Im 7. Jahr des Claudius hielt er sich längere Zeit in Korinth auf. Gallio, der ältere Bruder des Philosophen Seneca, war damals Statthalter der Provinz Achaia. Dort geschah etwas Eigenartiges. Er war nach seiner Gepflogenheit regelmäßig in die Hauptsynagoge gegangen, deren Vorsteher Krispus war. Eines Sabbatnachmittags erklärte dieser Krispus, dass er sein Amt niederlegen werde und von nun an nur noch zur Gemeinde der Messiasgläubigen gehen werde. Sie versammle sich nebenan im Hause des Titius Justus, und jeder sei eingeladen, es wie er zu tun. Er habe sich taufen lassen zur Vergebung der Sünden und gehöre jetzt zur Gemeinschaft im Herrn Jesus. Wieder war Kriton dieser Jesus begegnet. Und diesmal spürte er in sich unversehens eine Hoffnung keimen, eine Antwort auf das Rätsel seines Lebens zu finden. Am nächsten Sabbatnachmittag besuchte er die Jesusgläubigen in ihrem Gottesdienst. Mit einem Kuß wurde er begrüßt. Es wurden Hymnen auf den Herrn gesungen. Etwa 50 Menschen, auffällig viele Frauen, und noch überraschender Juden und Heiden saßen zusammen und völlig gemischt auf den Bänken an den vier Wänden eines großen Kultraumes. Aber der Götteraltar fehlte. Nach dem Gesang und Gebeten wurde ein großer Tisch in den Raum getragen und vorbereitetes Essen wurde aufgetafelt. Alle aßen miteinander, Juden und Heiden. Kriton machte einfach mit. Es war wie vor 22 Jahren in Galiläa, als er das Brot aß, das die Anhänger Jesu verteilt hatten. Ihm war es, als ob der Geist Jesu hier wieder anwesend war. Der gleiche Frieden, die gleiche Freude, die gleiche Achtung und Wertschätzung untereinander. (Ihm waren zu der Zeit die starken Konflikte in Korinth noch nicht bekannt). Zum Ende des Mahles stand ein mittelgroßer älterer Mann auf, begann zu sprechen, und es wurde sehr still:
„Meine geliebten Brüder und Schwestern! Freut euch immerzu, mit der Freude, die vom Herrn kommt. Noch einmal sage ich euch: Freut euch! Alle sollen sehen, wie freundlich und gütig ihr zueinander seid. Der Herr kommt bald. Macht euch keine Sorgen, sondern wendet euch in jeder Lage an Gott und bringt eure Bitten vor ihn. Dann wird der Frieden Gottes, der alles menschliche Begreifen weit übersteigt, euer Denken und Wollen mit Guten bewahren, geborgen in der Gemeinschaft mit Christus.
Habt im Umgang miteinander stets vor Augen, was ihr in Jesus Christus seid: Er war in allem Gott gleich, und doch hielt er nicht gierig daran fest, so wie Gott zu sein. Er gab alle seine Vorrechte auf und wurde einem Sklaven gleich. Er wurde ein Mensch in dieser Welt und teilte das Leben dieser Menschen (Kriton erinnerte sich an die Szene in Galiläa vor über 20 Jahren am See Genezareth). Im Gehorsam gegen Gott erniedrigte er sich so tief, dass er sogar den Tod auf sich nahm, den Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm den Rang und Namen verliehen, der ihn hoch über alle stellt. Dieser Jesus hat uns den Weg des Glaubens und den Zugang zur Gnade Gottes eröffnet, in der wir jetzt festen Stand haben.
Wie sehr uns Gott liebt, beweist er uns damit, dass Christus für uns starb, als wir noch seine Feinde waren. Und nun seid ihr mit Gott durch Christus verbunden: Ihr wisst doch, was mit euch geschehen ist, als ihr getauft wurdet. Wir alle, die in Jesus Christus hinein getauft wurden, sind damit in seinen Tod hineingetauft. Und wie Christus durch die Macht Gottes vom Tod auferweckt wurde, hat er auch euch ein neues Leben geschenkt, in dem ihr nun auch leben sollt. Ihr alle seid jetzt mündige Söhne und Töchter Gottes, weil ihr durch den Glauben in engster Gemeinschaft mit Jesus Christus verbunden seid. Denn als ihr in der Taufe Christus übereignet wurdet, habt ihr Christus angezogen wie ein Gewand. Es hat darum auch nichts mehr zu sagen, ob ein Mensch Jude ist oder Nichtjude, ob im Sklavenstand oder frei, ob Mann oder Frau. Durch eure Verbindung mit Jesus Christus seid ihr alle ein neuer Mensch geworden. Und ich bin sicher, dass Gott, der dieses gute Werk in euch begonnen hat, es auch treu vollenden wird bis zum Tage Christi. So liebt nun einander. Helft einander, eure Lasten zu tragen. Freut euch immerzu. Lasst nicht nach im Beten. Dankt Gott in jeder Lebenslage. Das will Gott von euch, die ihr mit Jesus Christus verbunden seid. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch, Amen.“
Die Anwesenden stimmten laut in dieses Amen ein. Kriton war verstummt. Er konnte nichts sagen. Er nahm die Verabschiedungen fast teilnahmslos entgegen, fast wie in Trance. Er fand irgendwie den Weg zu seinem Gasthaus, und saß dann einfach auf seiner Liege. Wie Widerhaken, wie Enterhaken krallten sich die Worte dieses Paulus in seinem Bewusstsein fest. Sie schleuderten es in eine neue Wirklichkeit. Es war, als ob eine Decke, die tagelang seine Augen vor dem Sonnenlicht getrennt hatte, beiseite genommen wurde. Hellstes, strömendes Licht überflutete seine Seele. Er glühte innerlich und hatte das Empfinden, ein Feuerball voll Erkenntnis und Freude geworden zu sein.
In der nächsten Versammlung der Jesusgläubigen rief er vor der versammelten Gemeinde aus: „Wahrhaftig, Gott ist mitten unter euch.“ Und dann betete er vor allen: „Gott, du bist die Liebe, du bist der Vater aller Menschen. Du schaffst es, dass das Getrennte zueinander findet. Das Mahl deines Sohnes verbindet alle Menschen. Du bist in den Schwachen mächtig. Du heilst die Einsamkeit, du erhebst die Seele, du verbindest die Menschen im gemeinsamen Mahl.“ Alle freuten sich und schlossen ihn in die Arme. Kriton ließ sich kurz danach taufen. Er hatte eine neue Heimat gefunden, die Gemeinschaft derer, die Gottes Herz durch dessen Sohn gefunden haben. Kriton erkannte den Gott Israels in seinem Wesen, vielmehr, sah sich durch ihn erkannt und erleuchtet. - - -
Freitag, 7. August 2009
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