Donnerstag, 3. Dezember 2009

Entdeckungen

Meine Leidenschaft ist weiterhin die Neutestamentliche Wissenschaft. Gerade lese ich das Buch "Neutestamentliche Wissenschaft nach 1945. Hauptvertreter der deutschsprachigen Exegese in der Darstellung ihrer Schüler" (Neukirchener Verlag 2009), herausgegeben von C. Breytenbach und R. Hoppe. Es handelt sich um Exegeten (leider keine einzige Exegetin), die um 1900 herum geboren sind, bis spätestens in die 1980er Jahre publiziert haben und mittlerweile verstorben sind. Besonders hat mich die theologische Biographie von Joachim Jeremias interessiert, der Lehrer meines wichtigsten Lehrers Otfried Hofius. Neu entdeckt habe ich Eduard Schweizer, der in packender Weise von Ulrich Luz vorgestellt wird. Ich habe seinen Kolosserbriefkommentar mit ganz neuen Augen gelesen, ebenso einen umfangreichen Artikel zu "Jesus Christus" in der TRE. Eine Entdeckung ist für mich auch Hans Conzelmann, den ich - auch aufgrund seines Kommentars zum 1. Korintherbrief - als übertrieben knapp und nüchtern in Erinnerung hatte. Ein echter Tipp von Andreas Lindemann, der ihn vorstellt, ist daher sein Artikel in der 3. Auflage der RGG zu Jesus Christus. Da steckt Leidenschaft drin und es finden sich prägnante Formulierungen.
Hier ein paar Zitate zur Verkündigung Jesu:

"Die Einsicht, daß Gott direkt herrscht, führt zum Überstieg über die Sorge (Mt 6,25ff)."

"Daß Gott alles tut, daß er mein Tun beansprucht (und zugleich ermöglicht) und daß er sich von mir bitten läßt, für mich oder einen anderen etwas Besonderes zu tun, was er ohne mein Gebet nicht tun würde, das ist die in sich einheitliche Konzeption des Glaubens, die in der Situation des Gebets unmittelbar verständlich wird. Gerade weil er allmächtig ist, kann man sich ohne Scheu an ihn wenden. Weil er regiert, kann man mit Zuversicht bitten, im Vertrauen darauf, daß er im voraus weiß, was wir brauchen (Mt 6,7; 7,7ff). Der Beter ist von Gott selbst aufgefordert, sich an ihn zu wenden und um das Unwahrscheinliche zu bitten."

"In alledem ist das Gottesverhältnis als einseitig von Gott hergestellt (und durch Jesus vermittelt) verstanden."
Glaube "ist der völlige Verzicht auf Berechnung, auf das Einschieben von Leistungen als Mittelinstanz (Lk 17,1ff); er ist die 'einfältige' Einstellung auf Gottes Schenken, und seine Struktur entspricht diesem. Gott schenkt ja vorbehaltlos. Er läßt seine Sonne scheinen und läßt regnen über Gute und Böse (Mt 5,45). Er ist - vom Standpunkt der Leistung und rechnenden 'Gerechtigkeit' aus - ärgerlich gütig."

"Die Ethik Jesu zeigt also, wie Gottes begegnende Güte in heutige Verwirklichung umzusetzen ist."

"Wenn ich Gott verstehe - und das kann ich -, dann verstehe ich auch die Absolutheit seines Gebotes: daß er nicht nur etwas von mir will, sondern daß er mich will."

(Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Band 3, 1959, Sp. 635-638)

2 Kommentare:

  1. Hallo Christian,
    Als nicht-Theologe hätte ich bei all den hier aufgezählten Namen (die ich noch nie zuvor gehört habe) beinahe gelangweilt aufgehört zu lesen. Zum Glück aber nicht, sonst hätte ich den Satz über die Sorge glatt übersehen (nach Matthäus 6,25ff)

    Weiter so!
    Matthias

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  2. Lieber Matthias,

    ja, die Hinführung zu den wertvollen Zitaten ist vielleicht etwas lang; danke, dass du weitergelesen hast. Ich hoffe, dass immer mal etwas dabei ist, was Dich anspricht und deinen Glauben bereichert.

    Christian

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