Für Katholiken selbstverständlich, für Protestanten jedoch, sowohl in den Volkskirchen wie auch in den Freikirchen, überwiegend kein wesentlicher Bestandteil der spirituellen Praxis. Luther übte an der katholischen Bußpraxis Kritik, behielt sie aber bei, während die Reformierten (Zwingli, Calvin) sie als nichtbiblisch ablehnten. Luther behielt sie übrigens nicht nur bei, sie war in Krisenzeiten für ihn fast täglich wichtig. Der evangelische Theologe Oswald Bayer (bei ihm habe ich 1988 an der Universität Tübingen die 1. Staatsexamensprüfung abgelegt) hat sogar plausibel gemacht, dass der eigentliche reformatorische Durchbruch Luthers mit der Erkenntnis einherging, dass die Zusage der Sündenvergebung in der Beichte eine echte und vollständig gewisse Zusage Gottes selbst ist, die befreienden Charakter hat (O. Bayer: Promissio. Geschichte der reformatorischen Wende in Luthers Theologie). Erhellend dazu ist ein Auszug aus dem Kleinen Katechismus von Dr. Martin Luther zum Thema Beichte:
"Was ist die Beichte?
Die Beichte begreift zwei Stücke in sich: eins, dass man die Sünden bekenne; das andere, dass man die Absolution oder Vergebung vom Beichtiger (Pfarrer) empfange als von Gott selbst, und ja nicht daran zweifele, sondern fest glaube, die Sünden seien dadurch vergeben vor Gott im Himmel.
Welche Sünden soll man denn Beichten?
Vor Gott soll man aller Sünden sich schuldig geben, auch die wir nicht erkennen, wie wir im Vaterunser tun. Aber vor dem Beichtiger (Pfarrer) sollen wir allein die Sünden bekennen, die wir wissen und fühlen im Herzen."
Ich selbst habe die Beichte bisher nur gegenüber Gott selbst praktiziert, aber nicht vor einem Beichtvater. Diese geistliche Übung ist mir bewusst geworden, weil ich vor kurzem selbst überraschenderweise zu einem Beichtvater wurde und dann ganz im Sinne von Luther die Zusage der Sündenvergebung ausgesprochen habe.
Die biblischen Bezugstexte für die Beichte vor Gott sind an erster Stelle die sogenannten Bußpsalmen Psalm 6, 32, 38, 51, 130 und 143, unter denen besonders Psalm 51 hervorragt.
Ein wichtiger biblischer Bezugstext für die Beichte vor einem anderen Gläubigen ist Jakobus 5,16: "Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr gesund werdet."
Beichte im Sinne des Evangeliums ist keine Leistung, auch keine Selbsterniedrigung, sondern eine ehrliche, authentische Auseinandersetzung mit den zerstörerischen Anteilen des eigenen Seelenlebens (die das Verhalten negativ prägen und einem selbst und anderen Schaden zufügen).
Mittwoch, 4. November 2009
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