und lies uns sogar in der Nachkriegszeit noch an die Gutmütigkeit und die Nächstenliebe der Menschen glauben.“
Frage: An welchen Stationen machten sie auf ihrer Flucht von Neusiwatz (Jugoslawien) nach Mecklenburg in Deutschland halt?
„Von Jugoslawien sind wir als allererstes nach Österreich. (...) Ich kann mich, obwohl ich erst 7 Jahre alt war, noch genau an damals erinnern. Wir durften damals nur das Nötigste mitnehmen, da es nicht viel Platz gab, was als kleines Kind für mich ganz furchtbar war. (...) Ich habe ganz schrecklich geweint, weil ich nicht weg wollte, nicht weg von meinen Freunden und all meinen Sachen, die ich damals besaß. Erst als wir schon weg waren, kamen die Jugoslawen zurück nach Jugoslawien und besetzten das deutsche Dorf, in dem wir lebten, weil sie uns Deutsche raus haben wollten. (...)
Bevor wir das Dorf verließen, gruben wir im Garten ein großes Loch aus und verbuddelten eine Badewanne mit unserem Hab und Gut, um es nach ein paar Jahren wieder zu holen. (...) In dieser Badewanne befand sich feinstes Porzellan, der Schmuck meiner Mutter und viele Ballen von guten Stoffen. (...)
Am Anfang der Flucht war es Sommer und wir saßen alle auf Planwagen. Vor uns wurden die Juden aus Jugoslawien von den deutschen Nationalsozialisten getrieben. Die Juden mussten laufen und wer nicht mehr konnte, dem wurde ein Gewehrkolben über den Kopf gezogen. Wer flüchten wollte, wurde sogar erschossen. (...) Als Kind war das so schlimm für mich, diese toten Juden auf dem Boden liegen zu sehen, das ist unvorstellbar. (...) Ich weiß noch, dass ich mal einen toten Juden im Straßengraben liegen gesehen habe, dem das halbe Gehirn heraushing. (...)
Von Neusiwatz sind wir als allererstes nach Mauthausen in Österreich gekommen. Dort haben wir etwa ein halbes Jahr, oder auch etwas länger, unterhalb eines KZs in einer alten Mühle gewohnt. (...) In dieses KZ wurden alle Juden, die noch am Leben waren, gebracht und ermordet. Meine Cousine, die ein paar Jahre älter war als ich, konnte sich noch daran erinnern, dass die Juden im KZ nachts immer geschrien haben, wenn sie vergast wurden. (...)
Nach ein paar Wochen bekam ich aufgrund des vielen Laufens ganz dicke Beine, sodass meine Mutter mich zu einem Arzt im KZ brachte. Ich weiß noch, dass wir dafür an einem hohen Zaun vorbeimussten und alle Juden sehen konnten, (...) die gestreifte Anzüge trugen und dort nur auf ihren Tod warteten. Diese Menschen waren nur Haut und Knochen. Das sah so furchtbar aus. (...) Meine Mutter sagte damals zu mir, dass ich nicht sprechen und ganz leise sein soll. (...) Von diesem Arzt bekam ich dann Tabletten gegen die Wassereinlagerungen in den Beinen. (...)
Über Weihnachten wohnten wir damals noch in diesem Haus in Mauthausen. Eines Tages machte ich morgens die Türe auf und fand dort einen Teller mit einer Kerze in einem Apfel und vielen Plätzchen auf den Stufen unserer Eingangstür. Das hatte uns alle so gefreut.
(...) Wir wussten jedoch nie, wer uns diesen Teller hingestellt hatte, da wir noch neu und fremd waren, doch dieser Teller machte uns alle so glücklich (...) und lies uns sogar in der Nachkriegszeit noch an die Gutmütigkeit und die Nächstenliebe der Menschen glauben.“
Dienstag, 22. Dezember 2009
Paulusoratorium
Was ich erhofft hatte, ist eingetreten. Durch das Live-Erlebnis des Paulusoratoriums in Bamberg und ein Gespräch darüber am Tag danach höre ich das Werk zu Hause anders, es erschließt sich mir besser und viel tiefer.
Ich höre die "Hooklines", die "Ohrwürmer", die Mendelsohn-Bartholdy eingebaut hat, die Wiederholung von musikalischen Motiven, die Vielfalt des eingesetzten Instrumentariums, die Stimmungswechsel, die Dramatik. Ich bemerke mittlerweile auch, dass ich eine sehr gute Interpretation besitze (Helmut Rilling als Dirigent, Gächinger Kantorei, Tschechisches Philharmonisches Orcherster....November 1994), die Solostimmen gefallen mir besser als diejenigen, die ich im Livekonzert gehört habe (klarer, voller) und insgesamt ist mehr Power in dieser Aufführung.
Inhaltlich wird mir klar, dass es M.-B. nicht um eine Lebensgeschichte des Paulus geht, auch nicht um ein Persönlichkeitsbild oder ein scharfes Bild seiner Theologie, sondern um die exemplarische Bekehrung vom Christusfeind zum Christusfreund, um den mutigen Verkündiger des Evangeliums bis hin zum Martyrium. Wenn man das akzeptiert und die doch recht massive Negativzeichnung der Juden (M.-B. war jüdischer Herkunft, aber selbst überzeugter Christ), die mir unangenehm aufgefallen ist, aushält, können einen viele Textpassagen auch innerlich ansprechen.
Ich höre die "Hooklines", die "Ohrwürmer", die Mendelsohn-Bartholdy eingebaut hat, die Wiederholung von musikalischen Motiven, die Vielfalt des eingesetzten Instrumentariums, die Stimmungswechsel, die Dramatik. Ich bemerke mittlerweile auch, dass ich eine sehr gute Interpretation besitze (Helmut Rilling als Dirigent, Gächinger Kantorei, Tschechisches Philharmonisches Orcherster....November 1994), die Solostimmen gefallen mir besser als diejenigen, die ich im Livekonzert gehört habe (klarer, voller) und insgesamt ist mehr Power in dieser Aufführung.
Inhaltlich wird mir klar, dass es M.-B. nicht um eine Lebensgeschichte des Paulus geht, auch nicht um ein Persönlichkeitsbild oder ein scharfes Bild seiner Theologie, sondern um die exemplarische Bekehrung vom Christusfeind zum Christusfreund, um den mutigen Verkündiger des Evangeliums bis hin zum Martyrium. Wenn man das akzeptiert und die doch recht massive Negativzeichnung der Juden (M.-B. war jüdischer Herkunft, aber selbst überzeugter Christ), die mir unangenehm aufgefallen ist, aushält, können einen viele Textpassagen auch innerlich ansprechen.
Samstag, 19. Dezember 2009
Gottesnähe - Spiritualität
Seit einiger Zeit schreibe ich an einer längeren Ausarbeitung zum Thema: "Gottesnähe erfahren. Urchristliche Spiritualität im Kontext ihrer Zeit." Auch in diesem Blog sind schon Bausteine dazu erschienen.
Kürzlich erneut ermutigt, diese Zugangsweise zu neutestamentlichen Texten zu beschreiten, hat mich die Lektüre einiger Seiten in Hans Weders "Neutestamentlichen Hermeneutik" aus dem Jahr 1986, S. 288-293:
"Die Nähe Gottes war grundlegend für das gesamte Wirken und Reden Jesu. Das Gebet in Getsemane reagiert auf die Nähe Gottes, statt sie erst herstellen zu wollen" ("Abba, mein Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch fort von mir! Aber nicht was ich will, sondern was du willst, soll sein." Markus 14,36).
"Das Gebet Jesu verdankt sich der Nähe Gottes. "
Man könnte das Gebet verstehen als konzentrierte Spiritualität des Menschen, als Gebärde, wo sich die Spiritualität sozusagen verdichtet. Spiritualität ist ein anderes Wort für Gottesbezug. Mann könnte auch sagen: Spiritualität ist die Erscheinungsform des Glaubens. Dazu ist das Gebet der Ort, wo der Glaube zugleich Gestalt annimmt und möglich wird."
"Das Beten Jesu scheint von der völligen Gewißheit auszugehen, daß es sich an den ganz nahen Gott wendet - an den Vater, über den Tisch hinweggesprochen. Von dieser Nähe lebt sein Gebet. Und diese Nähe schließt ein Beten aus, das meint, Gott erst noch bewegen zu müssen."
"In der Bitte findet der Beter Schutz davor, seiner Eigenmacht alles zuzutrauen."
Kürzlich erneut ermutigt, diese Zugangsweise zu neutestamentlichen Texten zu beschreiten, hat mich die Lektüre einiger Seiten in Hans Weders "Neutestamentlichen Hermeneutik" aus dem Jahr 1986, S. 288-293:
"Die Nähe Gottes war grundlegend für das gesamte Wirken und Reden Jesu. Das Gebet in Getsemane reagiert auf die Nähe Gottes, statt sie erst herstellen zu wollen" ("Abba, mein Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch fort von mir! Aber nicht was ich will, sondern was du willst, soll sein." Markus 14,36).
"Das Gebet Jesu verdankt sich der Nähe Gottes. "
Man könnte das Gebet verstehen als konzentrierte Spiritualität des Menschen, als Gebärde, wo sich die Spiritualität sozusagen verdichtet. Spiritualität ist ein anderes Wort für Gottesbezug. Mann könnte auch sagen: Spiritualität ist die Erscheinungsform des Glaubens. Dazu ist das Gebet der Ort, wo der Glaube zugleich Gestalt annimmt und möglich wird."
"Das Beten Jesu scheint von der völligen Gewißheit auszugehen, daß es sich an den ganz nahen Gott wendet - an den Vater, über den Tisch hinweggesprochen. Von dieser Nähe lebt sein Gebet. Und diese Nähe schließt ein Beten aus, das meint, Gott erst noch bewegen zu müssen."
"In der Bitte findet der Beter Schutz davor, seiner Eigenmacht alles zuzutrauen."
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Montag, 14. Dezember 2009
Paulusoratorium von Mendelssohn-Bartholdy
Am Wochenende war ich in Bamberg, um eine Aufführung des Paulus-Oratoriums von Mendelssohn-Bartholdy unter der Leitung von Herbert Blomstedt zu erleben. Die Garderobenschlange war so lang, dass wir erst in letzter Minute den Saal betreten konnten und dann unsere Plätze nicht fanden, zum Glück aber noch zwei nicht besetzte Sessel ziemlich weit hinten. Leider kein guter Klang, vergleichbar mit dem Hören einer zu leise abgespielten, mitteltonlastigen CD ohne Höhen und Bässe. Text zudem nicht verständlich. So war der Eindruck sehr blass. In der Pause Textheft gekauft und dann die richtigen Plätze gefunden, an der Seite zwischen Orchester und Chor. Klarer Stereoklang (allerdings etwas gewöhnungsbedürfig mit Orchester links und Chor rechts) und fast jedes Instrument individuell hörbar. Ein Genuß! Endlich genug Lautstärke, um das Ganze auch emotional mitzuerleben.
Zum Inhalt und zum Paulusbild Mendelssohns in einem nächsten Blog mehr. Hier schon einmal ein Absatz aus dem Wikipedia-Artikel über das Oratorium:
"Mendelssohn traf eine gezielte Auswahl darüber, welche Szenen er in seinen Paulus hinein nehmen wollte. Das Oratorium, in zwei Teile gegliedert, beschreibt den Werdegang vom Saulus zum Paulus, wobei der erste Teil seine Verfolgung der Christen (Märtyrertod des Stephanus durch Steinigung) schildert und das Damaskuserlebnis der Erscheinung Christi. Der zweite Teil erzählt von seiner Arbeit als Missionar und von den damit verbundenen Gefahren. Dass Mendelssohn dramatisch besonders wertvolle Szenen, wie die im Kerker von Philippi und die des Tribunals von Caesarea, nicht verwendet hat, wurde oft bedauert, doch ging es ihm wahrscheinlich eher um die Umsetzung und Erzählung der Apostelgeschichte, als um die Darstellung von Paulus als Persönlichkeit. Im zweiten Teil kommt der Ton dem einer Predigt sehr nahe. Im Schlusschor zieht Mendelssohn das Fazit, dass nicht nur Paulus die Gerechtigkeit Gottes durch seine Standhaftigkeit erfährt, „sondern alle, die seine Erscheinung lieben“. Somit stellt das Oratorium auch eine Aufforderung zur Bekehrung dar."
Zum Inhalt und zum Paulusbild Mendelssohns in einem nächsten Blog mehr. Hier schon einmal ein Absatz aus dem Wikipedia-Artikel über das Oratorium:
"Mendelssohn traf eine gezielte Auswahl darüber, welche Szenen er in seinen Paulus hinein nehmen wollte. Das Oratorium, in zwei Teile gegliedert, beschreibt den Werdegang vom Saulus zum Paulus, wobei der erste Teil seine Verfolgung der Christen (Märtyrertod des Stephanus durch Steinigung) schildert und das Damaskuserlebnis der Erscheinung Christi. Der zweite Teil erzählt von seiner Arbeit als Missionar und von den damit verbundenen Gefahren. Dass Mendelssohn dramatisch besonders wertvolle Szenen, wie die im Kerker von Philippi und die des Tribunals von Caesarea, nicht verwendet hat, wurde oft bedauert, doch ging es ihm wahrscheinlich eher um die Umsetzung und Erzählung der Apostelgeschichte, als um die Darstellung von Paulus als Persönlichkeit. Im zweiten Teil kommt der Ton dem einer Predigt sehr nahe. Im Schlusschor zieht Mendelssohn das Fazit, dass nicht nur Paulus die Gerechtigkeit Gottes durch seine Standhaftigkeit erfährt, „sondern alle, die seine Erscheinung lieben“. Somit stellt das Oratorium auch eine Aufforderung zur Bekehrung dar."
Freitag, 11. Dezember 2009
Gebet im Lukasevangelium
Bei ihrer Darstellung der Geschichte Jesu setzten die vier Evangelisten je eigene Akzente. Dietrich Rusam (in: M. Ebner und S. Schreiber [Hrsg.], Einleitung in das Neue Testament, Stuttgart 2008, S.204) macht darauf aufmerksam, dass Lukas uns das Beten Jesu als Vorbild darstellt. Gerade in schwierigen Situationen als Stärkung! Eine spirituelle Grundpraxis, an die ich immer wieder denken und sie praktizieren möchte.
"Jesus ist in seinem Verhalten als Vorbild...dargestellt. Immer wieder - so berichtet Lukas - habe Jesus gebetet: 3,21; 5,16; 6,12; 9,18.28-29; 11,1. Und auch das letzte Wort Jesu am Kreuz ist ein Gebet und zeugt von der innigen Verbindung zwischen Gott und seinem Sohn (23,46): 'Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände'...Darüber hinaus ist das Gleichnis vom Richter und der Witwe (Lk 18,1-8) zufolge V.1 als Aufforderung zum anhaltenden Gebet zu verstehen. Vergleicht man Lk 11,13 mit Mt 7,11, so stellt man fest, dass den Bittenden bei Lukas nicht (irdische) Gaben in Aussicht gestellt werden, sondern der Heilige Geist....Schließlich lässt sich die Wirkung des Gebets auch an Jesus selbst ablesen: Der im Garten Getsemani Furchtsame erfährt nach seinem Gebet auf wunderbare Weise Stärkung durch einen Engel (22,43). Diese Stärkung ermöglicht ihm ein mutiges Auftreten gegenüber seinen Häschern (22,47-53). Ja im Grund ist Jesus derjenige, der bei seiner Gefangennahme handelt. Er stellt Judas zur Rede, beschwichtigt seine Jünger (22,51a) und heilt das Ohr des Hohenpriesterknechtes wieder an (22,51b). Und folgerichtig bekennt er sich - entsprechend seiner eigenen Forderung (12,812) - sowohl vor dem Hohen Rat zu seiner Gottessohnschaft (22,70) als auch vor Pilatus zu seinem Königtum (23,3). Am Kreuz hängend bittet er noch für seine Henker (23,34) - ähnlich wie in seiner Nachfolge Stephanus (Apg 7,60). "
"Jesus ist in seinem Verhalten als Vorbild...dargestellt. Immer wieder - so berichtet Lukas - habe Jesus gebetet: 3,21; 5,16; 6,12; 9,18.28-29; 11,1. Und auch das letzte Wort Jesu am Kreuz ist ein Gebet und zeugt von der innigen Verbindung zwischen Gott und seinem Sohn (23,46): 'Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände'...Darüber hinaus ist das Gleichnis vom Richter und der Witwe (Lk 18,1-8) zufolge V.1 als Aufforderung zum anhaltenden Gebet zu verstehen. Vergleicht man Lk 11,13 mit Mt 7,11, so stellt man fest, dass den Bittenden bei Lukas nicht (irdische) Gaben in Aussicht gestellt werden, sondern der Heilige Geist....Schließlich lässt sich die Wirkung des Gebets auch an Jesus selbst ablesen: Der im Garten Getsemani Furchtsame erfährt nach seinem Gebet auf wunderbare Weise Stärkung durch einen Engel (22,43). Diese Stärkung ermöglicht ihm ein mutiges Auftreten gegenüber seinen Häschern (22,47-53). Ja im Grund ist Jesus derjenige, der bei seiner Gefangennahme handelt. Er stellt Judas zur Rede, beschwichtigt seine Jünger (22,51a) und heilt das Ohr des Hohenpriesterknechtes wieder an (22,51b). Und folgerichtig bekennt er sich - entsprechend seiner eigenen Forderung (12,812) - sowohl vor dem Hohen Rat zu seiner Gottessohnschaft (22,70) als auch vor Pilatus zu seinem Königtum (23,3). Am Kreuz hängend bittet er noch für seine Henker (23,34) - ähnlich wie in seiner Nachfolge Stephanus (Apg 7,60). "
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Mittwoch, 9. Dezember 2009
Vernünftige Argumente für die Realität Gottes
Glaube ist wesentlich ein Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch. Gott offenbart sich mir, er spricht mich an, er trifft mich ins Herz, in mein Existenz-Zentrum. Was aber, wenn ich aufgrund bestimmter Vorannahmen bezüglich Rationalität und Vernünftigkeit die Realität Gottes für grundsätzlich irrational, für denkunmöglich halte? Wenn es in meinem Denken gar kein Tor zu einer größeren Wirklichkeit gibt oder offen gehalten wird? Darum ist es von religiöser Seite her wichtig, zu zeigen, dass das Denken, die Rationalität des Menschen zwar Gott nicht beweisen, aber zumindest für denkmöglich halten kann. Das reicht für den Glauben nicht aus, aber es weitet das Denken.
Was die Realität Gottes anbetrifft, so haben Philosophen und Theologen in den letzten 2500 Jahren nämlich durchaus mehrere starke Argumente gefunden, die zur Kenntnis genommen werden sollten.
1. Mit guten Gründen läßt sich im Kosmos eine Zielgerichtetheit, durch Raum und Zeit bestimmt, erkennen. Der Kosmos wird durch über 30 Naturkonstanten gesteuert (z.B. durch die Planck’sche Mauer), die auf einen Grund schließen lassen, der sie eingerichtet hat und der der Entfaltung des Universums ein Ziel gegeben hat. Das Universum scheint genauestens reguliert worden zu sein. Wären die physikalischen Gesetze nicht genau so, wie sie es sind, dann gäbe es kein Universum, kein Sonnensystem, keine Erde und keine Menschen auf ihr, um darüber zu sprechen. Jean Guitton fragt staunend: „Ist diese schwindelerregende präzise Regulierung schierer ‚Zufall‘, oder entspringt sie dem Willen einer ersten Ursache, einer organisierenden Intelligenz, die unsere Realität transzendiert?“
2. Weiterhin läßt sich beobachten, daß alle Vorgänge im Universum Folge vorheriger Ursachen sind. Am Anfang dieser extrem komplexen Kausalkette könnte der unbewegte Beweger stehen, der Grund aller Ursachen. Gott kann so als das Sein bestimmt werden, daß alles Bestehende zusammenhält.
3. Gott ist der Umfassende, der alles umfaßt. Es ist durchaus vernünftig, vom Kosmos, der sich selbst nicht umfaßt, sonst wäre er ja selbst Gott, auf etwas zu schließen, das den Kosmos umfaßt. So ist denn das, was das Endliche umgreift, das Umgreifende. Die menschliche Vernunft nennt dann das, was Materie, Raum und Zeit umgreift „Gott“. Gott ist somit der Unbedingte, der alles Bedingte ermöglicht.
4. Gott läßt sich mit der Vernunft schließlich als derjenige erkennen, über den hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Gott ist dann die Wirklichkeit, über die man nicht hinausdenken kann. Gott als der Umgreifende läßt sich nicht mit dem endlichen Verstand ergreifen, weil diese immer nur das Endliche zu begreifen vermag. Gott lässt sich nur mit der Gabe der Vernunft erahnen, die das Umgreifende schauen, wenn auch nicht begreifen kann. Sonst wäre sie Gott selbst.
5. Wer sich dieser Weisheit öffnet, macht die Erfahrung, dass sinnliche Erfahrungen in ihrer Tiefe einen unendlichen Wert erhalten können, und damit einen Blick in die göttliche Wirklichkeit ermöglichen. So scheint das Göttliche im Weltlichen auf, nicht zuletzt auch im Schönen und Erhabenen. Viele Menschen machen diese Erfahrung in der Liebe, in der Freundschaft, in kreativen Aktivitäten (musizieren, malen, dichten) oder in tiefen Naturerlebnissen. Schönheit ergreift, macht staunen und lässt das wahre, das bleibende Wesen der Dinge erahnen.
Es gibt natürlich viele Wissenschaftler wie z.B. der prominente Biologe Richard Dawkins oder der von mir hochgeschätzte Niklas Luhmann, die darauf verzichten, von der Vielfalt auf die Einheit zurückzuschließen. Ihnen reicht es, mit dem Verstand die Welt als ein spannendes Spiel von Atomen, Genen und Systemen (um nur mal drei Mitspieler zu nennen) zu begreifen. Die Frage, wer dieses Spiel eingerichtet hat, ersetzen sie durch den schillernden Hinweis: „Ich sehe nur Zufall und Notwendigkeit" (J. Monod). Andere Wissenschaftler sehen allerdings die Grenzen empirischer Forschung und stimmen mit der oben vorgetragenen These überein: Wer erst einmal auf die Erkenntnis der Vernunft zurückgreift, dem erschließt sich die Plausibilität der Argumente für Gott, und sie können einen tief ergreifen. Sie vermitteln die Erkenntnis, dass es zumindest nicht unvernünftig ist, an Gott zu glauben, ja dass die Vernunft als Weisheit sich selber als Spiegel der göttlichen Vernunft begreifen kann. Die Bibel spricht von der „Ebenbildlichkeit Gottes“, die der Mensch von Gott verliehen bekam: Zu dieser gehört auch das Erlebnis, mit Hilfe der Vernunft Gottes Dasein und die Anwesenheit Gottes in der Welt erahnen zu können.
Was die Realität Gottes anbetrifft, so haben Philosophen und Theologen in den letzten 2500 Jahren nämlich durchaus mehrere starke Argumente gefunden, die zur Kenntnis genommen werden sollten.
1. Mit guten Gründen läßt sich im Kosmos eine Zielgerichtetheit, durch Raum und Zeit bestimmt, erkennen. Der Kosmos wird durch über 30 Naturkonstanten gesteuert (z.B. durch die Planck’sche Mauer), die auf einen Grund schließen lassen, der sie eingerichtet hat und der der Entfaltung des Universums ein Ziel gegeben hat. Das Universum scheint genauestens reguliert worden zu sein. Wären die physikalischen Gesetze nicht genau so, wie sie es sind, dann gäbe es kein Universum, kein Sonnensystem, keine Erde und keine Menschen auf ihr, um darüber zu sprechen. Jean Guitton fragt staunend: „Ist diese schwindelerregende präzise Regulierung schierer ‚Zufall‘, oder entspringt sie dem Willen einer ersten Ursache, einer organisierenden Intelligenz, die unsere Realität transzendiert?“
2. Weiterhin läßt sich beobachten, daß alle Vorgänge im Universum Folge vorheriger Ursachen sind. Am Anfang dieser extrem komplexen Kausalkette könnte der unbewegte Beweger stehen, der Grund aller Ursachen. Gott kann so als das Sein bestimmt werden, daß alles Bestehende zusammenhält.
3. Gott ist der Umfassende, der alles umfaßt. Es ist durchaus vernünftig, vom Kosmos, der sich selbst nicht umfaßt, sonst wäre er ja selbst Gott, auf etwas zu schließen, das den Kosmos umfaßt. So ist denn das, was das Endliche umgreift, das Umgreifende. Die menschliche Vernunft nennt dann das, was Materie, Raum und Zeit umgreift „Gott“. Gott ist somit der Unbedingte, der alles Bedingte ermöglicht.
4. Gott läßt sich mit der Vernunft schließlich als derjenige erkennen, über den hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Gott ist dann die Wirklichkeit, über die man nicht hinausdenken kann. Gott als der Umgreifende läßt sich nicht mit dem endlichen Verstand ergreifen, weil diese immer nur das Endliche zu begreifen vermag. Gott lässt sich nur mit der Gabe der Vernunft erahnen, die das Umgreifende schauen, wenn auch nicht begreifen kann. Sonst wäre sie Gott selbst.
5. Wer sich dieser Weisheit öffnet, macht die Erfahrung, dass sinnliche Erfahrungen in ihrer Tiefe einen unendlichen Wert erhalten können, und damit einen Blick in die göttliche Wirklichkeit ermöglichen. So scheint das Göttliche im Weltlichen auf, nicht zuletzt auch im Schönen und Erhabenen. Viele Menschen machen diese Erfahrung in der Liebe, in der Freundschaft, in kreativen Aktivitäten (musizieren, malen, dichten) oder in tiefen Naturerlebnissen. Schönheit ergreift, macht staunen und lässt das wahre, das bleibende Wesen der Dinge erahnen.
Es gibt natürlich viele Wissenschaftler wie z.B. der prominente Biologe Richard Dawkins oder der von mir hochgeschätzte Niklas Luhmann, die darauf verzichten, von der Vielfalt auf die Einheit zurückzuschließen. Ihnen reicht es, mit dem Verstand die Welt als ein spannendes Spiel von Atomen, Genen und Systemen (um nur mal drei Mitspieler zu nennen) zu begreifen. Die Frage, wer dieses Spiel eingerichtet hat, ersetzen sie durch den schillernden Hinweis: „Ich sehe nur Zufall und Notwendigkeit" (J. Monod). Andere Wissenschaftler sehen allerdings die Grenzen empirischer Forschung und stimmen mit der oben vorgetragenen These überein: Wer erst einmal auf die Erkenntnis der Vernunft zurückgreift, dem erschließt sich die Plausibilität der Argumente für Gott, und sie können einen tief ergreifen. Sie vermitteln die Erkenntnis, dass es zumindest nicht unvernünftig ist, an Gott zu glauben, ja dass die Vernunft als Weisheit sich selber als Spiegel der göttlichen Vernunft begreifen kann. Die Bibel spricht von der „Ebenbildlichkeit Gottes“, die der Mensch von Gott verliehen bekam: Zu dieser gehört auch das Erlebnis, mit Hilfe der Vernunft Gottes Dasein und die Anwesenheit Gottes in der Welt erahnen zu können.
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Sonntag, 6. Dezember 2009
Beziehungsreichtum - Beziehungslosigkeit
Um wieder tiefer zu verstehen, wie der Tod Jesus am Kreuz zu verstehen ist, habe ich das Lexikon RGG (Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Auflage) zu Rate gezogen und einen sehr gehaltvollen Artikel von Eberhard Jüngel zum Stichwort "Rechtfertigung" gefunden. Daraus zwei Zitate, die man ruhig mehrmals lesen sollte, weil sie Vieles auf wenig Platz, typisch für Lexikonartikel, sagen möchten. Besonders gut gefallen hat mir die Verwendung der Worte "Beziehungsreichtum" und "Beziehungslosigkeit", weil sie so gut geeignet sind, das zu beschreiben, worum es bei Sünde und Heil geht, um ein Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch:
"Unter Gerechtigkeit ist diejenige Ordnung des Beziehungsreichtums des Lebens zu verstehen, durch die die grundlegenden Lebensverhältnisse (das Verhältnis des Menschen zu Gott, zu seiner sozialen und natürlichen Umwelt und zu sich selbst) so zu ihrem Recht kommen, daß sie sich gegenseitig begünstigen. Ungerechtigkeit tritt dann ein, wenn eines dieser fundamentalen Lebensverhältnisse sich auf Kosten anderer durchzusetzen versucht, beispielsweise dann, wenn das Selbstverhältnis des Menschen zu rücksichtsloser Selbstverwirklichung verkommt und Gottesverhältnis wie Weltverhältnis dieser rücksichtslosen Selbstverwirklichung dienstbar gemacht und instrumentalisiert werden...in der Welt ist nichts mehr um seiner selbst willen interessant. Interessant ist nur noch, was man damit oder daraus machen kann. An die Stelle von Beziehungsreichtum tritt wachsende Beziehungslosigkeit. Die Bibel nennt diesen Drang in die Beziehungslosigkeit Sünde. "
"Gottes den Gottlosen rechtfertigende Gerechtigkeit wird im Evangelium offenbar, das als Wort vom Kreuz (1Kor 1,18) den Tod Jesu Christi als dasjenige Heilsereignis proklamiert, in dem der Gott, der sich hingebende Liebe ist, die selbstverschuldete tödliche Beziehungslosigkeit des Sünders an unserer Stelle erlitten und kraft seiner schöpferischen Liebe mitten im Tode neue Beziehungen und neues Leben geschafffen hat.
Indem er, von seiner hingebungsvollen Liebe bewegt, den als 'der Sünde Sold' (Röm 6,23) in die Welt gekommenen (Röm 5,12), über den Sünder verhängten Fluchtod erleidet, wird die Sünde zum Vergehen verurteilt und zum Vergehen gebracht.
Indem er, von seiner schöpferischen Liebe bewegt, mitten im Tode den Beziehungsreichtum des göttlichen Lebens durchsetzt, entstehen im geschöpflichen Raum neue Beziehungen und Lebensverhältnisse, in die der gerechtfertigte Sünder einbezogen wird: der aus Glauben Gerechte wird leben (Röm 1,17), weil er mit Gott zusammenleben kann und wird. "
"Unter Gerechtigkeit ist diejenige Ordnung des Beziehungsreichtums des Lebens zu verstehen, durch die die grundlegenden Lebensverhältnisse (das Verhältnis des Menschen zu Gott, zu seiner sozialen und natürlichen Umwelt und zu sich selbst) so zu ihrem Recht kommen, daß sie sich gegenseitig begünstigen. Ungerechtigkeit tritt dann ein, wenn eines dieser fundamentalen Lebensverhältnisse sich auf Kosten anderer durchzusetzen versucht, beispielsweise dann, wenn das Selbstverhältnis des Menschen zu rücksichtsloser Selbstverwirklichung verkommt und Gottesverhältnis wie Weltverhältnis dieser rücksichtslosen Selbstverwirklichung dienstbar gemacht und instrumentalisiert werden...in der Welt ist nichts mehr um seiner selbst willen interessant. Interessant ist nur noch, was man damit oder daraus machen kann. An die Stelle von Beziehungsreichtum tritt wachsende Beziehungslosigkeit. Die Bibel nennt diesen Drang in die Beziehungslosigkeit Sünde. "
"Gottes den Gottlosen rechtfertigende Gerechtigkeit wird im Evangelium offenbar, das als Wort vom Kreuz (1Kor 1,18) den Tod Jesu Christi als dasjenige Heilsereignis proklamiert, in dem der Gott, der sich hingebende Liebe ist, die selbstverschuldete tödliche Beziehungslosigkeit des Sünders an unserer Stelle erlitten und kraft seiner schöpferischen Liebe mitten im Tode neue Beziehungen und neues Leben geschafffen hat.
Indem er, von seiner hingebungsvollen Liebe bewegt, den als 'der Sünde Sold' (Röm 6,23) in die Welt gekommenen (Röm 5,12), über den Sünder verhängten Fluchtod erleidet, wird die Sünde zum Vergehen verurteilt und zum Vergehen gebracht.
Indem er, von seiner schöpferischen Liebe bewegt, mitten im Tode den Beziehungsreichtum des göttlichen Lebens durchsetzt, entstehen im geschöpflichen Raum neue Beziehungen und Lebensverhältnisse, in die der gerechtfertigte Sünder einbezogen wird: der aus Glauben Gerechte wird leben (Röm 1,17), weil er mit Gott zusammenleben kann und wird. "
Samstag, 5. Dezember 2009
Gottes Nähe erfahren - Hinweise des Matthäusevangeliums
Wie erfährt man - nach Vorstellung von Matthäus - schon heute Gottes Nähe?
1. Hier kommt zunächst einmal der Glaube an Jesus als Christus ins Spiel (Theologen sprechen von der „Christologie“). Jesus selbst ist „Gott mit uns“ (Immanuel, Mt 1,22). Gott ist also in Gestalt von Jesus in seinem Volk präsent, sichtbar und berührbar. Schon die Weisen aus dem Morgenland verehren den neugeborenen König der Juden, den Messias. Nach Kreuzigung und Auferstehung verheißt Jesus seinen Jüngern und allen, die sich von ihnen das Evangelium sagen lassen, sich taufen lassen und alles halten, was Jesus gesagt hat: „Ich bin bei euch (oder: „mit euch“) alle Tage bis zum (zeitlichen) Ende der Welt.“ (28,20). Diese begleitende Nähe gilt auch für das gemeinsame Gebet und den Gottesdienst: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte (griech.: en meso autou).“ (18,20)
2. Der im Himmel inthronisierte Christus, der sagt: „Mir wurde (vom Vater) alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben“, er spricht zu den Menschen durch seine Lehre. Er ist gegenwärtig durch seine Lehre, an vorderster Stelle durch die Bergpredigt. Er ist der einzige Lehrer der Gemeinde: „Ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen, denn einer ist euer Lehrer: Christus.“
3. Weil aber diese Lehrer, Jesus, der Christus, zu seinem Vater „mein Vater“ spricht, darum sind alle, die seinen Worten folgen ermächtigt, Gottes Vaternähe zu erleben, indem sie „mein Vater“ oder „unser Vater“ zu ihm sagen. Die Nähe Gottes wird Realität, sobald so zu Gott gesprochen wird. Darum heißt es aber auch: "Ihr sollt niemanden unter euch Vater nennen auf Erden; denn einer ist euer Vater, der im Himmel!"
4. Dieser durch Jesus und seine Worte nahe Vater, der doch im fernen Himmel „wohnt“, ist gleichwohl auch auf Erden anwesend: die Erde ist der „Schemel seiner Füße“ (Mt, 5,35) Jerusalem ist seine Stadt (5,35) und der Tempel „sein Haus“ (21,14). Ja, selbst im im Verborgenen ist er präsent und er sieht in das Verborgene. Gott ist zwar nicht einfach abstrakt oder grundsätzlich allgegenwärtig, aber sein Möglichkeitspielraum ist uneingeschränkt. Es gibt "Orte“ auf der Erde, die er bevorzugt: den Tempel in Jerusalem, aber auch einsame Orte, das Herz des Menschen in aller Abgeschiedenheit (Mt. 6,4; 6,6; 6.18). Gott ist vor allem auch dort, wo Männer auf ihre Männlichkeitsrituale verzichten müssen: im eigenen Stüblein, in der auf sich selbst zurückgeworfenen Seele.
1. Hier kommt zunächst einmal der Glaube an Jesus als Christus ins Spiel (Theologen sprechen von der „Christologie“). Jesus selbst ist „Gott mit uns“ (Immanuel, Mt 1,22). Gott ist also in Gestalt von Jesus in seinem Volk präsent, sichtbar und berührbar. Schon die Weisen aus dem Morgenland verehren den neugeborenen König der Juden, den Messias. Nach Kreuzigung und Auferstehung verheißt Jesus seinen Jüngern und allen, die sich von ihnen das Evangelium sagen lassen, sich taufen lassen und alles halten, was Jesus gesagt hat: „Ich bin bei euch (oder: „mit euch“) alle Tage bis zum (zeitlichen) Ende der Welt.“ (28,20). Diese begleitende Nähe gilt auch für das gemeinsame Gebet und den Gottesdienst: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte (griech.: en meso autou).“ (18,20)
2. Der im Himmel inthronisierte Christus, der sagt: „Mir wurde (vom Vater) alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben“, er spricht zu den Menschen durch seine Lehre. Er ist gegenwärtig durch seine Lehre, an vorderster Stelle durch die Bergpredigt. Er ist der einzige Lehrer der Gemeinde: „Ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen, denn einer ist euer Lehrer: Christus.“
3. Weil aber diese Lehrer, Jesus, der Christus, zu seinem Vater „mein Vater“ spricht, darum sind alle, die seinen Worten folgen ermächtigt, Gottes Vaternähe zu erleben, indem sie „mein Vater“ oder „unser Vater“ zu ihm sagen. Die Nähe Gottes wird Realität, sobald so zu Gott gesprochen wird. Darum heißt es aber auch: "Ihr sollt niemanden unter euch Vater nennen auf Erden; denn einer ist euer Vater, der im Himmel!"
4. Dieser durch Jesus und seine Worte nahe Vater, der doch im fernen Himmel „wohnt“, ist gleichwohl auch auf Erden anwesend: die Erde ist der „Schemel seiner Füße“ (Mt, 5,35) Jerusalem ist seine Stadt (5,35) und der Tempel „sein Haus“ (21,14). Ja, selbst im im Verborgenen ist er präsent und er sieht in das Verborgene. Gott ist zwar nicht einfach abstrakt oder grundsätzlich allgegenwärtig, aber sein Möglichkeitspielraum ist uneingeschränkt. Es gibt "Orte“ auf der Erde, die er bevorzugt: den Tempel in Jerusalem, aber auch einsame Orte, das Herz des Menschen in aller Abgeschiedenheit (Mt. 6,4; 6,6; 6.18). Gott ist vor allem auch dort, wo Männer auf ihre Männlichkeitsrituale verzichten müssen: im eigenen Stüblein, in der auf sich selbst zurückgeworfenen Seele.
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Donnerstag, 3. Dezember 2009
Entdeckungen
Meine Leidenschaft ist weiterhin die Neutestamentliche Wissenschaft. Gerade lese ich das Buch "Neutestamentliche Wissenschaft nach 1945. Hauptvertreter der deutschsprachigen Exegese in der Darstellung ihrer Schüler" (Neukirchener Verlag 2009), herausgegeben von C. Breytenbach und R. Hoppe. Es handelt sich um Exegeten (leider keine einzige Exegetin), die um 1900 herum geboren sind, bis spätestens in die 1980er Jahre publiziert haben und mittlerweile verstorben sind. Besonders hat mich die theologische Biographie von Joachim Jeremias interessiert, der Lehrer meines wichtigsten Lehrers Otfried Hofius. Neu entdeckt habe ich Eduard Schweizer, der in packender Weise von Ulrich Luz vorgestellt wird. Ich habe seinen Kolosserbriefkommentar mit ganz neuen Augen gelesen, ebenso einen umfangreichen Artikel zu "Jesus Christus" in der TRE. Eine Entdeckung ist für mich auch Hans Conzelmann, den ich - auch aufgrund seines Kommentars zum 1. Korintherbrief - als übertrieben knapp und nüchtern in Erinnerung hatte. Ein echter Tipp von Andreas Lindemann, der ihn vorstellt, ist daher sein Artikel in der 3. Auflage der RGG zu Jesus Christus. Da steckt Leidenschaft drin und es finden sich prägnante Formulierungen.
Hier ein paar Zitate zur Verkündigung Jesu:
"Die Einsicht, daß Gott direkt herrscht, führt zum Überstieg über die Sorge (Mt 6,25ff)."
"Daß Gott alles tut, daß er mein Tun beansprucht (und zugleich ermöglicht) und daß er sich von mir bitten läßt, für mich oder einen anderen etwas Besonderes zu tun, was er ohne mein Gebet nicht tun würde, das ist die in sich einheitliche Konzeption des Glaubens, die in der Situation des Gebets unmittelbar verständlich wird. Gerade weil er allmächtig ist, kann man sich ohne Scheu an ihn wenden. Weil er regiert, kann man mit Zuversicht bitten, im Vertrauen darauf, daß er im voraus weiß, was wir brauchen (Mt 6,7; 7,7ff). Der Beter ist von Gott selbst aufgefordert, sich an ihn zu wenden und um das Unwahrscheinliche zu bitten."
"In alledem ist das Gottesverhältnis als einseitig von Gott hergestellt (und durch Jesus vermittelt) verstanden."
Glaube "ist der völlige Verzicht auf Berechnung, auf das Einschieben von Leistungen als Mittelinstanz (Lk 17,1ff); er ist die 'einfältige' Einstellung auf Gottes Schenken, und seine Struktur entspricht diesem. Gott schenkt ja vorbehaltlos. Er läßt seine Sonne scheinen und läßt regnen über Gute und Böse (Mt 5,45). Er ist - vom Standpunkt der Leistung und rechnenden 'Gerechtigkeit' aus - ärgerlich gütig."
"Die Ethik Jesu zeigt also, wie Gottes begegnende Güte in heutige Verwirklichung umzusetzen ist."
"Wenn ich Gott verstehe - und das kann ich -, dann verstehe ich auch die Absolutheit seines Gebotes: daß er nicht nur etwas von mir will, sondern daß er mich will."
(Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Band 3, 1959, Sp. 635-638)
Hier ein paar Zitate zur Verkündigung Jesu:
"Die Einsicht, daß Gott direkt herrscht, führt zum Überstieg über die Sorge (Mt 6,25ff)."
"Daß Gott alles tut, daß er mein Tun beansprucht (und zugleich ermöglicht) und daß er sich von mir bitten läßt, für mich oder einen anderen etwas Besonderes zu tun, was er ohne mein Gebet nicht tun würde, das ist die in sich einheitliche Konzeption des Glaubens, die in der Situation des Gebets unmittelbar verständlich wird. Gerade weil er allmächtig ist, kann man sich ohne Scheu an ihn wenden. Weil er regiert, kann man mit Zuversicht bitten, im Vertrauen darauf, daß er im voraus weiß, was wir brauchen (Mt 6,7; 7,7ff). Der Beter ist von Gott selbst aufgefordert, sich an ihn zu wenden und um das Unwahrscheinliche zu bitten."
"In alledem ist das Gottesverhältnis als einseitig von Gott hergestellt (und durch Jesus vermittelt) verstanden."
Glaube "ist der völlige Verzicht auf Berechnung, auf das Einschieben von Leistungen als Mittelinstanz (Lk 17,1ff); er ist die 'einfältige' Einstellung auf Gottes Schenken, und seine Struktur entspricht diesem. Gott schenkt ja vorbehaltlos. Er läßt seine Sonne scheinen und läßt regnen über Gute und Böse (Mt 5,45). Er ist - vom Standpunkt der Leistung und rechnenden 'Gerechtigkeit' aus - ärgerlich gütig."
"Die Ethik Jesu zeigt also, wie Gottes begegnende Güte in heutige Verwirklichung umzusetzen ist."
"Wenn ich Gott verstehe - und das kann ich -, dann verstehe ich auch die Absolutheit seines Gebotes: daß er nicht nur etwas von mir will, sondern daß er mich will."
(Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Band 3, 1959, Sp. 635-638)
Dienstag, 1. Dezember 2009
Glauben verstehen
Theologie hat nicht die Aufgabe, den durch die Verkündigung geweckten Glauben an Jesus Christus durch Wissenschaft zu beweisen, sondern vielmehr diesen Glauben durch differenzierendes Nachdenken tiefer zu verstehen. Theologie führt daher früher oder später immer wieder zur Ergriffenheit zurück, die mit dem begreifenden Hören des Evangeliums verbunden ist und damit existenzbewegenden Charakter hat.
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