Dienstag, 27. Oktober 2009

Religion im Koalitionsvertrag

Kaum ist der Koalitionsvertrag veröffentlicht und unter Dach und Fach, wird er auseinandergenommen - zu Recht in einer Demokratie. Da wird über das Problem der Finanzierung der Vorhaben gesprochen, über die Bevorzugung FDP-naher Lobbygruppen, über die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken...
Ich habe den Vertrag mal in Hinblick auf die Erwähnung von Religion durchgeschaut, immerhin haben ihn zwei Parteien mit einem C im Namen mitverfasst. Das Ergebnis ist überraschend dürftig, aber doch auch ziemlich aufschlußreich, besonders, wenn man als Lehrer an einer Schule tätig ist. Ich stelle die Zitate einfach mal zusammen und überlasse des dem Leser, der Leserin, die Aussagen zu verknüpfen.

S. 1, Z. 8-9: Wir achten, schützen und verteidigen die Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft mit aller Kraft. (Ist das die Religion der Koaliton??)
S 13., Z. 633: CDU, CSU und FDP bekennen sich zur Tarifautonomie (interessantes Bekenntnis)
S. 19, Z. 946-947: Wir bekennen uns zur Solarenergie als wichtige Zukunftstechnologie am Standort Deutschland (noch so ein Bekenntnis :), nicht das letzte)
S. 51, Z. 2539-44: Bildung ist Bedingung für die innere und äußere Freiheit des Menschen. Sie schafft geistige Selbständigkeit, Urteilsvermögen und Wertebewusstsein. Bildung und Forschung sind Grundlagen des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts. Bildung ist Voraussetzung für umfassende Teilhabe des Einzelnen in der modernen Wissensgesellschaft. Bildung ist daher für uns Bürgerrecht. Deswegen sagen wir der Bildungsarmut den Kampf an. (Gehört religiöse Bildung auch zur Bildung?)
S. 58, Z. 2894-95: Wir werden die Geistes- und Sozialwissenschaften stärken, die von großer Bedeutung für unser kulturelles Gedächtnis und die Gestaltung unserer Zukunft sind.(im "kulturellen Gedächtnis" ist auch die jüdische und christliche Religion enthalten)
S. 63: Z. 3132-33: Wir wollen Eltern, Betreuungseinrichtungen, Schulen und Einrichtungen der Jugendarbeit in ihrer werteorientierten Erziehungsverantwortung bestärken.
S. 86: Z.4281-86: Den Christlichen Kirchen kommt eine unverzichtbare Rolle bei der Vermittlung der unserem Gemeinwesen zugrunde liegenden Werte zu. Wir wissen, dass auch andere Religionen Werte vermitteln, die einen positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft haben. Wir achten alle Religionszugehörigkeiten. Besondere Verantwortung tragen wir für die jüdischen Gemeinden als Teil unserer Kultur. Wir werden den Dialog mit den Kirchen, Glaubensgemeinschaften und religiösen Vereinigungen noch stärker betreiben.
S. 110, 5498-504: Die enge Abstimmung und das gemeinsame Handeln der westlichen Wertegemeinschaft, d.h. der aufgeklärten, rechtsstaatlichen Demokratien dieser Welt, waren und bleiben eines der Erfolgsrezepte deutscher Außenpolitik. Auch in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts betrachten wir die Idee des Westens als
Grundlage und seine Institutionen als Plattform deutscher Außenpolitik. In der Zeit der Globalisierung muss der Westen zu mehr Geschlossenheit finden, um seine Interessen durchzusetzen und gemeinsame Werte zu bewahren. (Vgl. Winkler, Geschichte des Westens, 2009, der den Monotheismus, die Trennung von Staat und Religion und das christliche Menschenbild als Voraussetzung des Konzeptes der Menschenwürde zu den Grundwerten des "Westens" zählt).

Es lohnt sich wirklich, sich der Mühe der Lektüre dieses Vertrags zu unterziehen, es ist das Arbeitsprogramm unseres deutschen Gemeinwesens für die nächsten 4 Jahre. Ich habe manch´ Überraschendes gefunden.
http://www.spiegel.de/media/0,4906,21958,00.pdf

2 Kommentare:

  1. "S. 58, Z. 2894-95: Wir werden die Geistes- und Sozialwissenschaften stärken, die von großer Bedeutung für unser kulturelles Gedächtnis und die Gestaltung unserer Zukunft sind."

    Nee, is klar... Ich bin schon gespannt am warten, wann denn der große (Geld)-Segen über meine Altorientalistik ausbricht.

    Stehen da nicht auch viele Sachen drin, die eigentlich Ländersachen sind und somit nur schönes Blahblah auf Bundesebene?

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  2. Meines Erachtens ist das ein Alibi-Satz für die Geistes- und Sozialwissenschaften, denn vorangehend war auf drei Seiten (!) ausführlich von Förderungen für die anwendungsnahen Naturwissenschaften die Rede. Aber immerhin - der Wert der Kulturwissenschaften wird festgestellt und so ist eine stärkere Förderung auf Bundesebene durchaus einforderbar. Im Vertrag wird zwischen Länderaufgaben und Bundesaufgaben bezüglich Wissenschaftsförderung unterschieden; die Bund will auf die Länder einwirken.

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