Die folgende chassidische Geschichte berührt mich immer wieder, wenn ich sie lese:
Die Juden in einer kleinen Stadt in Russland warteten sehnsüchtig auf die Ankunft ihres Rabbi. Sie hatten so viele Fragen, die sie dem gelehrten Mann stellen wollten. Als er schließlich bei ihnen eintraf und sie im Lehrhaus der Stadt zusammen waren, konnte der Rabbi die Spannung spüren, in der die Leute auf seine Antworten warteten. Zuerst sagte er nichts, er schaute den fragenden Menschen in die Augen, summte eine schwermütige Melodie. Langsam fielen alle Menschen ein und summten mit. Dann begann der Rabbi zu singen, und alle sangen mit ihm. Dann wiegte er seinen Körper, und schließlich tanzte er mit feierlichen Schritten. Die Gemeinde folgte seinem Beispiel. Bald waren sie so vom Singen und gottesdienstlichen Tanz gefangen, dass sie auf nichts mehr achteten. Die Spannung wich einer wunderbaren Erlösung. Die Menschen wurden innen angerührt und von ihrer Zerrissenheit geheilt. Die vielen Fragen kamen zur Ruhe. Gut eine Stunde war vergangen, als das Singen und Tanzen langsam aufhörte. Die Menschen tauchten in einen schweigenden Frieden ein, der den ganzen Raum und ihre Herzen erfüllte. Dann sagte der Rabbi die einzigen Worte an dem Abend: „Ich hoffe, dass eure vielen Fragen beantwortet sind!”
Aus Axel Kühner: Hoffen wir das Beste, S.228, © Aussaat-Verlag, Neukirchen-Vluyn.
Erläuterungen zum Chassidismus im Wikipedia-Artikel:
Chassidismus kommt von dem hebräischen Wort חסידים / Chassidim, „Fromme“ und bezeichnet verschiedene voneinander unabhängige Bewegungen im Judentum. Gemeinsam ist diesen Bewegungen der hohe Standard religiöser Observanz, der hohe moralische Anspruch sowie eine besondere Gottesnähe, die häufig mystische Ausprägung gefunden hat. Begründer des osteuropäischen Chassidismus ist Israel ben Elieser (um 1700-1760), genannt Baal Schem Tow („Meister des guten Namens“). Innerhalb weniger Jahrzehnte verbreitete sich der Chassidismus in jüdischen Gemeinden in der Ukraine, in Polen, Weißrussland, Russland, Österreich und Deutschland. Der Baal Schem Tow und seine Nachfolger betonten den Wert des traditionellen Studiums der Tora und der mündlichen Überlieferung, des Talmud und seiner Kommentare. Daneben gewann die mystische Tradition der Kabbala erheblichen Einfluss. Über dieses Studium hinaus steht im Chassidismus das persönliche und gemeinschaftliche religiöse Erlebnis an vorderster Stelle.
Die Chassidim (Mehrzahl von Chassid) versammeln sich besonders am Sabbat und den jüdischen Festtagen um ihren Rabbi (jiddisch „Rebbe“), um in Gebet, Liedern und Tänzen und auch religiöser Ekstase Gott näher zu kommen. Der chassidische Rabbi, genannt „Zaddik“ („Gerechter, Bewährter“, von hebräisch „zedek“ = „Gerechtigkeit“), ist ein charismatischer Führer und Mittelpunkt der Gemeinde und gibt die chassidischen Lehren – oftmals in Form von Erzählungen und Gleichnissen – an seine Schüler weiter.
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