In der letzten Woche konnte ich an zwei interreligiösen Begegnungen teilnehmen.
Yuval Lapide, der Sohn des bekannten Ehepaars Pinchas und Ruth Lapide, stellte sein Verständnis von Paulus vor. Er lud die ZuhörerInnen dazu ein, seinen Vortrag durch Fragen und Kommentare zu unterbrechen, damit die Atmosphäre eines jüdischen Lehrhauses entstehe. Von diesem Angebote macht ich öfters Gebrauch.
Lapide bewundert Paulus und möchte ihn als hochgebildeten Toralehrer und Pharisäer deuten, dessen Denken und Handeln durchaus im Rahmen des damaligen zeitgenössischen Judentums zu verstehen sei, er wollte die Tora stärker von der Gnade Gottes her verstehen. Der Jesusverehrung des Paulus (Jesus als menschgewordener Gott und als zum Herrn der Welt Erhöhte) kann Lapide allerdings wenig abgewinnen - er sprach sogar davon, dass hier Phantastereien des Paulus vorlägen, die als Ausdruck des Traumatas, dass er nie Jesus wirklich in Galiläa leibhaftig nachfolgen konnte, zu interpretieren seien.
Ich möchte diese gewagte These hier gar nicht kommentieren, sondern nur festhalten, dass offensichtlich die existentielle Bindung an Jesus Christus als gekreuzigten und auferstandenen göttlichen Herrn das ist, was jüdische Identität von christlicher Identität unterscheidet. Und dass dieses christliche Proprium gar nicht so einfach zu begreifen ist, obwohl es m.E. das Herz, der Dreh- und Angelpunkt des Lebens als Nachfolger Christi ist.
Die Begegnung mit Lapide hat mir aber auch wieder bewusst gemacht, wie stark Juden und Christusgläubige aller Völker miteinander verbunden sind: durch die Schrift, durch Jesus und durch die ersten Apostel, die alle Juden waren.
Einige Tage später war ich Ko-Referent einer Veranstaltung mit dem Titel: "Gewaltlosigkeit in der buddhistischen Spiritualität und in der Lehre Jesu". Im Gespräch nach den Kurzreferaten äußerte der von mir sehr geschätzte Referent Alfred Weil die Überzeugung, dass der christliche Glaube stark von der Angst vor der Strafe Gottes im Gericht geprägt sei, eine Angst, die im buddhistischen Karmaglaube ganz wegfalle. Auch diese Äußerung machte mir bewusst, dass der Kern christlichen Glaubens schnell aus die Blick geraten kann. Mein Glaube an Christus ist das Überwältigtsein von der Liebe Gottes, die sich in Christus offenbart hat. Meine Nachfolge beruht auf am Angestecktsein von der faszinierenden Lehre Jesu.
Angst vor dem Gericht? Nein, sondern die Hoffnung, dass Gott als Garant des Tun-Ergehen-Zusammenhangs den Opfern der Weltgeschichte, dir und mir, Recht schaffen wird; die Täter, du und ich, sollen schon jetzt zur Erkenntnis kommen, dass Gott selbst die Folgen des Unrechts am Kreuz auf sich genommen hat, und darüber ins Staunen geraten, wie groß die Liebe Gottes ist. Lesetipp: Römer 5,1-11, ach, eigentlich das ganze Kapitel 5, oder gleich den ganzen Römerbrief, den auch Yuval Lapide so stark findet, dass er von ihm nicht lassen kann.
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