Die Rede Kohelets wird zu Beginn und zum Abschluss gerahmt von einer Grunderfahrung, an die in der Rede immer wieder erinnert wird, ja die den Hörern geradezu „eingebläut“ wird: “Nichtig und flüchtig (= völlige Nichtigkeit oder = völlige Flüchtigkeit), sprach Kohelet, nichtig und flüchtig, das alles ist nichtig.” (1,2) - “´Flüchtig und nichtig, sprach Kohelet, das alles ist flüchtig. (12,8). Das hebräische Wort kann mit „nichtig“, „vergänglich“, „flüchtig“ übersetzt werden. Mir gefällt das Wort „flüchtig“, weil es weniger pessimistisch klingt, aber genau das festhält, was im Bild gesprochen mit diesem Wort gemeint ist: Alles ist wie der Windhauch, wie der Wind oder der Hauch, der verschwindet: nicht fest, nicht bleibend, vielmehr unbeständig, vergänglich, und überraschend schnell in der Veränderung. Doch auch das, was andere Leser schon mitgehört haben, stellt sich bei diesen Worten ein: Absurdität des Lebens, Nihilismus, Pessimismus, Resignation, Skepsis, Verzweiflung, weil das Leben in der Flüchtigkeit mit Mühe, mit Übeln, mit Todesverfallenheit und Vergänglichkeit verbunden ist, ja, ein Hamsterrad, ein ewiges Auf und Ab, ein Hin und Her ist.
Der Mensch als Geschöpf Gottes ist der Mensch, der dem Tode unterworfen ist. Kohelet registriert die Bosheit des Menschen: “Es kommt nichts Gutes durch den Mensch zustande”, alle Menschen sind auch Sünder (7,20), für die ohne Ausnahme das Urteil aus der Sündenfallgeschichte gilt: Aus Staub bist du und zu Staub musst du werden.
Kohelet hat sich selbst als Mann in der mühevollen Haltung des „Habens“ erlebt: er war der Fürst, der reiche Mann, der in einem nur dem Fürsten vorbehaltenen großangelegten, kostspieligen “Glücksexperiment” alles dinghaft um sich herum aufbaute und benutzte (1,12-2,22): Häuser, Weinberge, Gärten, Parks, Wasserteiche, Sklavinnen und Sklaven, Vieherden, Silber, Gold, Sängerinnen und Sänger, Frauen. Alles wird von ihm benutzt und gibt ihm auch Freude. Glück scheint über das Prinzip “Haben” also bei optimalen Ausgangsbedingungen (Fürst sein) machbar. Gleichzeitig erkennt er in seiner Weisheit, dass dies alles vergänglich ist; schon sein Nachfolger kann alles verspielen (2,18-21). Freude lässt sich also nicht auf Dauer stellen. Darum erklärt er sein Glücksexperiment, die Machbarkeit und Zuverlässigkeit dauerhaft frohen Lebens, das “Habhaftwerden” glücklicher Existenz für gescheitert.
Das gottferne Leben unter der Sonne ist von einer Haltung des sich „Mühens“ geprägt. Das ganze Leben ist Mühe, d.h. ein Versuch, der Dinge „habhaft“ zu werden. Doch vergeblich! Der Mensch ist vielmehr dem Hin- und Her völlig ausgeliefert. Nichts ist stabil oder von fester Substanz – alles Geschöpfliche ist eben „nichtig“, „flüchtig“, „vergänglich“. Im Buddhismus würde man von der Unbeständigkeit aller Dinge sprechen. „Alles Dasein ist Leiden“, weil das Glück immer unbeständig, nie ein sicherer Besitz, immer begrenzt und nie von Dauer ist.
Kann es angesichts dieser Diagnose überhaupt so etwas wie Glück, wie Erfahrung der Nähe Gottes „unter der Sonne“ geben? Inmitten von Flüchtigkeit, Vergänglichkeit und Todesverfallenheit? Ist Kohelet ein verzweifelter Existentialist, der sich in ein Leben geworfen sieht, aus dem es kein glückliches Entrinnen gibt?
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